Erstaunliches brachte jetzt eine Bundestagsanfrage der Grünen zutage. Die fanden es schon recht unerklärlich, warum eine Erweiterung des Flughafens Leipzig/Halle indirekt schon im Bundes-Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD im März 2018 auftauchte. Zwar hat die Bundesregierung mit der Erweiterung selbst nichts zu tun. Aber sie kann „Frachtfluglanderechte erweitern“.
Und sie kann den Flughafen Leipzig/Halle „generell als Landepunkt für den Luftfrachtverkehr in die assoziierten Dokumente und damit in die Luftverkehrsabkommen aufnehmen.“ Genau so steht es auf Seite 81 des Koalitionsvertrags zu lesen.
Während die Anwohner des Flughafens immer mehr und mehr unter der steigenden Nachtflugbelastung leiden, wird also emsig an der Erweiterung des stadtnahen Flughafens zu einem großen Frachtdrehkreuz gearbeitet. Konkret wurde das mit den im Juni 2019 veröffentlichten Plänen der Mitteldeutschen Flughafen AG (MFAG), für eine runde halbe Milliarde den Frachtflugbereich für die seit 2013 am Flughafen ansässige Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr (VD) zu erweitern.
Ein Vorgang, den die anderen deutschen Frachtfluggesellschaften sehr kritisch sehen, wie das „Handelsblatt“ im Februar 2019 über den deutschen Ableger von Volga-Dnepr namens Cargologic Germany, berichtete. So würde laut Dr. Michael Engel vom Bund der deutschen Fluggesellschaften (BDF) gegenüber dem Handelsblatt die Gefahr bestehen, dass so vor allem das internationale Geschäft der Frachtfluggesellschaft Volga-Dnepr mit staatlicher Unterstützung ausgebaut werden könnte.
Bei gleichzeitiger erwartbaren Bevorzugung der neuen deutsch-russischen Frachtgesellschaft über dem russischen Flugraum, der für europäische Fluggesellschaften offenkundig sehr teuer ist. „Die deutsche Regierung würde zum Steigbügelhalter russischer Expansionspläne im europäischen Luftverkehr, wenn sie der Cargologic eine deutsche AOC erteilen würde. Das kann weder im Interesse Deutschlands noch Europas liegen“, so Engel im Handelsblatt.
Und während die deutschen Frachtfluggesellschaften natürlich auch im eigenen und europäischem Interesse warnen und die rund 100.000 Umgebungsbewohner des Flughafens Leipzig/Halle weiteren Stress in der Nacht befürchten, hat sich ein Mann zum Berater der russischen Frachtflug-Gruppe gemausert. Stanislaw Tillich, der im Dezember 2017 als sächsischer Ministerpräsident zurücktrat und im Frühjahr 2018 verkündete, sich völlig aus der Politik zurückziehen zu wollen.
Wenig später war er einer der vier Vorsitzenden der Kohlekommission.
Da war noch nicht zu ahnen, dass er im September 2019 sogar zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der MIBRAG aufsteigen würde. Aus dem Politiker, der seit 2008 stets Politik für die in Sachsen tätigen Kohlekonzerne gemacht hat (meist unter dem Slogan „Versorgungssicherheit und Arbeitsplätze“), wurde ziemlich flott ein Spitzenvertreter für den Kohlekonzern MIBRAG.
Aber nicht nur für die sächsischen Kohlekonzerne hat der CDU-Mann ein erstaunlich weites Herz. Er kämpft auch noch für das russische Frachtflugunternehmen Volga-Dnepr, zu dem das „Handelsblatt“ schreibt: „Hinter VD steht der Oligarch Alexey Isaikin. Er hat nach offiziellen Angaben sowohl einen russischen als auch einen zypriotischen Pass.“
Seit Juni 2019 soll Tillich nach Informationen des „Tagesspiegel“ offiziell Ratgeber für Volga-Dnepr sein. Aber um deren Interessen hat er sich vorher schon eifrig bemüht, auch wenn die Bundesregierung den Beginn seines Bemühens lieber nicht so genau terminiert.
Aber wie soll man dann die Antwort auf eine der Fragen des sächsischen Bundestagsabgeordneten Stephan Kühn (Grüne) interpretieren, wenn es seitens der Bundesregierung heißt: „Stanislaw Tillich stand als einer der vier Vorsitzenden der Kommission ‚Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung‘ im Austausch mit verschiedenen Mitgliedern der Bundesregierung, darunter auch allgemein in Bezug auf den Flughafen Leipzig/Halle.“
Die sogenannte Kohlekommission tagte vom 6. Juni 2018 bis zum Januar 2019.
Sie sollte eigentlich einen Pfad für den Kohleausstieg definieren und die dafür notwendigen Strukturinvestitionen beziffern. Das Erste ist bis heute nicht passiert. Nur der vage definierte Termin für das Abschalten des letzten Kohlekraftwerks im Jahr 2038 steht im Raum. Parallel hat Tillich augenscheinlich seine Rolle in der Kommission dafür genutzt, um Unterstützung für den Flughafenausbau zu organisieren. Und offenbar direkt im Interesse von Volga-Dnepr.
Denn das steckt ja im nächsten Teil der Antwort der Regierung an Kühne: „Stanislaw Tillich hat am 25. März 2019 im Anschluss an ein Telefonat einen Brief an die Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel geschrieben, in dem er um Unterstützung für den Flughafen Leipzig geworben und sich für den Verbleib der Volga-Dnepr-Gruppe am Flughafen eingesetzt hat. Dieser wurde durch die Bundeskanzlerin mit Brief vom 6. Mai 2019 beantwortet.“
Die Bundeskanzlerin habe in der Antwort darauf verwiesen, „dass es sich hierbei um eine wirtschaftliche Entscheidung des Konzerns handle, auf die die Bundesregierung keinen Einfluss habe. Im Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD wurde vereinbart, die Frachtfluglanderechte für den Flughafen Leipzig/Halle zu erweitern und diesen generell als Landepunkt für den Luftfrachtverkehr in die assoziierten Dokumente und damit in die Luftverkehrsabkommen aufzunehmen. Daher haben zu diesem Thema auch Gespräche zwischen dem Bundesminister Andreas Scheuer und dem Ministerpräsidenten des Freistaates Sachsens Michael Kretschmer stattgefunden.“
Das ist dann schon ganz klassische Lobbyarbeit eines Ex-Ministerpräsidenten. Und es wirft ein bezeichnendes Licht auf die Zusammensetzung der Kohlekommission, die Einwirkungsmöglichkeiten der Vertreter fossiler Zeiten und das Zustandekommen ihres eher schwammigen Ergebnisses. Eines, das mit einem klug organisierten Kohleausstiegsplan eigentlich nichts zu tun hat.
Unterdessen hat die Petition von Kohlekommissions-Mitglied Hannelore Wodkte auf Change.org die 35.000-Mitzeichner-Zahl überschritten. In dieser fordert sie den Rücktritt Stanislaw Tillichs vom MIBRAG-Aufsichtsratsposten.
Die Antwort an die Grünen zum Ausbau des Flughafens Leipzig/Halle.
Hannelore Wodtke fordert Tillich zum sofortigen Rücktritt als MIBRAG-Aufsichtsratsvorsitzender auf
Hannelore Wodtke fordert Tillich zum sofortigen Rücktritt als MIBRAG-Aufsichtsratsvorsitzender auf
Keine Kommentare bisher