Vielleicht sollte man Unternehmen doch nicht so häufig befragen, wie das in Deutschland geschieht? So alle paar Wochen? Was ja erst dieses wilde Getrommel der Meldungen ergibt à la „Stimmung bricht ein“, „Lage trübt sich“, „Unternehmer sehen schwarz“. Nur um dann durch die nächste Meldung konterkariert zu werden: „Aufschwung im ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbe geht weiter“.
Diese Meldung stammt nun aus dem Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH). Das befragt regelmäßig die ostdeutschen Industrieunternehmen, wie die Lage ist. Was natürlich wichtig ist: So verdienen die ostdeutschen Länder wenigstens ein paar Brötchen. Da die Industrie aber stark vom Export abhängig ist, schlagen logischerweise auch alle Nachrichten zu den möglichen Absatzmärkten jedes Mal wie ein Platzregen zu. Selbst wenn nur jeder zehnte Manager erschrickt oder die Aufträge verloren gehen sieht, wirkt das bei 300 befragten Unternehmen wie ein Erdbeben.
Aber nachdem man sich um Griechenland, um Russland, um China gesorgt hat und am Ende doch alles weiterlief in gewohnter Weise, stand eigentlich der nächste Bangemach-Kandidat vor der Tür: Großbritannien, nicht nur in Sachsen einer der wichtigsten Außenhandelspartner.
Die Briten stimmten ja bekanntlich nach wilder Hatz für den „Brexit“ und die größten Narren in Brüssel hatten nichts Eiligers zu tun, als den sofortigen Austrittsantrag bekommen zu wollen. Aber selbst die ostdeutschen Unternehmer finden so viel politischen Klamauk einfach wirklichkeitsfremd. „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“ Das wissen sie nun einfach, nachdem dutzende Jammer-Kampagnen aufgeregter Journalisten vorbeigejagt sind und die Konjunktur noch immer so robust läuft wie seit 2010.
Und so meldet denn auch das IWH: „Im Verarbeitenden Gewerbe Ostdeutschlands hat sich die Erwärmung des Geschäftsklimas nach der kurzen Pause im ersten Quartal 2016 fortgesetzt. (…) Per saldo verbessert sich die Beurteilung der aktuellen Geschäftslage um fünf Punkte, nachdem sie zum Jahreswechsel 2015/2016 noch stagniert hatte. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Geschäftsaussichten.“
Das ist mit den Winter-Abfragen immer so: Da stecken viele Unternehmen noch in den Planungen und Verhandlungen. Erst mit dem Frühjahr füllen sich dann die Auftragsbücher tatsächlich. Deswegen finden ja viele Produktmessen im Frühjahr statt. Außer die AMI in Leipzig dieses Jahr nicht, weil gleich mehrere Autohersteller auf dem falschen Fuß von der Diesel-Krise erwischt wurden. Der Messe-Zeitpunkt war schon richtig – nur die Produkte hatten ein heftiges Image-Problem. Was übrigens den Käufern nichts ausmacht. Auch die sächsischen Autobauer melden weiter ordentliche Absatzzahlen. Und es ist ihnen zuzutrauen, dass sie auch den Wechsel vom Diesel- zum Elektro-Auto hinkriegen.
Dass das Frühjahr eine wesentliche Rolle spielt, goutiert auch das IWH: „Die Stimmungsaufhellung der Unternehmen dürfte der deutlich verbesserten Auftragslage geschuldet sein. Der Saldo aus positiven und negativen Einschätzungen liegt zehn Punkte über dem Wert der Vorperiode und damit auf dem höchsten Stand der vergangenen vier Jahre.“ Vorperiode heißt jetzt: Im Vergleich zur Winterumfrage 2016. Die 10 Prozent Unternehmer, die im Winter mit Bangen in die Zukunft schauten, haben im Frühjahr festgestellt: Die Sorge war für diesmal überflüssig. Vielleicht braucht man sie später wieder.
Denn irgendwie läuft der Laden. Trotz Euro-Krise. Trotz China-Krise. Trotz Russland-Krise. Trotz Brexit. Irgendwer kauft da – wieder.
Das IWH: „Auch die Produktions- und Ertragserwartungen wurden deutlich positiver gesehen als in den Quartalen zuvor. Damit verbunden ist auch die günstigere Einschätzung der gegenwärtigen Produktionslage und der Liquiditätssituation.“
Und das trifft auf die Produktion von Konsumgütern genauso zu wie auf die von Investitionsgütern oder auch die Vorleistungsgüterproduktion.
„Damit wäre die Auftragsschwäche zu Jahresbeginn überwunden“, diagnostizieren die Wirtschaftstheoretiker aus Halle. Als wenn sich solche Auftragseingänge verhielten wie das Wetter. Was sie nur bedingt tun.
Kleines Warnzeichen: „Lediglich bei den Investitionsgüterherstellern, die zuletzt am stärksten eingebüßt hatten, ist die Besserung bisher noch etwas verhalten. Bei der Bewertung der Geschäftslage und deren Aussichten gehen die Unternehmen des Investitionsgütergewerbes jedoch nach wie vor von einer weiteren Aufwärtsbewegung aus.“
Investitionsgüter sind nun einmal teure und vor allem langfristige Beschaffungen. Das braucht ein Umfeld, in dem auch die Käufer sich auf stabile Rahmenbedingungen in den nächsten Jahren verlassen können. Aber wie man sieht, haben sich einige Politiker in den Kopf gesetzt, gerade diese Rahmenbedingungen zu demolieren. Dümmer geht’s nimmer.
Insofern lebt die Bundesrepublik – und damit auch die Industrie in Ostdeutschland – von ihrem guten Ruf, vom preiswerten Euro und der Tatsache, dass man von den heftigsten Turbulenzen der Euro-Krise verschont blieb.
„Insgesamt deuten Produktionslage und -erwartungen sowie auch die Auftragslage mehrheitlich auf einen konjunkturellen Aufschwung hin“, liest das IWH aus den abgefragten Zahlen. „Lediglich beim Konsumgütergewerbe sind die Produktionserwartungen zuletzt leicht zurückgegangen, allerdings auf einem sehr hohen Niveau. Bei den Herstellern von Vorleistungsgütern ging die Bewertung bei der Auftragslage und der Produktionserwartung am kräftigsten nach oben, nachdem die Geschäftstätigkeit in den Quartalen zuvor in dieser Hauptgruppe noch ohne erkennbare Impulse verlief. Auch die Geschäftsaussichten verbesserten sich hier am stärksten.“
Und dann gibt man sich richtig optimistisch: „Alles in allem dürfte die kurze Schwächephase im ostdeutschen Verarbeitenden Gewerbe beendet sein. Die Chancen auf einen konjunkturellen Aufschwung, die sich bereits in der Unternehmensumfrage des Vorquartals angekündigt hatten, haben sich weiter verbessert …“
Aber war da nicht was? Ach ja: Der Narrentanz auf der Insel, der nun wieder alles infrage stellt: „… allerdings haben sich durch die Brexit-Entscheidung auch die Risiken erhöht.“
Aber ob das dann wieder für Entsetzen bei den Unternehmen sorgt, wird man erst in der Herbstumfrage des IWH erfahren.
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