Die FDP war sichtlich sauer, als Sachsens Verkehrsminister Martin Dulig (SPD) verkündete, dass die im Landesinvestitionsplan für die Elektrifizierung der Strecke Leipzig – Chemnitz eingestellten 67 Millionen Euro gestrichen wurden. Wie konnte er nur?! Hatte sein Amtsvorgänger das Projekt nicht erst im Sommer mit der Bahn endlich aufs Gleis gesetzt? Hatte die LVZ nicht schon den baldigen Bau der "ICE-Strecke Leipzig-Chemnitz" gefeiert?

Das Wort ICE-Strecke hat dann auch die Linksfraktion in einer Anfrage an die sächsische Staatsregierung aufgegriffen, obwohl dieser Abschnitt keine ICE-Strecke werden wird. Aber auch die Grünen hatten angefragt. Beide Fraktionen haben jetzt ausführlich Antwort von Verkehrsminister Martin Dulig bekommen. Der ist zumindest dieses Thema seiner Amtsgeschäfte schon mal ganz ruhig und nüchtern angegangen. Und fest steht eigentlich, dass auch sein Amtsvorgänger Sven Morlok (FDP) die 67 Millionen nicht hätte ausgeben können. Wenn er noch im Amt wäre.

Wer weiß, worüber er mit Bahnchef Rüdiger Grube tatsächlich gesprochen hat. Selbst die damaligen Verlautbarungen seines Ministeriums ließen keinen Zweifel daran, dass sich die Deutsche Bahn zwar freute, dass Sachsen die Vorplanungen für 10 Millionen Euro übernommen hat. Damit wissen jetzt schon einmal alle, dass die Elektrifizierung und der streckenweise Bau eines zweiten Gleises insgesamt 250 Millionen Euro kosten werden. Grube muss Morlok damals aber auch schon gesagt haben, dass die Bahn das Projekt aus eigener Kraft nicht bezahlen kann, dass es ohne die Zustimmung des Bundes und ohne Einordnung in den Bundesverkehrswegeplan nicht geht.

Morlok hat die Strecke denn auch für den Bundesverkehrswegeplan 2014 angemeldet, über dessen Projekte die Entscheidungen bis 2016 zu erwarten sind. Nicht zu erwarten ist freilich, dass die Elektrifizierung der Strecke überhaupt vor 2018 in Angriff genommen wird. Noch wahrscheinlicher ist ein Termin irgendwann nach 2020. Denn tatsächlich stauen sich im Bundesverkehrswegeplan auch die Schienenprojekte: Allein 56 sind schon als vordringlicher Bedarf definiert – 29 davon sind neue Vorhaben. Weitere elf Projekte gelten als weiterer Bedarf.

Da ist die Strecke Leipzig-Chemnitz noch gar nicht dabei.

Sie ist als im Bundesverkehrswegeplan neu zu untersuchendes Vorhaben gelistet. Dadurch, dass es schon eine Vorplanung gibt, sind natürlich die Chancen gestiegen, im Entscheidungsprozess zu den vordringlichen Bedarfsstrecken aufzusteigen. Als Nr. 12 (von 400 angemeldeten Projekten, die die Vorauswahl überstanden haben) steht es in der Liste. Und es steht dort auch nichts von ICE-Strecke. Wer diese Titulierung wählt, hat wirklich vor, die Öffentlichkeit falsch zu informieren.

Natürlich können hier auch ICE-Züge fahren, wenn es denn mal sein muss – aber nur mit maximal 160 km/h. “2-gleisiger Ausbau und Elektrifizierung Borna–Geithain–Chemnitz, Vmax 160 km/h” steht da. Ein Ausbau auf ICE-Komfort würde die Kosten für diesen Streckenabschnitt wahrscheinlich sogar vervierfachen.

Martin Dulig hat Klaus Bartl und Susanne Schaper, die für die Linksfraktion nachgefragt hatten, auch erklärt, woher diese 67 Millionen Euro stammen, die sein Amtsvorgänger so generös für die Strecke Leipzig-Chemnitz umgewidmet hat: Es sind Regionalisierungsmittel. Es sind also Gelder, die der Bund dem Freistaat zur Verfügung stellt, damit er den Schienennahverkehr damit finanziert. Es sind also Gelder, die vor allem den Zweckverbänden entzogen werden, die für den regionalen Schienenverkehr zuständig sind.

Also nichts da mit der sinnfreien Schlagzeile der Chemnitzer Morgenpost “Minister bremst ICE aus!”

Bis 2018 wird an dieser Strecke nichts gebaut. Und für ICEs ist sie nicht gedacht.

Auch Martin Dulig muss warten, bis der Bund das Projekt in den Bundesverkehrswegeplan aufnimmt. Und der Grünen-Abgeordneten Eva Jähnigen hat er auf ihre Nachfrage auch noch erklärt, wie lange es dann tatsächlich noch braucht, bis die Strecke angepackt wird. Vom Beginn der Entwurfsplanung bis zur Inbetriebnahme werden noch einmal acht Jahre vergehen. Und da sind die finanziellen Einordnungen durch den Bund noch gar nicht berücksichtigt. Bis zur Gesamtfertigstellung werden insgesamt elf Jahre vergehen.

Das kann sich dann jeder selbst ausrechnen: Falls der Bund das Projekt 2016 mit unter die vordringlichen Projekte aufnimmt, werden die ersten elektrischen Züge hier frühestens im Jahr 2024 rollen.

Eine einfache Elektrifizierung wird es nicht. Das hatten ja auch schon die Trassenuntersuchungen in der Amtszeit von Sven Morlok gezeigt. Zwischen Leipzig-Paunsdorf und Leipzig-Engelsdorf muss die Strecke auf 8 Kilometer Länge erst einmal zweigleisig ausgebaut werden. Bei Lauterbach-Steinbach muss die Strecke auch verlegt werden, aber auch etliche Bahnübergänge und Ingenieurbauten müssen erneuert werden. Und auch die Vorplanung deckt nicht alles ab, stellt Dulig fest: Es fehlen noch die Abwägungen zu Umwelt- und Denkmalschutz und zur raumordnerischen Einordnung.

Und warum wartet er jetzt auf die Entscheidung zum Bundesverkehrswegeplan? War da sein Vorgänger nicht flotter?

Auch Sven Morlok hätte warten müssen. Denn seit dem 11. September 2014 liegt augenscheinlich ein eindeutiges Schreiben der Deutschen Bahn AG vor, dass auch die Bahn noch keine Entscheidung zur Wirtschaftlichkeit der Strecke getroffen habe – man werde auf eine Projektbewertung des Bundesverkehrsministeriums und eine Einordnung in den Bundesverkehrswegeplan warten. Vorher passiere auf Bahn-Seite gar nichts. Martin Dulig: “Auf Basis dieser konzerneigenen Entscheidung wird von der Bahn die Mitzeichnung einer Finanzierungsvereinbarung abgelehnt.”

Die Gespräche von Sven Morlok mit Rüdiger Grube waren also eine ganz große Tüte Wahlkampf. Sie haben aber an den grundlegenden Finanzierungsproblemen für die 250 Millionen Euro teure Strecke nichts geändert.

Und Martin Dulig kann – wenn er es noch nicht getan hat – die “eingesparten” 67 Millionen Euro dahin packen, wo sie hingehören: in die Finanzierung des Nahverkehrs in Sachsen.

Auf einem Feld aber könnte es vielleicht ein bisschen Bewegung geben, teilt Dulig mit. Das ist der von den Grünen geforderte Sachsentakt, also einem integrierten Taktfahrplan, der die Umsteigebeziehungen im sächsischen Regionalverkehr deutlich verbessert und vereinfacht. Darum, so Dulig, werde sich jetzt eine Strategiekommission für den sächsischen ÖPNV/SPNV kümmern.

Die Die Antwort an die Linksfraktion als pdf zum Download.

Die Die Antwort an die Grünen als pdf zum Download.

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