Kann man auch den klimaschädlichen Flugverkehr „grün waschen“? Ihm also das Image verpassen, umweltfreundlich oder gar klimaneutral zu sein? Und damit sind nicht die Leute gemeint, die sich das Reisen mit den Flugzeug auch noch schönreden. Sondern die Flughafenindustrie selbst. Die sich am 21. August in Leipzig von der Politik ein grünes Mäntelchen geben ließ: das Leipziger Statement. Denn künftig soll Fliegen natürlich ganz klimaneutral werden.

Doch während Bahn und Auto wenigstens schon mal angefangen haben, mit etwas umweltfreundlicheren Technologien unterwegs zu sein, kann davon beim Flugverkehr keine Rede sein. Das, was da am 21. August am Rande der Nationalen Luftfahrtkonferenz in Leipzig unterschrieben wurde, ist erst einmal nur eine Absichtserklärung, die zusammenfasst, was eigentlich die Flugzeugindustrie alles tun könnte, um den Flugverkehr irgendwann einmal vielleicht klimaneutral zu bekommen.

Unterzeichnet haben das Statement die Bundesminister Peter Altmaier und Andreas Scheuer gemeinsam mit Michael Kretschmer (Ministerpräsident des Freistaates Sachsen), Kristina Vogt (Senatorin für Wirtschaft, Arbeit und Europa und Vorsitzende der Wirtschaftsministerkonferenz), Tarek Al-Wazir (Staatsminister und stellvertretender Ministerpräsident i. V. für die Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz) sowie Dr. Klaus Richter (Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luft- und Raumfahrtindustrie), Jörg Hofmann (1. Vorsitzender der IG Metall), Prof. Klaus-Dieter Scheurle (Präsident des Bundesverbands der Deutschen Luftverkehrswirtschaft) und Christine Behle (Mitglied des Verdi-Bundesvorstands).

Lesen kann man es auch. Es ist auf der Homepage des Bundeswirtschaftsministeriums verlinkt. Darin stehen Sätze wie: „Ab 2020 soll auch der weltweite internationale Luftverkehr durch das globale Kompensationssystem CORSIA (Carbon Offsetting and Reduction Scheme for International Aviati-on) CO2-neutral wachsen.“

Das ist nicht klimaneutral, auch wenn sich viele Leute so heute schon ein Ruhekissen verschaffen. Es ist nur der Versuch einer Gewissensberuhigung, keine echte Klimaneutralität. Die gibt es übrigens noch nicht mal auf dem Reißbrett. Die soll erst mit neuen Flugzeugen, die auch mit anderen Treibstoffen fliegen, entwickelt werden. Und wozu reisen dann zwei Bundesminister an? Natürlich. Die Flugzeugindustrie möchte sich das gern bezahlen lassen vom Steuerzahler.

Das klingt dann so: „Die Bundesregierung fördert die Entwicklung neuer Antriebsformen sowie weiterer umweltschonender Flugzeugtechnologien im Rahmen des Luftfahrtforschungsprogramms und wird dieses im Hinblick auf eine Förderung emissionsärmerer, energieeffizienterer und leiserer Flugzeuge und Flugverfahren ausbauen.“

Das ist das, was immer mehr Bürger als eine sehr scheinheilige Politik begreifen: Aus lauter Angst davor, den Flugzeugflottenbetreibern klare gesetzliche Auflagen zu verpassen und sie für ihre klimaschädlichen Antriebe wirklich zur Kasse zu bitten, versprechen die zuständigen Minister lieber neue Fördergelder.

Logisch, dass der Aircargo Club Deutschland, in dem die deutschen Frachtflugunternehmen versammelt sind, nach dieser Elefantenrunde rundum zufrieden war.

„Der Aircargo Club Deutschland begrüßt diese Entwicklung und sieht hierin ein wichtiges Bekenntnis zum Luftverkehr und dessen Vereinbarkeit mit dem Klimaschutz“, meldete der Club umgehend. Und machte dann deutlich, dass auch dieses „Leipziger Statement wieder ein gelungenes Stück Lobby-Arbeit“ war. „ACD-Präsident Prof. Dr. Christopher W. Stoller wünscht sich aber vor allem einen stärkeren Bezug zur Luftfracht. Denn diese ist sowohl für die deutsche Exportwirtschaft als auch für die Konsumenten unverzichtbar.“

Genau darum geht es. Klimafreundlich ist die massive Entwicklung der Luftfracht nicht. Gesund schon gar nicht, wie die Anwohner des Leipziger Frachtflughafens wissen.

ACD-Präsident Prof. Dr. Christopher W. Stoller: „Wir sehen die Konferenz als einen positiven ersten Schritt und bieten als ACD unsere Unterstützung an.“ Auch die Inhalte des Leipziger Statements für die Zukunft der Luftfahrt begrüßt er. Aber nicht, weil die Flugzeuge jetzt klimafreundlicher werden sollen, sondern weil man wieder eine schöne deutsche Floskel gefunden hat: Weil alle Frachtflieger rund um den Globus Dreck machen, ist das überhaupt kein deutsches Problem. Stoller: „Der Fokus auf europäische Lösungen statt nationaler Alleingänge ist erfreulich.“

Und damit das da auch nicht so streng abläuft, betont er außerdem, dass die Politik darauf achten müsse, Deutschland im europäischen Wettbewerb nicht zu benachteiligen. Ein europäischer Rechtsrahmen müsse für alle beteiligten Länder die gleichen Bedingungen und Möglichkeiten vorweisen.

So schafft man mit einem einzigen Statement jegliche deutsche Verantwortung wieder aus der Welt. Wenn die anderen jetzt nicht auch klimafreundlich werden …

Da ist es dann leicht, sich gegenüber neuen Antriebstechnologien für die Luftfahrt aufgeschlossen zu zeigen. Allerdings wünscht sich Stoller im Leipziger Statement einen stärkeren Bezug zur Luftfracht. Denn diese sei in vielen Lebensbereichen nicht mehr wegzudenken, beschwor er: „Die Luftfracht ist für uns alle von großer Bedeutung, ohne sie würden viele pharmazeutische Produkte oder wichtige Ersatzteile einfach nicht mehr verfügbar sein.“

Eigentlich will er sogar das Gegenteil. Das könnte man direkt auf Leipzig münzen, wenn Stoller die Bestrebungen der Politik, mehr zeitlich uneingeschränkte Flugerlaubniszonen zu etablieren, positiv für den Frachtflugverkehr sieht: „Wir brauchen insgesamt weniger Restriktionen in diesem Bereich. Allerdings müssen diese regional abgestimmt sein, um eventuelle Belastungen zu vermeiden.“

Das hat mit Klimaverträglichkeit dann gar nichts mehr zu tun.

Mehr als eine Absichtserklärung, den Flugverkehr mal irgendwann in fernerer Zukunft klimaneutral zu machen, ist das Leipziger Statement auch nicht. Ein „Green washing“-Etikett für eine Branche, die heute schon mit Steuermilliarden gepampert wird.

Darauf ging dann der ökologische Verkehrsclub (VCD) ein, der die Ankündigung von Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer, Einnahmen aus einer möglichen Erhöhung der Luftfahrtsteuer der Branche für die Forschung an neuen Treibstoffen zur Verfügung zu stellen, sehr ernst nahm.

„Neue Subventionen für den Flugverkehr unter dem Deckmantel des Klimaschutzes darf es nicht geben“, sagt deshalb Kerstin Haarmann, VCD-Bundesvorsitzende. „Schon heute profitiert die Branche von milliardenschweren Subventionen und Privilegien. Offensichtlich sollen diese Vorteile für den klimaschädlichsten Verkehrsträger auch für die Zukunft gesichert werden – das hat nichts mit Klimaschutz zu tun! Wenn die Bundesregierung wirklich ernst machen will mit dem Klimaschutz, müssen die Privilegien im deutschen Luftverkehr – keine Kerosinsteuer, keine Mehrwertsteuer auf Auslandstickets – schleunigst abgebaut werden, anstatt sie weiter auszubauen. Sie führen zu einer erheblichen Wettbewerbsverzerrung auf Kosten der umweltfreundlicheren Bahn.“

Der VCD fordert, dass das Klimakabinett am 20. September die notwendigen Maßnahmen zur Erreichung der Klimaziele 2030 beschließt – auch für den Luftverkehrssektor. Denn das, was im „Leipziger Statement“ steht, wird frühestens in den 2040er Jahren spruchreif. Solange dauern nun einmal die Entwicklungszyklen für neue Antriebstechnologien.

Damit aber schwindelt sich der Luftverkehr aus seiner zentralen Rolle als klimaschädlicher Wirtschaftszweig, verkauft sich gar als unersetzlich, weil lauter Produkte, die früher regional hergestellt wurden, jetzt mit riesigen Luftfrachtflotten rings um den Globus geflogen werden. Da ist nicht einmal ein Ansatz, über die Klimaschädlichkeit der Branche nachzudenken. Man lebt ja davon, dass die Verhältnisse genau so klimschädlich sind, wie sie sind.

Für den VCD ist eigentlich klar, was schnellstmöglich zu tun wäre: „Kurzstreckenflüge müssen zügig auf die umweltverträglichere Schiene verlagert werden. Die Luftverkehrssteuer muss um den Faktor 3 erhöht und die Mehrwertsteuer auf Tickets im Bahnfernverkehr reduziert werden. Dringend notwendig sind auch massive Investitionen in die Infrastruktur und den Betrieb der Bahn, um die steigende Nachfrage bewältigen zu können.“

Denn auch der Frachtflugverkehr hat der Bahn Anteile abgejagt, weil es in Deutschland billiger ist, die Produkte mit dem Flieger zu transportieren als auf der Schiene. So wie allerorten klimaschädliche Produktions- und Transportarten billiger sind als solche, die unsere Umwelt schonen. Und dass sie nur zu bereit sind, weitere Steuermilliarden in die Branche zu pumpen, machten die beiden Bundesminister am 21. August auch deutlich.

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU): „Elektrisches und hybrid-elektrisches Fliegen sind zentrale Elemente strategischer Industriepolitik. Das Bundeswirtschaftsministerium wird seinen Beitrag leisten, dass entsprechende Technologien rechtzeitig zum Entwicklungsstart für die nächste Flugzeuggeneration bereitstehen.“

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer: „Unser Ministerium will fördern statt verbieten, saubere und synthetische Kraftstoffe billiger machen. Wir setzen uns dafür ein, dass die Einnahmen der Luftverkehrssteuer für Forschung, Innovation und Klimaziele genutzt werden. Wir wollen die Technik, mit der genauso viel CO2 in den Kraftstoff rein geht wie hinten aus dem Triebwerk rauskommt. Ich will nicht, dass das Billig-Fliegen siegt. Der Luftverkehr muss auf Qualität setzen und sauber sein. Unser Ansatz dabei bleibt technologieoffen und verkehrsträgerübergreifend. Wir denken Luftverkehr nicht ohne die anderen Mobilitätsangebote, vor allem die Bahn. Ein System, mit dem Deutschland mobil und erfolgreich bleibt, aber zugleich innovativer und klimafreundlicher wird.“

Nur den Zeitfaktor hat er ausgespart. Das ist dann sozusagen „green washing“ auf Vorrat. Irgendwann gibt es ja vielleicht die Antriebe, die Flugzeuge weniger klimaschädlich machen.

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