Das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz ist noch längst nicht ausgewachsen. Es ist auch nicht zu Ende gedacht. Was auch daran liegt, dass die ersten zehn Jahre dieses wichtigen Mobilitätskonzeptes von einer falschen Diskussion um mögliche ICE-Züge im Leipziger City-Tunnel überblendet waren. Da ging die Diskussion um eine sinnvolle Erschließung der Region völlig unter.
Auch die Ausreden, man habe nicht mit diesem Andrang auf die S-Bahn-Züge gerechnet, zählt nicht mehr. Hier haben die handelnden Akteure von Anfang an zu knapp kalkuliert und dabei die Potenziale der Region völlig ignoriert. Der Grund ist simpel: Man redet zwar immer wieder von der Metropolregion. Man hat aber überhaupt nicht begriffen, was das bedeutet und wie sie funktioniert. Und vor allem: Welche Rolle Leipzig dabei spielt als zentraler Dreh- und Angelpunkt.
Seit das S-Bahn-System im Dezember 2013 in Betrieb ging, wird sichtbar, was darin im Keim eigentlich angelegt ist.
Der Vorschlag des Ökolöwen setzt eigentlich da an, wo die Verantwortlichen für das Netz längst stehen müssten: Die Linien zu komplettieren. Und zwar nicht nur bis Markranstädt.
Neuen Linien sind überfällig
Aber beim ZVNL (der für den sächsischen Teil zuständig ist) und der NASA (für den sachsen-anhaltinischen Teil) ist Schmalhans Küchenmeister und man hat es in beiden Fällen mit einer Landespolitik ohne Visionen zu tun. Die Gelder werden geradeso auskömmlich verteilt, für echte Qualitätssprünge fehlt der Mut.
Wer heute mit Zug oder Bus von Leipzig ins 30 Kilometer entfernte Merseburg fährt, muss über eine Stunde Fahrzeit einrechnen.
Der Vorschlag des Ökolöwen für eine direkte S-Bahn-Verbindung von Leipzig nach Merseburg würde die Fahrzeit zwischen den beiden Städten um 20 Minuten reduzieren. Und es würde auf einem Teil der Strecke sogar eine Taktverdoppelung bringen: Auf der Strecke nach Weißenfels fahren bereits stündlich Züge Richtung Erfurt und Saalfeld. Zusammen mit der S6 entstünde eine Taktverdopplung auf 30 Minuten zwischen Leipzig und Großkorbetha. Für die Reisenden würde das mehr Flexibilität und weniger überfüllte Bahnen bedeuten.
Und es würde den Effekt erzeugen, den andere S-Bahn-Linien längst haben: Sie würden das Fahrgastaufkommen deutlich erhöhen, weil die kurzen Abstände zwischen den Fahrten die Züge auch für den Weg zur Arbeit attraktiv machen würden. Dann wären Markranstädt, Großlehne, Bad Dürrenberg sogar attraktive Alternativwohnorte für Menschen, die in Leipzig Arbeit finden, aber keine angemessene Wohnung.
Das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz bietet noch viele Potenziale
Das aktuelle S-Bahn-Netz um Leipzig weist noch einige Schwächen auf, stellt der Ökolöwe fest.
Während die Nord-Süd-Verbindung gut ausgebaut wurde, sind die Städte westlich von Leipzig schlecht angebunden. Jetzt sollten schnell umsetzbare Lösungen gefunden werden, um auch die Lücken auf der West-Ost-Relation zu schließen. Im Zweckverband für den Nahverkehrsraum Leipzig (ZVNL) wird bereits über die Anbindung Markranstädts nachgedacht.
Der Ökolöwe schlägt vor, noch einen Schritt weiterzugehen. Die neue S-Bahn könnte als S6 zwischen der Dom- und Hochschulstadt Merseburg mit 34.000 Einwohnern und Leipzig fahren, wobei kein Umsteigen mehr notwendig wäre. Für zahlreiche Reisende wäre die direkte Verbindung über Leutzsch, Markranstädt, Großkorbetha und Leuna deutlich schneller als heute. Folglich würden wieder mehr Menschen in die Bahn einsteigen und die B181 vom Autoverkehr entlasten. Die Lärm- und Schadstoffbelastungen auf der Merseburger Straße und der Ortsdurchfahrt Rückmarsdorf können dadurch deutlich reduziert werden.
Zwischen Merseburg und Leipzig besteht ein hohes Fahrgastpotenzial
Durch die Netzerweiterung nach Merseburg werde der Wirtschaftsraum Mitteldeutschland weiter zusammenwachsen. 75.000 Menschen würden an das Mitteldeutsche S-Bahn-Netz angeschlossen, so der Ökolöwe.
Neben den über 4.000 Studierenden und Mitarbeitern der Hochschule Merseburg, von denen viele in Leipzig wohnen, profitieren auch weitere Pendler auf dieser Strecke. Beispielsweise sind die Leunawerke mit 9.000 Mitarbeitern und zwei Bahnhöfen sehr gut an diese Bahnlinie angeschlossen. Dadurch entstehe eine gute Alternative zum Auto.
Mit der neuen S-Bahn über 20 Minuten schneller in Merseburg
1998 wurde die Bahnstrecke zwischen Leipzig und Merseburg stillgelegt. Seitdem sind die alternativen Verbindungen mit Bus und Bahn wenig attraktiv. Heute kann Merseburg per Zug entweder über Halle oder Großkorbetha erreicht werden, was jeweils mit einem Umstieg und längeren Wartezeiten verbunden ist. Zusätzlich verbindet die PlusBus-Linie 131, über Rückmarsdorf und Dölzig entlang der B181, die beiden Städte mit etwa einer Stunde Fahrzeit. Bei normaler Verkehrslage dauert die Fahrt mit dem Pkw auf selber Strecke hingegen nur 45 Minuten. Die neue S-Bahn würde mit knapp 40 Minuten Fahrzeit die schnellste Verbindung anbieten.
Die bestehende Infrastruktur sinnvoll erweitern
Ist nur die Frage: Hat irgendjemand die nötigen Investitionen in der Planung? Aus Sicht des Ökolöwen könne man schon mit dem vorhandenen Bestand weiterkommen. Die S-Bahn könne zunächst das bestehende Schienennetz nutzen. Perspektivisch könne mit dem Bau der „Leuna-Kurve“ die aktuell erforderliche Wende in Großkorbetha vermieden werden, wodurch sich weitere Fahrzeit einsparen ließe. Die Investitionen würden sich in einem überschaubaren Kostenrahmen bewegen und würden eine Zeitersparnis von mehr als 20 Minuten in jedem Falle rechtfertigen.
Aktuell braucht der Bahnreisende mit dem Zug über Korbetha 68 Minuten bis Merseburg, über Halle sind es 64 Minuten, der unattraktive Bus 131 braucht 60 Minuten.
Eine S 6 mit Wende in Großkorbetha wäre in 43 Minuten in Merseburg, mit einer neu zu bauenden Gleiskurve bei Leuna wären es nur noch 38 Minuten.
Es wird einfach Zeit, über die Fehlstellen im Mitteldeutschen S-Bahn-Netz nachzudenken. Auch das Thema Grimma hängt noch in der Luft. Und der Ökolöwe deutet es nur an: Wer die (Pendler-)Verkehrsprobleme der nächsten Zukunft lösen will, der muss nicht nur das S-Bahn-Netz erweitern, sondern auch den Wagenpark deutlich vergrößern. Denn gerade bei einem solchen S-Bahn-System geht die Rechnung mit den schon vorhandenen Fahrgastzahlen nicht auf. So ein System erzeugt den Fahrgastzuwachs selbst, weil es schnell und dichter vertaktet ist. Es ist das eigentliche Zukunftsprojekt der vielbeschworenen Metropolregion, die aber lieber nur Kleinklein veranstaltet, als echte Zukunftsvisionen zu entwickeln.
In eigener Sache: Lokaler Journalismus in Leipzig sucht Unterstützer
In eigener Sache (Stand Mai 2017): 450 Freikäufer und weiter gehts
Es gibt 2 Kommentare
Aus meiner Sicht liegt am Anfang ein sofortiger Anschluss (möglichst am selben Bahnsteig) in Großkorbeta zwischen den Zügen Halle – Naumburg und Naumburg – Leipzig.
Als S-Bahn-Endpunkt halte ich Merseburg für unsinnig, aus der Nähe zu Halle müsste diese Linie immer weiter bis Halle geführt werden.
Als Zusatzinfo aus dem Statistischen Quartalsbericht in Leipzig (1/2016) die Pendlerverflechtung der besagten Städte mit Leipzig:
Insgesamt pendelten knapp 5500 Arbeiter täglich nach Leipzig.
Der Bev.Anteil bezieht sich auf den pendelnden Anteil der Ursprungskommune.