Ob der Rückzug von zwei potentiellen Käufern der Lausitzer Braunkohlesparte des Energiekonzerns Vattenfall tatsächlich nur ein Erfolg der Kampagne „Wir sind das Investitionsrisiko“ des Aktionsbündnisses „Ende Gelände“ ist, darf bezweifelt werden. Denn rechnen können auch die Bieter. Es hat ein ganz anderes Gewicht, wenn sie sagen: Kohle rechnet sich nicht mehr. Aber dringt das auch in Dresden und Potsdam durch?

Am Mittwoch, 16. März, wurde bekannt, dass von vier potenziellen Bietern nur zwei tatsächlich ein Angebot abgegeben haben. Nur der tschechische Versorger EPH und der zu Czech Coal gehörende tschechische Braunkohleförderer Vrsanska Uhelna legten verbindliche Offerten vor, meldete am Mittwoch unter anderem N-TV. EPH ist die Muttergesellschaft der Mitteldeutschen Braunkohlengesellschaft (Mibrag). Abgesprungen ist der tschechische Versorger CEZ. Und die Steag, ein von sieben NRW-Stadtwerken gebildetes Konsortium, hatte gemeinsam mit seinem Partner Macquarie ein Stiftungsmodell vorgeschlagen, das vor allem auch die Braunkohlefolgen absichern sollte. Möglicherweise ein Modell auch für die rheinische Braunkohle. Aber das Modell kam auch bei den Landesregierungen in Sachsen und Brandenburg nicht gut an. Und die Steag-Kommunen waren auch nicht allzu glücklich über das ostdeutsche Engagement und das damit verbundene Risiko.

Wie hoch die Gebote von EPH und Vrsanska Uhelna sind, wurde natürlich noch nicht bekannt. Aber auch die Tschechen dürften weit unter den einst von Vattenfall erwarteten 2 Milliarden Euro bleiben. Der Steag-Vorschlag war gleich in die Richtung gegangen, von Vattenfall sogar einen Milliarden-Betrag zu bekommen, um die Risikovorsorge abzusichern.

Denn Gewinne lassen sich derzeit mit Kohle nicht mehr erwirtschaften. Nach Vattenfall hat nun auch die Mibrag erstmals ein Minus erwirtschaftet. Die Strommärkte sind mittlerweile so vollgepumpt mit Energie, dass der Börsenstrompreis, über den man früher noch Gewinne erwirtschaftete, regelrecht im Keller ist.

Dass gleich drei tschechische Konzerne überhaupt Interesse signalisiert hatten, liegt an den Abbaurechten von Vattenfall in der Lausitz. Sie könnten damit die Versorgungsengpässe ausgleichen, die durch den Tagebaugenehmigungsstopp in Böhmen entstanden sind.

Die große Frage, ob die Kohlekraftwerke in der Lausitz nach einem Verkauf überhaupt noch am Netz bleiben, ist völlig ungelöst. Da helfen auch alle Appelle und Bekundungen der zuständigen Wirtschaftsminister nichts. Die deutschen Energiekonzerne haben den selbst organisierten Ausstieg aus der Kohleverstromung schlicht verschlafen – haben lieber um eine Kraftwerksreserve gepokert, um sich das Abschalten der Meiler auch noch vom Stromkunden bezahlen zu lassen. Aber indem sie alle ihre Meiler am Laufen halten, sorgen sie gleichzeitig dafür, dass die Strompreise im Keller bleiben.

Das Bündnis Ende Gelände fordert nun natürlich erst recht, aus der Kohle auszusteigen und in der Lausitz einen sozial-ökologischen Umbau einzuleiten.

Und dazu braucht es nicht einmal eine Stiftung (auch wenn mittlerweile auch die Bergbaugewerkschaft IG BCE den Stiftungs-Vorschlag attraktiv findet), sondern schlicht einen Konzern, der den Ausstieg nicht über einen völlig unberechenbaren Verkauf bewerkstelligt, sondern in Eigenregie umsetzt.

Der Energiekonzern Vattenfall dürfe das Geschäft nicht abstoßen, sondern müsse Verantwortung für den Rückbau des Braunkohlegeschäfts, für „Renaturierung“ und für seine Angestellten übernehmen, fordert das Aktionsbündnis deshalb.

Das hätte mehrere Folgen: Erstens könnte so der Ausstieg aus der Kohle planbar und auch für Belegschaft und Kommunen berechenbar gestaltet werden. Den 8.000 Beschäftigten würde nicht das kalte Aus drohen, sondern man könnte die Belegschaft sozial gerecht abbauen und gleichzeitig den Kurs verfolgen, den Vattenfall in der Lausitz eigentlich schon begonnen hat: den Aufbau einer alternativen Energieerzeugung. Was auch das komplette Energie-Aus in der Lausitz verhindern würde.

Dass sich die Steag schon Ende der letzten Woche zurückgezogen hat, hat neben der massiven Skepsis der Kommunen in NRW natürlich auch mit den Protesten der Umweltschützer zu tun.

Am Mittwoch gab nun der tschechische Energiekonzern CEZ bekannt, dass er kein verbindliches Angebot für den Kauf der Braunkohlesparte vorlegt. Der Konzern sei zwar weiter an Vattenfalls Geschäft interessiert, aber nur unter sicheren politischen Rahmenbedingungen für Kohlekraft bis 2040.

Das ist zwar das, was auch die Ministerpräsidenten in Sachsen und Brandenburg immer wieder fordern – aber das ist schlicht nicht bezahlbar. Es sei denn, die deutschen Stromkunden bezahlen schlicht für den Weiterbetrieb der defizitären Meiler.

„Das Zeitalter des Kohlestroms ist vorbei“, sagt Hannah Eichberger von Ende Gelände. „Und dank einer aktiven Klimabewegung wird es keine sichere Perspektive für neue Investoren geben. Vattenfall darf sich jetzt nicht aus der Affäre stehlen. Nachdem der Konzern jahrelang Profite auf Kosten von Mensch und Umwelt gemacht hat, muss er jetzt volle Verantwortung für seine Angestellten übernehmen und für ökologische und soziale Folgekosten in der Region aufkommen.“

Der Kauf der Braunkohlesparte wäre für neue Investoren nur rentabel, wenn daran weitreichende Garantien für den Weiterbetrieb der Kraftwerke geknüpft wären. Das würde Abbau und Verstromung der klimaschädlichen Braunkohle jedoch auf Jahrzehnte hin festschreiben.

„Es ist schizophren: in Paris profiliert sich die deutsche Regierung als Klimaretter, während in der Lausitz und im Rheinland der Braunkohleabbau bis Mitte des Jahrhunderts weiter laufen soll“, kommentiert Eichberger. „Was die Umsetzung des 1,5 Grad-Ziels angeht, braucht die Politik offensichtlich Nachhilfe von der Klimabewegung. Wir müssen jetzt aus dem Hochrisikogeschäft mit der Kohle aussteigen. Denn mit jeder Tonne Kohle, die wir weiter aus dem Boden holen, sinkt die Wahrscheinlichkeit, dass wir die Erderwärmung begrenzen können. Jede Tonne Kohle, die verstromt wird, ist eine Tonne zuviel.“

Aufgrund der Dringlichkeit der Klimakrise ruft Ende Gelände vom 13. bis 16. Mai zu Aktionen im Lausitzer Braunkohlerevier auf. Bei einer ähnlichen Aktion im letzten August hatten über 1.000 Menschen den Betrieb im Tagebau Garzweiler für einen Tag lahmgelegt.

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