Am Donnerstag, 7. Februar, veröffentlichte die Landesarbeitsgemeinschaft der Industrie- und Handelskammern im Freistaat Sachsen die Ergebnisse der Konjunkturumfrage zum Jahresbeginn 2019 und kam zu dem Fazit: „Wachstumstempo lässt nach“. Aber wenn man sich die Zahlen genauer anschaut, kommt man ins Grübeln: Von welcher Wirtschaft sprechen wir da eigentlich? Und um welches Wachstum geht es?

Die aktuelle Konjunkturumfrage der sächsischen Industrie- und Handelskammern, an der sich 1.760 Unternehmen aus Industrie, Baugewerbe, Einzel- und Großhandel, Dienstleistungen und Verkehr mit rund 98.000 Beschäftigten beteiligten, zeigt – so interpretieren es die Geschäftsführungen der drei sächsischen IHKs – dass die Konjunktur ihren Zenit überschritten habe.

„Der IHK-Geschäftsklimaindex drückt die abgeschwächte Wachstumsdynamik der sächsischen Wirtschaft aus. Vor allem aufgrund der zuletzt verhalteneren Prognosen geht der Index weiter auf aktuell 130 Punkte zurück.“

Der Index entsteht durch das Abfragen der augenblicklichen Lageeinschätzung (gut, schlecht oder befriedigend) und die Einschätzung der Geschäftserwartungen (gut, schlecht, befriedigend). Die Unternehmen sind in Branchen gegliedert. Deshalb begegnen sich dann auch Unternehmen, die miteinander konkurrieren in derselben Branche.

Die einen, die bislang mit alten Geschäftsmodellen erfolgreich waren, verlieren an Boden, die anderen wachsen. Wenn sie dürfen und nicht an Gesetzen scheitern, die ihnen die Arbeit erschweren. Oder an einer Industriepolitik, die alte, umweltschädliche Technologien bevorteilt und subventioniert, Start-ups mit neuen, klugen Ideen aber das Geld entzieht.

All das macht so eine Umfrage leider nicht sichtbar. Deswegen darf man auch die geäußerten Argumente durchaus mit der Pinzette anfassen. Man bekommt nur General-Stimmungswerte, aber keine echten Daten und Fakten zu Wachstum – von was auch immer.

Tatsächlich hat sich am Grundrauschen seit der Herbstumfrage so gut wie nichts geändert: „Die Geschäftslage der Unternehmen bewegt sich zum Jahresbeginn 2019 auf dem Niveau der beiden Vorumfragen im Frühjahr und Herbst 2018, liegt allerdings unter der vom Jahresbeginn des Vorjahres. Aktuell bewerten 63 Prozent der Unternehmen ihre Lage mit gut (JB 2018: 67 Prozent). Der Lagesaldo aus guten und schlechten Urteilen bewegt sich mit 57 Prozentpunkten auf hohem Niveau, aber merklich unter dem Höchststand von 2018 mit 63 Prozentpunkten. Die Geschäftserwartungen der Unternehmen geben in allen Wirtschaftsbereichen gegenüber dem Vorjahreszeitraum nach. Für die kommenden 12 Monate rechnen 88 Prozent mit besseren oder gleichbleibenden Geschäften (JB 2018: 93 Prozent).“

Auch in der Industrie ist die Lage nach wie vor gut.

Denn, so schätzen selbst die IHKs ein: „In der sächsischen Industrie setzt sich das Wachstum fort. Die Stimmung ist aber weniger euphorisch als Anfang 2018. Eine Vielzahl von Geschäftsrisiken bremst zunehmend das konjunkturelle Wachstum. Die Geschäftslage verringert sich auf +57 Saldopunkte – ein Rückgang um 8 Prozentpunkte binnen Jahresfrist. Tendenziell eher verhaltene bis rückläufige Auftragseingänge aus dem In- und Ausland lassen den Blick auf die nächsten Monate eher vorsichtiger ausfallen. Von daher geben die Geschäftserwartungen erneut nach. Der Saldo fällt von 23 Saldopunkten zu Jahresbeginn 2018 auf nun 10 Punkte.“

Die Hitliste der genannten Geschäftsrisiken. Grafik: Sächsische IHKs
Die Hitliste der genannten Geschäftsrisiken. Grafik: Sächsische IHKs

Bauchschmerzen gibt es vor allem in der Autobranche, wo man nun merkt, dass die Dieselaffäre so langsam aufs Geschäft durchschlägt. Der Außenhandel macht zwar Sorgen, hat aber 2018 für ordentliche Geschäfte gesorgt. Weil die Sachsen aber endlich ein bisschen mehr Geld verdienten, hat das vor allem die Konsumgüterindustrie beflügelt – auch wenn Sachsen davon nicht mehr allzu viel hat. Das meiste wird ja irgendwo in Asien hergestellt.

Was einem immer zu denken gibt: Werden die Chinesen aufhören, deutsche Maschinen zu kaufen, wenn sie ihre Konsumgüter weiter in Deutschland absetzen wollen?

Die Dienstleister hängen zwar irgendwie immer direkt dran an der Auftragslage der Industrie.

Eben darum sind sie aber auch ein besserer Indikator für den wirklichen Stand der Entwicklung. Fazit: „Sowohl bei den konsumorientierten als auch bei den unternehmensnahen Dienstleistern ist die Stimmung dank der starken Binnennachfrage hervorragend. Die Einschätzung zur Geschäftslage ist nahezu unverändert auf hohem Niveau. Die Geschäftsaussichten bleiben auch für 2019 insgesamt zuversichtlich, dennoch geben die Prognosen nach. Der Erwartungssaldo, der Anfang 2018 bei 18 Saldopunkten lag, notiert gegenwärtig bei 11 Punkten.“

Wobei es einen Bereich in der Dienstleistung gibt, der laut und durchdringend jammert – das ist die Arbeitnehmerüberlassung, die sich maßlos darüber ärgert, dass die Regeln für Zeitarbeit ein bisschen eingeengt wurden. Was eigentlich bei den benachbarten Dienstleistern Kopfschütteln auslösen dürfte, die oft über fehlende Fachkräfte klagen.

Der Fachkräftehunger ist zwar ein Stück weit zurückgegangen, ist aber noch immer Sorgenkind der Unternehmen Nr. 1. Was wohl auch heißt: Die Zeitarbeitsfirmen sehen ihre Pfründe schwinden und die suchenden Unternehmen setzen weniger auf billig, befristet und schnell-raus-schnell-rein.

Denn gut ausgebildete Leute brauchen sie alle. Allen voran die Bauwirtschaft, die zwar irgendwie etwas sinkende Zukunftserwartungen signalisiert, obwohl jeder Bürgermeister in der Region sagen kann, dass er gar nicht alle Bauaufträge an den Markt kriegt. Also was denn nun? Die Auftragsbücher sind nicht nur übervoll, sie laufen über. Und trotzdem jammern einige Chefs?

Die Einschätzung der Bauwirtschaft. Grafik: Sächsische IHKs
Die Einschätzung der Bauwirtschaft. Grafik: Sächsische IHKs

Oder mit den Worten der IHKs: „Dank der anhaltend starken Auftragslage und der hohen Kapazitätsauslastung läuft die Bauwirtschaft weiter auf Hochtouren. Die Bauunternehmen sind mit ihrer Geschäftslage sehr zufrieden und gehen mit gut gefüllten Auftragsbüchern ins neue Jahr. Gut drei von vier Befragten beurteilen ihre Geschäfte mit ‚gut‘. Nur 3 Prozent sind mit ihrer Situation unzufrieden. Mit 75 Saldopunkten verfehlt die Baubranche nur knapp ihr Allzeithoch aus der vorherigen Umfrage. Die Geschäftserwartungen geben saisonal bedingt etwas nach, wobei insgesamt vier von fünf Unternehmen gleichbleibende Geschäfte prognostizieren.“

Der Einzelhandel hat übrigens endlich mal gejubelt. Denn wenn die Sachsen einigermaßen Geld in der Börse haben, klingeln die Kassen.

„Die Branche profitierte von einer stabilen Arbeitsmarktlage, Einkommenszuwächsen und niedrigen Zinsen, muss sich aber auch einem harten Preiswettbewerb und einer stark wachsenden Zahl von Online-Anbietern stellen“, schätzen die IHKs ein. „Per Saldo bewegt sich damit die Lageentwicklung mit 45 Punkten unter der des Vorjahres (49 Punkte), aber günstiger als im Herbst. Trotz der wieder besseren Geschäfte bleiben die Einzelhändler mit ihren Geschäftserwartungen Anfang 2019 eher zurückhaltend. 64 Prozent der Firmen rechnen mit einer gleichbleibenden Geschäftslage.“

Auch die Geschäftslage im sächsischen Großhandel bleibt auf hohem Niveau stabil.

Und dann ist da die Branche, die jetzt so langsam merkt, dass Deutschland im Verkehr vor 20 Jahren wahrscheinlich aufs falsche Pferd gesetzt hat.

„Im sächsischen Verkehrsgewerbe setzt sich die solide Geschäftsentwicklung nach einer saisonal bedingten Delle im Frühjahr fort. Dank der anhaltend starken Nachfrage nach Transportkapazitäten und logistischen Dienstleistungen liegen die Lagebewertungen auf einem insgesamt hohen Niveau“, finden die IHKs. „Dennoch wird deutlich, dass neben saisonalen Gründen auch wegen zunehmender Risiken die Stimmung nachlässt. 55 Prozent (JB 2018: 60 Prozent) berichten über eine gute und 6 Prozent über eine schlechte Geschäftslage (JB 2018: 2 Prozent). Die Geschäftserwartungen sind immer weniger von Zuversicht bestimmt. Der aktuelle Prognosesaldo liegt seit drei Jahren erstmals wieder im Minus.“

Wo er auch hingehört. Klingt zwar etwas scharf, ist aber so.

Im Bericht selbst heißt es dazu: „Als weitere Probleme werden unter anderem eine zunehmende Bürokratisierung, neue Regelungen zu Wochenruhezeiten, Mauterhöhungen, Umweltzonen, Dieselfahrverbote, das Lohngefälle im Wettbewerb mit ausländischen Konkurrenten oder der Brexit genannt. Die anhaltende, kräftige Baunachfrage, die Entwicklung des Onlinehandels einschließlich des wachsenden Paketlogistikmarktes, Kooperationen mit Wettbewerbern und die Digitalisierung der Geschäftsprozesse werden demgegenüber als Chancen der künftigen Entwicklung gesehen.“

In dieses Themenfeld gehören all die Geschichten zu übermüdeten Lkw-Fahrern, die wochenlang auf der Autobahn leben, zu nicht eingehaltenen Ruhezeiten, zu immer mehr reparaturbedürftigen Autobahnen, die für diesen Massen-Schwerlastverkehr nicht ausgelegt sind, aber auch die desolate Politik der Deutschen Bahn, die ihre Reservegleise demontiert und damit den Güterverkehr auf der Schiene ausgebremst hat. Hierher gehören aber auch die fehlenden Modernisierungen im Personennahverkehr, die Kleckerpolitik im ÖPNV und die massenweise Verlagerung ganz normaler Einkäufe auf die Straße – Lieferdienste, Online-Handel. Immer mehr Leute fahren alles mögliche Zeug zu Leuten, die zu faul sind, es sich im Laden an der Ecke zu kaufen – was auch in Leipzig zu desaströsen Verkehrsbehinderungen führt.

Das heißt: Wenn ein paar Unternehmen hier jubeln, jubeln sie auch, weil sie anderen das Geschäft kaputtgemacht haben und gleichzeitig massive Probleme für die Gesellschaft produzieren.

Dass es der Wirtschaft in Sachsen so insgesamt derzeit nicht schlecht geht und die Banken bereit sind, noch tüchtig Kredite auszureichen, zeigen die 70 Prozent gleichbleibender oder steigender Investitionsausgaben (JB 2018: 74 Prozent). Nur 30 Prozent der befragten Unternehmen planen weniger Ausgaben für Investitionen.

Und wie ist das mit den fehlenden Fachkräften? – „Die Personalnachfrage hält zwar weiter an, stellt sich aktuell jedoch verhaltener als noch zu Jahresbeginn 2018 dar. 22 Prozent aller Befragten beabsichtigen in den kommenden 12 Monaten zusätzliche Arbeitskräfte einzustellen (JB 2018: 27 Prozent). 12 Prozent rechnen mit einer Personalreduzierung in ihren Unternehmen.“

Was sehen die IHKS als wichtigste Geschäftsrisiken?

„Insbesondere haben sich die außenwirtschaftlichen Spannungen mit Handelsstreitigkeiten, Sanktionen und Strafzöllen sowie die mit dem Brexit verbundenen Unsicherheiten verschärft, was nicht ohne Folgen für die Auslandsbestellungen und die Exporte bleibt“, schreiben die IHKs.

„Im Inland belasten jedes zweite Unternehmen die Entwicklung der Arbeitskosten (u. a. Rückkehr zur paritätischen Finanzierung der Krankenkassenbeiträge, Mindestlohnanhebung) und steigende Rohstoff- und Kraftstoffpreise. Die demografische Entwicklung insbesondere im ländlichen Raum stellt zudem konsumorientierte Branchen vor wachsende Herausforderungen. Das größte Geschäftsrisiko ist aber für 57 Prozent der Unternehmen weiter der Fachkräftemangel. Die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen (Energiepolitik, Arbeitszeitgesetze, Diskussionen um Kohleausstieg, Dieselfahrverbote, Russlandsanktionen) einschließlich wachsender Bürokratie bereiten mehr als einem Drittel (37 Prozent) der Befragten weiterhin massive Probleme.“

Wer dann freilich sieht, dass die Sorgen um Kraftstoffpreise und Energiekosten nach oben geschnellt sind, ohne dass diese Kosten tatsächlich schon auffällig gestiegen sind, der merkt, wie sehr die Antworten aus den Unternehmen vor allem Gefühl und medialer Nachklapp sind.

„Die Energiewende muss neben dem Klimaschutz ebenso Versorgungssicherheit und Bezahlbarkeit als zentrale Faktoren für den Wirtschaftsstandort sicherstellen. Neben dem Netzausbau und der Angleichung der Netzentgelte in ganz Deutschland muss eine stärkere Flexibilisierung von Angebot und Nachfrage die wachsende Volatilität der Erzeugung über den Markt auffangen“, beschreiben die IHKs die Ansprüche an die kommende Energiewelt.

„Ein weiterer Anstieg der Energiepreise muss abgewendet bzw. kompensiert werden, um die Wettbewerbsfähigkeit aller Marktteilnehmer sicherzustellen. Die Empfehlungen der ‚Kohlekommission‘ sind rasch in gesetzliche Regelungen zu überführen, um Planungssicherheit zu gewährleisten und den Strukturwandel zu gestalten. Besonderes Augenmerk muss den Check-Points in den Jahren 2023, 2026 und 2029 zukommen, um ggf. auf sich nicht einstellende Fortschritte beim Zuwachs der Erneuerbaren Energien, dem Netzausbau, der Versorgungssicherheit und der Strompreisentwicklung reagieren zu können.“

Das darf man auch so lesen: Es gibt viel zu tun, höchste Zeit, dass die Ärmel hochgekrempelt werden und endlich dran gearbeitet wird.

So können Sie die Berichterstattung der Leipziger Zeitung unterstützen:

Ralf Julke über einen freien Förderbetrag senden.
oder

Keine Kommentare bisher

Schreiben Sie einen Kommentar