Sachsen ist ein wundersames Land. Ein Land, in dem alles immer nur wunderbar ist. Ein Land in rosa Watte, seit Jahren so hübsch verpackt, dass kaum noch einer merkt, dass diese süßliche Soße eigentlich nicht auszuhalten ist. Am 2. März gab es ja die süße Sahne direkt vom Landestourismusverband: „2016 war ein gutes Jahr für den Tourismus in Sachsen. Knapp 7,5 Millionen Gäste buchten 18,75 Millionen Übernachtungen.“
Und dann ein ganz leichter Dämpfer, den man bei der Blasmusik kaum bemerkt: „Das entspricht einem leichten Zuwachs von je 1,2 Prozent bzw. 0,1 Prozent. Damit pegelt sich die Tourismus-Bilanz auf dem hohen Niveau der Vorjahre ein.“
Und dann wandte sich der Präsident des Landestourismusverbandes Sachsen e.V. (LTV SACHSEN), Matthias Rößler, der zugleich Präsident des Sächsischen Landtages ist, ans Mikrophon und goss noch einen Schuss süße Soße drüber: „Sachsen zählt mehr und zufriedene Gäste. Dabei sind vor allem die Städte die Treiber. Hier steigen Beherbergungskapazitäten und Nachfrage deutlich.“
So lenkt man ab von einem Problem, das den Regionen ernsthaft zu schaffen macht. Denn da verschiebt sich etwas – genauso wie bei Wirtschafts- und Bevölkerungsentwicklung. Und das ist eigentlich eine höchst beunruhigende Entwicklung, die der LTV auch anmerkt: „Vor allem die Großstädte legten deutlich zu (Dresden +26 %, Leipzig +18 %, Chemnitz +10 %). In den Regionen dagegen ist die Entwicklung differenziert: Während in der Oberlausitz und in der Region Leipzig mehr Gästebetten zur Verfügung stehen, wurden es im Erzgebirge und im Sächsischen Elbland weniger. Im Ergebnis der Entwicklung stehen Sachsenurlaubern landesweit weniger Betriebe, aber mehr Gästebetten zur Verfügung.“
Die hohen Prozentzahlen beziehen sich auf den Zeitraum 2009 bis 2016, im Grunde die Zeitspanne des jüngsten Konjunkturaufschwungs.
Doch während die Großstädte ihre Hotelkapazitäten ausbauten und die Übernachtungszahlen steigerten, bekommen die eigentlichen Urlaubsregionen zusehends ein Problem. Etwas stimmt da nicht.
Möglicherweise, so die Sprecherin der Linksfraktion für Tourismus, Handwerk und Mittelstand, Luise Neuhaus-Wartenberg, wegen fehlender Abstimmung: „Es ist richtig und gut, dass der Landestourismusverband das Augenmerk auch auf die ländlichen Räume legt. Neben gezielter Förderung ist eine stärkere überregionale Zusammenarbeit nötig. Egal ob an den Außen- oder den Binnengrenzen des Freistaates, überall treffen Akteurinnen und Akteure im Tourismus auf behördliche Hindernisse. Gerade für Regionen wie die Lausitz oder das Erzgebirge liegen in der gemeinschaftlichen, überregionalen Entwicklung enorme Potentiale, die bisher nicht ausreichend genutzt werden.“
Eigentlich hätte man vom LTV auch eine Analyse des sehr durchwachsenen Jahres 2016 erwarten dürfen. Denn was über lange Zeiträume zu einer dramatischen Abwärtstendenz wird, wird im Jahreshorizont als leichter Verlust schon sichtbar.
Wieder haben die Großstädte zugelegt – vor allem Chemnitz und Leipzig bei den Ankünften um 2,4 Prozent, Dresden brachte es nur auf 0,5 Prozent. Der PEGIDA-Effekt schlug trotz allem durch. Aber wo die Großstadt Leipzig zulegte, büßten die angrenzenden Landkreise Nordsachsen (-1,2 Prozent) und Leipzig (- 5,1 Prozent) deutlich ein. Die Großstadt zog also sichtbar die Touristen an sich. Die Landkreise, die bislang von der fehlenden Hotelkapazität der Großstadt profitierten, dienen nicht mehr als Ausweichquartier. Und bekommen damit ein echtes Problem. Im Landkreis Leipzig sanken auch die Übernachtungszahlen um 5,8 Prozent – deutliches Zeichen dafür, dass das Leipziger Neuseenland als Urlaubsregion keine eigene Ausstrahlung hat.
Und damit ein heftiges Fragezeichen für die ganzen miteinander konkurrierenden Wassertourismusträume im Neuseenland.
Und das hat sehr viel mit dem zu tun, was Neuhaus-Wartenberg am Landestourismusverband kritisiert: Es fehlen die übergreifenden Konzepte. Jeder macht seins. Und eine wirkliche fachliche Analyse fehlt. Auch im Neuseenland. Denn alle „wassertouristischen Nutzungskonzepte“ haben ja keine fachliche Grundlage. Die Gutachten sind bestellt. Und sie sind erschreckend monothematisch, auf ein winziges Tourismussegment fixiert, das bestenfalls Teil eines tragenden Regionenkonzeptes ist.
Doch es gibt keins. Es gibt keine Idee, das Neuseenland wirklich zu einer warhrnehmbaren Erholungsregion zu machen. Stattdessen wird die Eventisierung immer weiter vorangetrieben. Aber mit diesen Spaßveranstaltungen lockt man keine Urlauber.
„Neben den Übernachtungszahlen, auf die sich der Tourismusverband vorrangig stützt, brauchen wir in Sachsen dringend bessere Wege, um den Tagestourismus zu würdigen und zu fördern“, fügt Neuhaus-Wartenberg noch hinzu. „Dazu muss der Effekt von Tagesbesucherinnen und -besuchern viel stärker in die Strategien des Freistaates und des Landestourismusverbandes einfließen. Denn bisher hängt der Erhalt von Fördermitteln des Landes vor allem von Übernachtungszahlen ab. Die anstehende Fortschreibung der Tourismusstrategie muss deshalb weitere Handlungsfelder aufnehmen.“
Von Tagestourismus profitieren logischerweise die großen Städte mit ihrem dichten kulturellen Angebot. Aber das bedeutet auch deutlich geringe Aufenthaltsdauer und damit sinkende Übernachtungszahlen. Dresden (- 0,8 Prozent) und Chemnitz (- 5,9 Prozent) haben das im Jahr 2016 schon zu spüren bekommen. Heftige Einbußen bei Übernachtungszahlen hatten auch die Landkreise Bautzen (- 9,2 Prozent), Zwickau und Mittelsachsen (- 3,5 Prozent). Das sind Regionen, die in der touristischen Wahrnehmung deutlich verloren haben, während die eher berühmten Regionen Görlitz (+ 3,6 Prozent Übernachtungen), Sächsische-Schweiz/Osterzgebirge (+ 3,2) und Erzgebirgskreis (3,1) weiter zugelegt haben – auch weil sie in der sächsischen Tourismusvermarktung immer wieder vorkommen.
Was fehlt, ist ein Gesamtkonzept. Und in einigen Regionen ein echtes Umdenken. Eben wie im Leipziger Neuseenland, wo sich die Bürgermeister gegenseitig regelrecht besoffen machen in der technischen Aufrüstung „ihrer“ Seen, aber dabei nicht nur die heimischen Erholungssuchenden verprellen, sondern auch Übernachtungsgäste verlieren. Ein nachhaltiges und einladendes echtes Konzept für eine Urlaubsregion fehlt. Das Wort klingt sogar falsch, wenn man an den Leipziger Südraum denkt. Und die Zahlen zeigen recht deutlich, dass man dort auf dem falschen Gleis ist.
In eigener Sache: Lokaler Journalismus in Leipzig sucht Unterstützer
https://www.l-iz.de/bildung/medien/2017/03/in-eigener-sache-wir-knacken-gemeinsam-die-250-kaufen-den-melder-frei-154108
Es gibt 3 Kommentare
Die A38 von Osten kommend Richtung Westen an Leipzig vorbei fahrend – permanent Lippendorf und DOW Chemical im Blick. Wenn es “paßt” neben den Dunstwolken von Lippendorf, das den Charme eines Atomkraftwerks versprüht, auch die schwarze Fackel von DOW im Blick. Abegrundet mit dem Blick auf die Tagebaugroßgeräte eines Schautagebaus.
Leider sieht man Pusch und sein Krytsallpalast-Varieté, die “Kreativen”, nicht mit ihrem Kriegsschiff aus dem 2. Weltkrieg oder den Wasserquads auf den See rumgurken.
Übrigens derselbe Blick auf Lippendorf die Karli entlang Richtung Süden. Quasi unverstellt.
Wer bei diesem Anblick an Urlaub, an eine Urlaubsregion denkt… Naja, über Geschmack läßt sich nicht streiten.
Doch – sehr geehrte Frau Neuhaus-Wartenberg, es gibt eins! Und das schon eine ganze Weile! Und das hat das Zeug zu einem Distinationsbildenden Cahrakter mit Weltoffenheit und Weltniveau!
*Totlach* – aber da kommt bei mir nur Schadenfreude auf. Was soll auch bei dieser Konzeptlosigkeit rauskommen. Von dere Ideenlosigkeit ganz zu schweigen. Spiießiger Klckerkram sind eben keine Ideen.