Ein wenig von seinen Ängsten in Bezug auf den Bergbau in Sachsen ließ Sachsens Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) am 11. Juni in der Fragestunde des Landtages gucken. Der Grünen-Abgeordnete Dr. Gerd Lippold, der auch energiepolitischer Sprecher seiner Fraktion ist, hatte ihn zu den Rückstellungen für die Tagebausanierung gefragt. Ein ganz heißes Eisen. Konzerne und Bergbaugewerkschaft reden zwar zumeist von den bedrohten Arbeitsplätzen in der Region.
Oder sie werfen das Argument Versorgungssicherheit in die Waagschale. Aber den sächsischen Wirtschaftsminister treibt noch eine ganz andere Frage um: Wer bezahlt eigentlich künftig die Renaturierung der Tagebaurestlöcher? Ein Kostenblock, der fast nie benannt wird, wenn über den Kohlebergbau in Sachsen debattiert wird. Denn bislang war das eine gewaltige Subvention, die vor allem aus Steuergeldern des Bundes und des Landes bezahlt wurde.
Am Donnerstag, 18. Juni, haben nun Wirtschaftsminister Martin Dulig und der Vorsitzende der Geschäftsführung der Lausitzer und Mitteldeutsche Bergbau-Verwaltungsgesellschaft (LMBV), Klaus Zschiedrich die „Rahmenvereinbarung Zwischennutzung Seen in Sachsen“ unterzeichnet. “Mit dem Rahmenvertrag zur Nutzung der Tagebaurestseen werden die Bedingungen für eine touristische Nutzung der Tagebaurestseen vor deren endgültiger Fertigstellung weiter vereinfacht”, beschreibt die LMBV das, was da drin steht. Das betrifft übrigens auch die Seen im Leipziger Neuseenland, die allesamt noch nicht offiziell fertiggestellt sind. Deswegen gehören sie quasi noch immer der LMBV.
“Ich teile die Freude über die Rekultivierung der ehemaligen DDR-Tagebaue in Sachsen und die touristische Nutzung der entstandenen Seen. Doch der Blick in den Rückspiegel genügt nicht: Über viele Jahre werden weitere Milliardensummen in die Fortführung der Sanierung fließen müssen”, kommentiert Dr. Gerd Lippold die schöne Unterschrift. Und erinnert daran, wie teuer die Rekultivierung der Tagebaue in den vergangenen 25 Jahren schon war. “Seit 1990 sind bereits etwa 10 Milliarden Euro zur Rekultivierung und Renaturierung der DDR-Bergbaufolgelandschaften eingesetzt worden. Der Freistaat hat davon etwa 800 Millionen Euro getragen und zusätzlich Millionenbeträge in die Verbesserung der Folgenutzungsstandards investiert. Der heute erreichte Stand ist deshalb vor allem ein Beleg dafür, dass mit sehr viel Geld und sehr viel Zeit auch große Aufgaben in der Bergbaufolgesanierung angegangen werden können.”
In einer Image-Broschüre der LMBV wurde 2014 erläutert, woher dieses Geld kam: “Die Sanierungsaufgaben werden vorwiegend aus Mitteln von Bund und Ländern finanziert. Bis Ende des Jahres 2012 wurden insgesamt rund 9,4 Milliarden Euro für die Grundsanierung auf der Grundlage des Bund-Länder-‘Verwaltungsabkommens über die Finanzierung ökologischer Altlasten’ eingesetzt. Für den Zeitraum 2013 bis 2017 (VA V) stehen insgesamt noch einmal rund 1,23 Milliarden Euro zur Finanzierung der Projekte der Braunkohlesanierung zur Verfügung.”
Aber Lippold wollte schon gern wissen, wie die Sanierung der jetzt noch aktiven Tagebaue abgesichert ist. Denn es war ja nie geplant, dass der Steuerzahler auch für die Kosten aufkommt, die die Bergbauunternehmen innerhalb der Marktwirtschaft in der Landschaft verursachen. Das ist geregelt wie bei den Kernkraftwerken: Um nach Ende des Betriebs die Belastungen zu beseitigen, müssen die Betreiber Rücklagen bilden. Und zwar in ausreichender Höhe. Das haben sie aber nicht getan.
“Doch die Sanierung der heutigen Tagebaue ist völlig offen. Ich habe dazu Wirtschaftsminister Dulig in der letzten Landtagssitzung am 11. Juni befragt. Die Antwort des Ministers lässt aufhorchen: die gesamte Verantwortung für die Bergbaufolgen und die Renaturierung sieht der Minister bei den Bergbautreibenden. Der Freistaat sieht dafür keine eigenen Rücklagen vor”, stellt Lippold nun fest.
Die 10 Milliarden Euro waren nur zur Beseitigung der Schäden aus dem DDR-Bergbau gedacht. Für alle Bergbauaktivitäten in den Folgejahren ging der Gesetzgeber davon aus, dass die Bergbauunternehmen selbst Vorsorge treffen. Aber nach einem Blick in den Bundesanzeiger konnte Gerd Lippold nur feststellen, dass die dort nachlesbaren Rückstellungen deutlich niedriger sind als der zu erwartende Bedarf.
“Die Rückstellungen für bergbaubedingte Folgekosten in den Bilanzen der heutigen Bergbauunternehmen sehen jedoch wie folgt aus: die MIBRAG wies dafür für das gesamte mitteldeutsche Revier im Jahr 2013 rund 120 Millionen Euro aus, dazu noch rund 60 Millionen Euro für das Helmstedter Revier (Sachsen-Anhalt). Vattenfall Mining hatte für die Bergbaufolgekosten in der gesamten Lausitz (also mit Brandenburg) bis zum Jahr 2013 rund 998 Millionen Euro Rückstellungen gebildet”, stellt Lippold fest. “Die Gelder, die künftig für die Rekultivierung der heute aktiven Tagebaue zur Verfügung stehen, werden also deutlich geringer sein als bisher. Damit lassen sich keine vernünftigen Nutzungsstandards für die ehemaligen Tagebaurestlöcher erreichen.”
Als er am 11. Juni in der Fragestunde des Landtags den Wirtschaftsminister mit den Zahlen konfrontierte, zeigte der sich schon ein wenig irritiert, bestätigte aber, dass die Bergbauunternehmen verpflichtet sind, die Folgekosten zu tragen. “Das ist ihre Hauptverantwortung”, sagte Martin Dulig. “Wenn Sie sich die Verträge, die jetzt zwar nur im Detail einsehbar sind, in denen Sie aber zumindest nachlesen können, was durch das Gesetz vorgeschrieben ist, ansehen, dann sehen Sie, dass die Summen, die an Rückstellungen für die Renaturierungen notwendig sind, bei den Energieunternehmen deutlich höher sind und im Milliardenbereich liegen, als das, was Sie jetzt gesagt haben.”
Heißt im Klartext: Die beiden großen Bergbauunternehmen haben nicht genug Rückstellungen gebildet und Dulig hofft innigst darauf, dass sie das durch den Weiterbetrieb der Tagebaue noch irgendwie hinbekommen. Deswegen habe er auch so großes Interesse daran, “bei dem Verkaufsprozess von Vattenfall sächsische Interessen zu wahren”.
Was dann aus der Perspektive der sächsischen Regierung auch heißt, dass man die Tagebaue und Kohlekraftwerke noch auf Jahrzehnte in Betrieb sehen will, hoffend, das Geschäft werfe auch genug Rendite ab, um Rückstellungen zu bilden. Aber um die Kohlekraftwerke wird ja nicht nur wegen des hohen Kohlendioxidausstoßes diskutiert. Sie stehen auch deshalb zur Disposition, weil ein Teil der Kohlemeiler längst an der Grenze zur Rentabilität arbeitet. Auch deshalb will Vattenfall ja seine Kraftwerke und Tagebaue in der Lausitz verkaufen. Wobei gar nicht klar ist, ob die Kraftwerke dann noch weiter in Betrieb bleiben.
Es kann also ziemlich schnell gehen, dass in sächsischen Meilern das Feuer ausgeht, deutlich vor dem Zeitpunkt, an dem vielleicht mal die nötigen Milliarden für die Renaturierung angesammelt sind. Für Gerd Lippold durchaus die Frage, ob dann noch ein Vertrag die nötigen Gelder sichert. “Oder die Bürgerinnen und Bürger bekommen in Zukunft durch den Einsatz von Steuermitteln die saftige Rechnung dafür präsentiert, dass heute bei der Nutzung der Braunkohle keine Kostenehrlichkeit besteht.”
Antwort von Wirtschaftsminister Martin Dulig auf die Anfrage des Abgeordneten Dr. Gerd Lippold.
Bilanzen Vattenfall Mining 2013. Seite 7 unten und Seite 16: 998,2 Mio. Euro in 2013.
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Und wieder wird von unseren ach so marktwirtschaftlichen Großkonzernen das beliebte Spiel: “Gewinne zu uns, Kosten für die blöde Bevölkerung” gespielt!
Unsere Politiker sehen dem Tatenlos zu. Im Gegenteil mit dem Totschlagsargument Arbeitsplätze werden Milliarden, die für die Schaffung der neuen Arbeitsplätze nötig wären sinnlos später für die Bergbaufolgeschäden dann verbraten.
Ich wette um mein Leben, dass welche Firma auch immer zuletzt den Bergbau betreibt, diesen am Ende in eine GmbH oder ähnliches ausgliedert und in die Insolvenz schickt.
Aber bis dorthin sind die großkotzigen Politikersprüche verhallt.
Die ahnungslose Politelite die das Schlamassel verursacht hat, ist dann natürlich mit Bundesverdienstkreuzen und sächsischen Verdienstmedaillien versehen als Dank für das “treue Dienen und die Aufopferung für das Volk” im ” wohlverdientem Ruhestand” oder mit verordneter Staatstrauer in die Grube verbracht worden.