In der Lutherstadt Wittenberg trafen sich am Mittwoch, 29. Oktober, über hundert führende Vertreter der Kommunal- und Landespolitik sowie der Kommunal- und Energiewirtschaft zur Jahresveranstaltung 2014 des "Verbundnetz für kommunale Energie" (VfkE). Und was der Energieriese Vattenfall in seiner Bilanz merkt, das macht auch Kommunalunternehmen zu schaffen: Die politischen Rahmenbedingungen der Energiewende verhageln die Ergebnisse.

Unter den Teilnehmern waren unter anderem der Minister für Wissenschaft und Wirtschaft des Landes Sachsen-Anhalt, Hartmut Möllring und der Oberbürgermeister der Stadt Lutherstadt Wittenberg, Eckhard Naumann. Von Seiten der Energiewirtschaft waren unter anderem der Geschäftsführer der Stadtwerke Lutherstadt Wittenberg, Hans-Joachim Herrmann sowie der Vorstandsvorsitzende der VNG – Verbundnetz Gas AG, Dr. Karsten Heuchert, anwesend.

Im Mittelpunkt des diesjährigen Treffens stand die Studie “Energiewende kommunal. Wegbereiter und Stolpersteine”. Die Studie wurde durch das VfkE unter Mitwirkung der Landesgruppen Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen des Verbandes Kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) erstellt. Sie untersucht zum ersten Mal die Umsetzung der Energiewende aus der kommunalen Perspektive mit dem speziellen Fokus auf Ostdeutschland. Dazu wurden ca. 80 Geschäftsführer kommunaler Energieunternehmen nach den Auswirkungen der Energiewende befragt.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie, die sich schwerpunktmäßig auf die Bundesländer Thüringen, Brandenburg und Sachsen-Anhalt fokussierte:

Die Energiewende ist und bleibt für die kommunalen Versorger ein zentrales Anliegen. Sie wird aber zunehmend mit erheblichen Risiken in Verbindung gebracht. So zeigt ein Ergebnis der Studie, dass die derzeitigen politischen Rahmenbedingungen zu Ertragseinbußen in weiten Teilen der kommunalen Energiewirtschaft führen. Dreiviertel der Befragten befürchten steigende Kosten bei Beschaffung, Personal und Regulierungsanforderungen. Fast 94 Prozent der Befragten meinen, dass wegen der Risiken in der Zukunft weniger Gewinne an die Kommunen abgeführt werden könnten.

Damit kommen erhebliche Belastungen auf die schon jetzt mangelhaft ausgestatteten kommunalen Haushalte zu, für die es absehbar keine Möglichkeiten der Kompensation gibt. In der Folge kann auch der steuerliche Querverbund nicht mehr vollständig gewährleistet werden, in dem knapp die Hälfte der befragten Unternehmen integriert ist. Über ihn werden die Verluste von kommunalen Unternehmen, in erster Linie von Verkehrsbetrieben und Bädern, ausgeglichen.
Wirtschaftliche Chancen sehen ein Großteil der Versorger bei der Energiewende allenfalls in den Bereichen Contracting und Kraft-Wärme-Kopplung (KWK). Insgesamt werden die wirtschaftlichen Perspektiven der Energiewende jedoch eher ernüchternd bewertet: Annähernd 90 Prozent der Befragten geben an, dass die Investitionskosten in die Umsetzung der Energiewende nur teilweise durch neue Geschäftschancen kompensiert werden können, zehn Prozent meinen sogar, dass sie die Ertragseinbußen damit gar nicht ausgleichen werden.

Trotz der kritischen Bestandsaufnahme sind die Versorger im Osten dennoch Befürworter der Energiewende. Allerdings, auch das macht die Studie deutlich, sehen sich zwei Drittel der Stadtwerke nicht als Impulsgeber und Motor der Energiewende. Diese Funktion liege nach wie vor bei den großen Branchenvertretern. Auch hinsichtlich der energiepolitischen Rahmenbedingungen verteilen die ostdeutschen Stadtwerkechefs überwiegend schlechte Noten. So erhält die Bundespolitik sowohl für die jüngere energiepolitische Vergangenheit als auch für die Zukunft negative Bewertungen. Besserung scheint kaum in Sicht: Auch die Erwartungen für die zukünftige Umsetzung der Energiewende werden kritisch bewertet. An ein stimmiges Energie-Konzept für die Zukunft mit Planungs- und Kostensicherheit glaubt kaum ein kommunaler Versorger, so ein Fazit der Studie.

Kein einziger Stadtwerkemanager gab den aktuellen Novellierungen des EEG-Gesetzes gute Noten, rund 60 Prozent finden sie nur befriedigend, rund 40 Prozent mangelhaft. Deutlich machten die Manager, dass sie in der Energiebranche Planungssicherheit für mindestens 20 Jahre brauchen, sonst amortisieren sich die Investitionen nicht. 97 Prozent der Befragten erklärten freilich auch, dass sie von der Regierung kein stimmiges Konzept erwarten, das das gewährleistet.

Das Problem, das sie sehen, hat mit der Unfähigkeit der Regierungspolitik zu tun, mit den Trägern der Energiebasis ins Gespräch zu kommen und dass die Kommunen stärker in die Gesetzausarbeitung einzubinden.

Ein Positionspapier stellt klare Forderungen an die Bundes- und Landesebene

Vor dem Hintergrund der Studienergebnisse präsentierten das VfkE und die VKU-Landesgruppen Berlin-Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen zum Abschluss der Veranstaltung ein gemeinsames Positionspapier mit klaren Forderungen an die Bundes- und Landesebene. Darin setzen sich die Initiatoren für ein koordiniertes, schnelles und konsequentes Handeln der Politik sowie für eine grundlegende Reform der energiewirtschaftlichen Rahmenparameter ein.

Und es ist keine Überraschung, dass die Kommunalunternehmen etwas einfordern, was in den letzten neun Jahren völlig verloren gegangen ist: dauerhaft stabile Rahmenbedingungen für ihre Planungen.

Gefordert wird unter anderem ein stabiler Gesetzesrahmen, um wieder Verlässlichkeit für die Branche zu schaffen und wichtige, derzeit ausbleibende Investitionen sowie angemessene Finanzierungsbedingungen zu gewährleisten.

Weitere zentrale Inhalte des Positionspapieres an die Bundespolitik sind die Förderung der Kraft-Wärme-Kopplung sowie eine grundlegende Überarbeitung des Energiemarktes. Von der ostdeutschen Landespolitik erhofft man sich vor allem die Förderung und Erleichterung der interkommunalen Kooperation sowie eine zukunftsfähige Lösung hinsichtlich der Netzentgelte. Diese liegen in Ostdeutschland aufgrund des hohen Ausbaustandes an erneuerbaren Energien teilweise bis zu 40 Prozent über denen in West- und Süddeutschland und tragen daher wesentlich zum Standortnachteil bei.

Die aktuelle und hier zitierte VfkE-Studie sowie das Positionspapier stehen unter www.vfke.org zum Download zur Verfügung.

Direkt zur Studie:
www.vfke.org/images/stories/pdf/VfkE-2014-JV-Studie-final.pdf

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