Da kommt was auf die Sachsen zu. Mit Ansage, wie Dr. Jana Pinka, umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag, feststellt. Sie hat nach zehn Monaten Ringen mit dem Sächsischen Oberbergamt endlich ein paar Zahlen zu den möglichen Folgekosten für das Bergbauende in der Lausitz. Und das könnte am Ende deutlich teurer kommen als das Debakel der Sachsen LB.
Das wird den sächsischen Steuerzahler am Ende „nur“ rund 1,9 Milliarden Euro gekostet haben, also etwa das Doppelte des Leipziger City-Tunnels. Oder 100 Schulen. Oder 600 Straßenbahnen oder Kindertagestätten.
Nur.
Denn dieses Abenteuer ist nach zehn Jahren Zahlemann & Söhne fast beendet. Knapp 70 Millionen Euro stehen noch als mögliches Risiko im Raum.
Aber wenn die LEAG in der Lausitz den Bergbau einstellen muss, weil er sich auf dem neuen Energiemarkt einfach nicht mehr rechnet, dann kann es doppelt so teuer werden. Und das vor allem deshalb, weil die sächsische Staatsregierung genau wie das ihr unterstellte Oberbergamt beim Verkauf der Kohlesparte von Vattenfall an die EPH den Kopf in den Sand gesteckt hat, nichts über die Absicherung der Bergbaufolgeschäden wissen wollte und öffentlich das Lied einer Kohleverstromung bis ins Jahr 2050 hinein sang.
So lange wird kein Kohlemeiler in Sachsen durchhalten. Je mehr Erneuerbare Energien in den Markt drücken, umso weniger Geld wird mit Kohlestrom verdient.
Bislang galt die unternehmerische Vorsorge im aktiven Braunkohleabbau durch bilanzielle Rückstellungen als gesichert. Zumindest aus Sicht der Staatsregierung, die sich bis zuletzt weigerte, über den nahenden Strukturwandel in der Lausitz überhaupt nachzudenken. Mittlerweile gab es ja die erste Strukturwandelkonferenz – auch wenn das ein ziemlich elitäres Anzugträgerereignis war. Aber die Botschaft ist in der Lausitz inzwischen angekommen. Die Kohle wird schon in wenigen Jahren kein stabiler Anker der Wirtschaft in der Lausitz mehr sein.
Anlass genug eigentlich für das verantwortliche Land, sich vom Bergbaubetreiber die gesetzlich geforderten Mittel zu sichern, um die Tagebaue anschließend wieder zu sichern und zu sanieren. Rückstellungen hatte zumindest Vattenfall gemacht und diese am Ende in Höhe von 1,7 Milliarden Euro an EPH weitergegeben. Sachsen hat auf eine Sicherung dieser Gelder verzichtet.
Seit Jahren aber war klar, dass diese Rückstellungen im Falle einer Insolvenz kaum noch etwas wert sind. Deswegen wollte Jana Pinka unbedingt wissen, was das Oberbergamt in den Betriebsplan eines Lausitzer Tagebaus geschrieben hat, worauf der Freistaat also im Falle des Kohle-Endes rechnen kann. Und siehe da: Auch im Oberbergamt ist man aufgeschreckt.
Das Oberbergamt hat im Dezember 2017 im Hauptbetriebsplan für den Tagebau Nochten festgehalten, „dass nunmehr ein Sicherungsbedürfnis in stärkerem Maß gegeben ist.“ Das ist erfreulich, stellt Dr. Jana Pinka fest. Sie hat am 1. März auf Grundlage einer Anfrage nach dem Umweltinformationengesetz ein Vorsorgekonzept und die dazugehörige Anlage der LEAG für den Braunkohlentagebau Nochten erhalten. Vorausgegangen war eine zehnmonatige Auseinandersetzung mit dem Oberbergamt.
„Aus den Unterlagen geht hervor, dass das geplante Sicherungskonstrukt für die Tagebaunachsorge nur funktionieren wird, wenn die Kraftwerke weiter wie bisher laufen und die Energiewende praktisch ausfällt. Das Geld für die Wiedernutzbarmachung muss aus Geldanlagen in irgendwelchen Fonds generiert werden. Das Risiko, wenn etwas schiefgeht, lastet auf der Allgemeinheit. Die LEAG will die zerstörte Landschaft im Grunde nur dann wieder herstellen, wenn von ihrem Gewinn dafür noch was übrig ist. Das ist inakzeptabel“, sagt Pinka.
Und zwar braucht es einen stetigen Gewinn bis ins Jahr 2042. Den es aber nur gibt, wenn die Energiewende in Deutschland abrupt gestoppt wird. Womit nicht zu rechnen ist. Nicht einmal unter der neuen Großen Koalition.
„Ich möchte nicht in der Haut des Oberberghauptmannes stecken“, sagt Pinka. „Einerseits legt das Unternehmen kaum überprüfbare Zahlen vor und lässt sich jede konkrete Aussage erst nach wiederholter Aufforderung aus der Nase ziehen. Andererseits ist der politische Druck mit den Arbeitsplätzen in der Kohle so groß, dass bisher der jeweilige CDU-Ministerpräsident und sein Stellvertreter Martin Dulig (SPD) keine spürbaren Maßnahmen gegen das Unternehmen durchgesetzt haben. Das aber erweist auch den Arbeitsplätzen in der Kohle einen Bärendienst, wird es doch durch diese Unterlassung dem Unternehmen erleichtert, sich vorzeitig schadlos vom Acker zu machen.“
Und die Summen, um die es geht, lassen sich jetzt aus den Unterlagen zum Tagebau Nochten zumindest abschätzen.
„Allein für den Tagebau Nochten geht die LEAG von 900 Mio. EUR Gesamtkosten für die Wiedernutzbarmachung aus. Ein Großteil der Kosten fällt dabei in den ersten fünf Jahren nach Einstellung des aktiven Bergbaus an. Für jeden einzelnen der heute noch aktiven Tagebaue Welzow, Jänschwalde und Reichwalde muss mit ähnlich hohen Kosten für die Wiedernutzbarmachung gerechnet werden. Diese Kosten kommen nicht nur zusätzlich zu der Nochten-Sanierung dazu, sondern fallen auch noch in einem ähnlichen Zeitraum an.“
Man kommt also für die Tagebaue in der Lausitz auf Sanierungskosten von über 3 Milliarden Euro. Für die die LEAG erst zum 30. Juni 2021 einen unbekannten „Sockelbetrag“ für die Zwecke der Wiedernutzbarmachung auf das Konto einer noch zu errichtenden Zweckgesellschaft einzahlen soll, der dann in den Folgejahren aufgefüllt werden soll. Wie vage das Konstrukt ist, erklärt JanaPinka im beigefügten Hintergrundpapier.
„Es besteht die große Gefahr, dass am Ende die Allgemeinheit haftet und die LEAG die Gewinne privatisiert haben wird“, stellt Jana Pinka fest. Und sie erinnert an den so grandios verpassten Zeitpunkt, an dem der Freistaat in der Lausitz durch echtes Engagement eine kalkulierbare Zukunft hätte schaffen können: „Die bessere Option wäre eine Verstaatlichung des Unternehmens gewesen.“
Vielleicht hätte auch Brandenburg diesen Vorstoß wagen sollen. Aber dort lief man genauso unlustig ins Risiko. Der einzige Trost: Die beiden Bundesländer werden sich in den Schaden dann teilen.
Stattdessen haben sich Sachsens Spitzenpolitiker wie Sachwalter der neuen Eigentümer benommen und das Risiko erst entstehen lassen, das in seiner Dimension die Kosten des Sachsen-LB-Desasters noch deutlich übersteigen kann.
Die Sachsen werden – wenn dieses Blinde-Kuh-Spiel schiefgeht – wieder dafür bezahlen: mit nicht gebauten Schulen, nicht gekauften Straßenbahnen, Kommunen, die nicht mehr investieren können, fehlendem Geld für Lehrer, Polizisten, Richter …
Und man vergisst beinah, dass der Freistaat auch noch bei anderen Wirtschaftsprojekten Poker spielt – man denke an die Porzellanmanufaktur Meißen, an den Elbhafen Riesa oder die nach wie vor defizitären Flughäfen.
Vor 2021 bekommt Sachsen nicht mal eine Spur von Sicherheitsleistungen in der Lausitzer Braunkohle
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