Völlig auseinander liefen am Donnerstag, 23. Juni, im Sächsischen Landtag die Vorschläge, wie man die tief in der Krise steckende Landwirtschaft retten könnte. Nicht nur bei Milch haben ja Sachsens Bauern ein Problem mit dem wachsenden Überangebot und den gefallenen Preisen. Doch wo die Grünen nur den Umstieg in eine andere, nachhaltige Landwirtschaft als Ausweg sehen, wollen CDU und SPD das Problem weiter mit den alten Methoden lösen.

Das machte der agrarpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Andreas Heinz, deutlich, als er sagte: „Die CDU steht uneingeschränkt zur Landwirtschaft in Sachsen. Sie ist das wirtschaftliche Rückgrat des ländlichen Raums. Gegenwärtig erleben wir in der Landwirtschaft die schlimmste wirtschaftliche Krise der letzten 25 Jahre. Die Situation in vielen Betrieben ist seit Monaten äußerst prekär. – Wir nehmen die derzeitige Preiskrise mit großer Besorgnis zur Kenntnis und möchten mit allen politisch möglichen Mitteln die Landwirtschaft unterstützen.“

Und dann verkündete er tatsächlich: „Eine dauerhafte Lösung muss aber über den Markt und durch die Marktbeteiligten selbst erfolgen – mit Unterstützung der Politik. Die Landwirte sollten dazu ihre Marktposition stärken, indem sie ihre Erzeugergemeinschaften zusammenschließen! Die CDU wird sie unterstützen!“

Der Glaube an die „Selbstheilungskräfte“ des Marktes ist ungebrochen.

Und der Agrar-Experte preist tatsächlich wieder ein völlig marktfremdes Mittel an: „Wir brauchen auch einen Milchfonds, in den Handel und Molkereien einzahlen und aus dem betroffene Landwirte Geld erhalten können.“

Tatsächlich beinhaltet das Agrar-Paket der sächsischen Regierung erst einmal lauter Wünsche und ein paar Finanzerleichterungen:

  1. Bereitstellung einer Soforthilfe zur Stärkung der Liquidität der Landwirte in Höhe von mindestens 1 Milliarden Euro;
  2. Einrichtung eines „Milchfonds“, in den Handel und Molkereien einzahlen und aus dem betroffene Landwirte Geld erhalten können;
  3. Unterstützung von Branchenorganisationen, u. a. bei Marketing- und Exportmaßnahmen;
  4. Liquiditätshilfen in Form von zinsgünstigen/zinsfreien Darlehen mit Bürgschaften und Zuschüssen;
  5. Notifizierung von Bürgschaftsprogrammen zur Finanzierung von Betriebsmitteln;
  6. Verzicht auf Rückforderung von Fördermitteln des Bundes (GAK-Mittel) innerhalb der Zweckbindungsfrist bei vollständiger Stilllegung/Umnutzung geförderter Stallbauten;
  7. Verstetigung des Zuschusses an die agrarsozialen Versicherungssysteme;
  8. Gasölbeihilfe auf gleichem Niveau halten;
  9. Einführung einer steuerlich begünstigten Risikoausgleichsrücklage oder eines allgemeingültigen mehrjährigen Glättungszeitraums;
  10. Aufnahme zusätzlicher Versicherungsrisiken wie zum Beispiel Dürre als Bestandteile einer steuerermäßigten Mehrgefahrenversicherung;
  11. Einführung einer Vorruhestandsregelung für ausstiegswillige Landwirte sowie eine auf die Besonderheiten der Landwirtschaft angepasste Kurzarbeiterregelung;
  12. Anpassung des Agrarmarktstrukturgesetzes, um EU-Maßnahmen zu freiwilligen Vereinbarungen über eine Milch-Mengensteuerung auch für mehr als sechs Monate in Deutschland umsetzen zu können.

Zeit für eine neue Landwirtschaft?

Tatsächlich aber steckt hinter dieser kleinteiligen Klempnerarbeit wieder der Versuch, möglichst nichts zu ändern an den industriellen Strukturen der sächsischen Landwirtschaft. Dass die Abnehmerpreise so im Keller sind, hat genau damit zu tun. Aber je größer die Wirtschaftseinheiten sind, umso unbeweglicher sind sie, wenn es um die Anpassung an veränderte Marktbedingungen geht. Im sächsischen Bauernverband haben sie eh die Mehrheit und nutzen diese Macht auch, um in der Regierung um die Bewahrung des Bestehenden zu kämpfen.

Da der Freistaat selbst keine eigene Strategie hat, läuft das natürlich immer auf puren Bestandserhalt hinaus. Und auf die nächste Absatzkrise. Denn wenn sich die Produktionsbedingungen nicht ändern, geht der Preisverfall natürlich weiter.

Woran dann Wolfram Günther, agrarpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, erinnerte: „Die Landwirtschaft befindet sich in einer tiefen Strukturkrise. Die aktuelle Preiskrise bei der Milch ist nur eines der Symptome. Derartige Preiskrisen gibt es seit einigen Jahren immer öfter und in immer gravierenderem Ausmaß. Die gerade auch von den Bauernverbänden mit vertretene Politik einer konsequenten Industrialisierung der Landwirtschaft führt zur Konzentration der Betriebe. Kleinere Landwirtschaftsbetriebe müssen immer größeren und, rein betriebswirtschaftlich betrachtet, effizienteren Unternehmen weichen. Das führt zu Massen- und Überproduktion, Preisverfall, Marktbereinigung und letztlich Tendenzen zur Herausbildung von Oligopolen und Monopolen. Im weltweiten Wettbewerb haben dabei die größten Unternehmen, die sich am stärksten allein auf kurzfristige Gewinnmaximierung konzentrieren, die größten Erfolgsaussichten − mit langfristig gravierenden negativen Folgen für die Volkswirtschaft insgesamt.“

Und das hat natürlich auch damit zu tun, dass Sachsen eigentlich ein tragfähiges Konzept zum Umbau der Landwirtschaft braucht. Solange die alten Strukturen erhalten bleiben, schlägt jede Preis-Krise auch direkt auf die Bauern durch. Aber die Zukunft kann nun einmal nicht „billig“ heißen, sondern nur „nachhaltig“.

Oder mit den Worten von Wolfram Günther: „Wir kommen um einen grundsätzlichen Richtungswechsel in der Landwirtschaft nicht herum, wenn wir wollen, dass in Deutschland Landwirtschaft weiter von Familienbetrieben und mittelständischen Landwirtschaftsunternehmen betrieben wird und diese Betriebe im Gemeinwohlinteresse so wirtschaften, dass der Erhalt unserer Kulturlandschaft genauso gewährleistet ist wie die langfristige Bodennutzbarkeit, Belange des Tierwohls und der Schutz der Umwelt einschließlich dem Erhalt der Artenvielfalt und der Qualität unseres Trinkwassers.“

Das Problem sei nun einmal die Orientierung auf Massenproduktion für den Weltmarkt. „Noch dazu von weitgehend unverarbeiteten Ausgangsprodukten“, so Günther. Damit verdient man kein großes Geld, wird aber zum Dumping-Anbieter auf Märkten, wo man mit der Landwirtschaft richtig armer Länder in Konkurrenz tritt.

„Die Konkurrenz um die billigste Milch oder die billigste Schweinehälfte verlieren wir. Wir müssen hin zu einer Orientierung auf Qualität und Regionalität. Mit Qualität lassen sich entsprechende Preise nicht nur im Export, sondern vor allem in der regionalen Vermarktung rechtfertigen. Vorbildfunktion hat hier die Ökologische Landwirtschaft, die das alles gewährleistet und als eine der ganz wenigen Sparten der Landwirtschaft kaum von der derzeitigen Preiskrise betroffen ist“, sagt Günther. „Es ist grundfalsch, in das bestehende und nicht nachhaltige System Landwirtschaft noch mehr Geld zu geben. Damit können die laufenden Marktbereinigungsprozesse bestenfalls kurzfristig verzögert werden. Dieses Geld ist nicht nur sinnlos verloren, es schadet sogar regelrecht, da es den überfälligen Richtungswechsel verzögert und noch mehr Betriebe auf der Strecke bleiben. Es muss unverzüglich in eine Stärkung der Ökologischen Landwirtschaft und in noch viel stärkerem Maße in eine Ökologisierung der konventionellen Landwirtschaft investiert werden. Hier muss der Ausstieg aus der Massenproduktion und stattdessen der Aus- und Aufbau der Weiterverarbeitung und Veredlung in der Region, starker regionaler Vertriebswege sowie der Direktvermarktung erfolgen. Der Anteil vom Endverkaufspreis, den der Landwirt erhält, muss erheblich steigen. Kurzfristig und vorübergehend gehört dazu auch eine finanzielle Unterstützung für die Landwirte, die freiwillig weniger produzieren, sowie die Stärkung von Herstellern, indem ihnen Zusammenschlüsse sowie Mengenabsprachen und Preisabsprachen erlaubt werden.“

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“[..]Kleinere Landwirtschaftsbetriebe müssen immer größeren und, rein betriebswirtschaftlich betrachtet, effizienteren Unternehmen weichen.[..]” Na wer hätte das gedacht? Willkommen in der Marktwirtschaft. Anstatt des üblichen aufgedunsenen Politiker-Blahblahs, was da oben steht, sollte man mal darüber nachdenken, wie man die Mehrheit der Bevölkerung dazu bringt, Milch/Käse/Eier erzeugernah und nicht beim Dumping-Discounter zu kaufen.

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