Das Kohlezeitalter geht zu Ende. Selbst Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) scheint das so langsam zu akzeptieren. Da braucht es nicht einmal Grenzwertbeschlüsse der EU. Dafür sorgen schon allein die Börsenpreise und der permanente Zuwachs an alternativen Erzeugeranlagen. Und nicht einmal zu einem Arbeitskräftedebakel in der Lausitz muss es kommen, stellt jetzt eine für Greenpeace Energy erstellte Studie fest.
Denn der Ausbau Erneuerbarer Energien bietet ausreichendes Potenzial, um die Braunkohlearbeitsplätze in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen vollständig zu ersetzen.
Dies belegt die neue Studie des Instituts für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) im Auftrag von Greenpeace Energy.
Wobei noch vorangestellt werden muss: Ein Großteil der Arbeitsplätze rund um die Kohle wird schon bis 2030 verschwinden. In der Lausitz zum Beispiel so: „Von heute ca. 8.000 Braunkohlearbeitsplätzen in der Lausitz werden auch bei ‚weiter wie bisher‘ durch Verrentung, Rationalisierung etc. ca. 50 Prozent abgebaut: die Zahl der Arbeitsplätze läge 2030 bei 3.900 (Vollzeitstellen).“
Der Strukturwandel vollzieht sich auch dann, wenn die sächsische Regierung nichts dafür tut.
Dass er sich für die Lausitz wesentlich besser vollziehen würde, wenn die sächsische Staatsregierung ein echtes Konzept für den Wandel auflegen würde, ist keine Frage. Aber sie tut lieber so, als wäre das heute einfach kein Thema.
Aber allein die Zielvorgaben der Bundesregierung bedingen bis 2030 den geordneten Ausstieg aus der Kohleverstromung. Tillich geht immerhin vom Jahr 2037 aus, anders als einige seiner Parteifreunde, die tatsächlich glauben, vor 2040 würde sich nichts ändern.
Es ändert sich jetzt schon.
Die Frage ist nur: Wann wird das auch politische Folgen haben?
Wie das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW) berechnet hat, geht es dabei um den Ersatz für 3.900 Braunkohlearbeitsplätze im Lausitzer Revier (Brandenburg und Sachsen) und 4.500 Jobs im Rheinischen Revier, die es dort im Jahr 2030 bei einer Fortsetzung der Braunkohleverstromung noch geben würde. Diese Arbeitsplätze können in den Bundesländern Brandenburg, Sachsen und Nordrhein-Westfalen allein durch den Ausbau der Wind- und der Solarenergie vollständig ersetzt werden, ermittelten die Berliner Forscher um Prof. Bernd Hirschl, die notwendigen Potenziale dafür seien vorhanden.
Zudem hat das Institut in seiner Studie „Mehrwert einer regionalen Energiewende im Lausitzer und im Rheinischen Revier“ untersucht, wie hoch die Wertschöpfungs- und Arbeitsplatzeffekte durch den Ausbau von Wind- und Solarenergie direkt in den Tagebaurevieren ausfallen.
„Es macht einen großen Unterschied, wie man diesen Ausbau angeht“, sagt Prof. Hirschl vom IÖW. „Wenn er durch regional verwurzelte Akteure und im Bürgerenergie-Rahmen vorangetrieben wird, entstehen durch den Ausbau von Windenergie und Photovoltaik besonders viele Arbeitsplätze vor Ort“, fasst Hirschl ein zentrales Studienergebnis zusammen. Auch die regionale Wertschöpfung liegt dann deutlich höher, zum Beispiel durch dort anfallende Steuereinnahmen und durch die Stärkung der lokalen Wirtschaft aufgrund dort gezahlter Gehälter.
Mit einem Stromprodukt den Strukturwandel finanzieren
Auf diese Effekte zielt „Solarstrom plus“ durch die Kooperation mit lokalen Partnern wie dem PV-Stromlieferanten Günter Jurischka, dessen Dorf Proschim vom Abbaggern durch den geplanten Tagebau Welzow-Süd II bedroht ist. „Für uns ist es wichtig, dass uns durch den neuen Stromtarif nun Menschen in ganz Deutschland einfach und direkt unterstützen können“, sagt Jurischka. „Das ist echtes Bürgerengagement, das hier positive Zeichen setzt.“ Allerdings, fügt er hinzu, müsse auch die Politik endlich Pläne für einen Braunkohle-Ausstieg bis 2030 vorlegen. „Wir wollen wissen, wie es hier weitergeht.“
„Deutschland muss bis spätestens 2030 vollständig aus der Braunkohle aussteigen, sonst sind unsere Klimaziele nicht zu erreichen. Die Bundesregierung und die Landesregierungen packen den längst überfälligen Strukturwandel in den Tagebauregionen aber nicht an“, sagt Nils Müller, Vorstand von Greenpeace Energy. „Wir haben 13 Jahre für den Ausstieg. Er muss also jetzt beginnen. Wir wollen nicht mehr länger auf die Politik warten und starten deshalb unseren neuen Tarif Solarstrom plus.“
Wer nicht in den Braunkohlegebieten lebt, hatte bislang kaum eine Möglichkeit, sich direkt für den Ausstieg aus der Braunkohle einzusetzen. Das soll sich mit dem Stromprodukt nun ändern.
„Unser Tarif ist ein völlig neues Stromangebot. Denn es erzielt eine spürbare Wirkung für den Ausbau der Erneuerbaren genau dort, wo die Braunkohlejobs verloren gehen“, sagt Müller. „So wollen wir dazu beitragen, dass die Menschen in diesen Regionen eine Perspektive für die Zeit nach der Braunkohle haben. Sonst wird der Strukturwandel nicht gelingen.“
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