Von „Pleite“ spricht es sich entgegen der Realität immer schnell, wenn es in Deutschland um Insolvenzverfahren geht. So auch der MDR, welcher am heutigen Tage ein Interview mit dem vorläufigen Insolvenzverwalter der Unister Holding GmbH, Rechtsanwalt Lucas Flöther, führte und 20:15 Uhr ausstrahlte. Seit gerade einmal einem Tag prüft der vom Gericht am Montag, 18. Juli 2016 bestellte Insolvenzverwalter die Unterlagen der Holding. Und kommt er auf die naheliegende Möglichkeit des Dominoeffektes, welcher sich schlicht aus der Struktur des gesamten Unternehmens bis hin zu den Betreibern von „fluege.de“ und „ab-in-den-urlaub.de“ ergibt.
Bereits seit gestern ist L-IZ – Lesern nach der Darstellung der verschiedenen Verzweigungen des Unternehmens klar, dass es so einfach nicht werden dürfte, ein Unternehmen von der Größe und der Menge der Beteiligungen wie Unister zu prüfen. Und Entscheidungen zu treffen, welche Arbeitsplätze und Geld gleichermaßen sichern sollen.
War gestern noch in anderen Medien zu lesen, es gäbe keine Auswirkungen auf die Tochterfirmen der Unister Holding GmbH, ließ der Mitteldeutsche Rundfunk heute bereits im Vorfeld der Interviewausstrahlung um 20:15 in der „Umschau“ verbreiten: „Nach dem Insolvenzantrag der Unister Holding GmbH schließt der vorläufige Insolvenzverwalter Lucas Flöther eine Insolvenz der Tochterfirmen des Konzerns nicht aus.“
So führte der Rechtsanwalt gegenüber dem MDR wörtlich aus: “Es ist zumindest nicht auszuschließen, dass es da einen Ansteckungseffekt oder einen Dominoeffekt gibt. Das muss man jetzt prüfen”. Eine Einschätzung zu Beginn eines längeren Prozesses, welche sich – sollten die finanziellen Zustände bei der Unister Holding GmbH schlecht sein – bewahrheiten dürfte. Denn die Unister Holding GmbH ist strukturell selbst in die Tochterfirmen als teils 100-prozentiger Anteilseigner eingebunden, hat nach derzeitigem L-IZ – Kenntnisstand 10 sogenannte „Beherrschungs- und Gewinnabführungsverträge“ mit diesen Firmen einzeln geschlossen.
Das heißt, die Unister Holding GmbH bestimmt letztlich, was u.a. in Firmen wie der News.de GmbH und damit dem Nachrichtenportal der Gruppe „news.de“ geschieht. Gleichzeitig bedeutet es auch: Ist das operative Geschäft der Töchter schlecht, fehlen der Holding die zufließenden Gelder. Gleichzeitig haben die Töchter dann jedoch mit der Holding einen Inhaber, dem Geld fehlt.
Die Konstruktionen „Fluege.de“ & „ab-in-den-urlaub.de“
Was zum Beispiel in der Unister Travel Betriebsgesellschaft mbH (u.a. Fluege.de) geschieht, wird durch mehrere verschachtelte Konstrukte gelenkt. So steht beispielsweise in einem aktuellen Amtsregisterauszug zu lesen, dass die Unister Travel Betriebsgesellschaft mbH „am 28.12.2015 mit der Unister GmbH mit dem Sitz in Leipzig (Amtsgericht Leipzig, HRB 19056) als herrschendem Unternehmen einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag geschlossen“ hat. Die Unister GmbH wiederum ist mindestens bis zum Juni 2014 eine 100-prozentige Tochter der Unister Holding GmbH gewesen. Zudem hält die Unister GmbH bis heute diverse Domainnamen (laut Domainauskunft) wie zum Beispiel “auto.de”, “geld.de” oder “partnersuche.de”. Dass diese Firma bis heute nicht ähnlich nah angebunden sein soll, wie andere Töchter, scheint unwahrscheinlich.
Formuliert und durch die damalige Geschäftsführung im Juni 2014 bestätigt, besteht „zwischen der Unister Holding GmbH, Leipzig, als Mutterunternehmen der Unister GmbH, Leipzig, … ein Ergebnisabführungsvertrag.“. Was auch bedeutet: Kein positives Ergebnis, keine Abführung, ganz gleich, wie oft man die Matrjoschka ineinandersteckt.
Interessant auch, dass die Domain „fluege.de“ selbst bis heute offiziell laut Domainauskunft vom 17. Juli 2016 von der „Unister Travel Retail GmbH-Co.KG“ (haftender Kommanditist hier die Unister Holding) gehalten wird. Diese Firma selbst ist jedoch im Amtsregister gelöscht, also nicht mehr existent. Wer der derzeitige Domaininhaber ist, bleibt hier zumindestens öffentlich unklar. Doch zu vermuten ist wohl eine vertragliche Vereinbarung, dass die Unister GmbH oder die Unister Travel Betriebsgesellschaft mbH heute Inhaber der Domain ist, auch wenn eine öffentliche Umtragung noch nicht stattgefunden hat.
Die Firma „ab-in-den-urlaub Betriebsgesellschaft mbH“ (offiziell Betreiber von ab-in-den-Urlaub.de) ist hingegen noch so neu, dass bislang öffentlich keinerlei Geschäftszahlen bekannt sind. Nur, dass die Firma laut Impressum der Seite den Betrieb von Ab-in-den-Urlaub.de übernommen hat, sollte man wohl als gesichert annehmen. Die Domain, neben Kundenadressen ein maßgebliches Firmenkapital, liegt laut aktueller Domainauskunft hingegen bei der Unister Travel Betriebsgesellschaft mbh. Welche ja wiederum zu 100 Prozent der in der vorläufigen Insolvenz befindlichen Unister Holding GmbH gehört.
Ein System also, welches in guten Zeiten schnelle und flexible Geldlenkungen aus der Zentrale heraus ermöglicht. In schlechten Zeiten jedoch zum “Dominoeffekt”, also einer Ansteckung untereinander führen kann.
Was bedeutet dies für die Verbraucher?
Hierzu mutmaßt der MDR in seiner Mitteilung: Im Falle der Insolvenz der Töchter „besteht für Kunden die Gefahr, dass gegebenenfalls Anzahlungen, die über die Portale an die Reise- oder Fluganbieter gehen sollten, nicht weitergeleitet worden sind und so in die Insolvenzmasse von Unister fallen. Darauf weisen Verbraucherschützer des Bundesverbandes Verbraucherzentrale hin. Solche Forderungen müssten die Betroffenen dann im Rahmen des Insolvenzverfahrens anmelden.“
Übersetzt: Eigentlich noch gar nichts. Denn jetzt, 24 Stunden nach dem Bekanntwerden der Insolvenzanmeldung der Unister Holding GmbH ist vollkommen unklar, welche Bereiche noch profitabel arbeiten und welche nicht. Als Grund für die Insolvenzanmeldung durch Christian Schilling und Sebastian Gantzkow am Montag (laut MDR gegen den Willen der anderen Inhaber, also Daniel Kirchhof und die Geschäftsführung der “30. Opus Vermögensverwaltungsgesellschaft mbH”) gaben die verbliebenen Inhaber an, sich nicht über die Art der Fortführung einigen zu können. Interessant auch: Nicht Millionen seien am Absturzort der „Piper 32“ in Slowenien gefunden worden, sondern rund 10.000 Schweizer Franken – die Staatsanwaltschaft ermittelt.
Lucas Flöther betonte im MDR-Beitrag hingegen: Natürlich sehen wir hier bislang an verschiedenen Stellen Liquiditätsengpässe.“ Doch „nur in der Sanierung besteht die Möglichkeit der Fortführung des Unternehmens.“. Und offenbar sieht der Kölner Jurist noch Chancen, Investoren stünden bereit. Dies ist keine ungewöhnliche Aussage, renommierte Insolvenzverwalter arbeiten für gewöhnlich mit Investoren zusammen. Aktuell sollen die 95 Mitarbeiter in der Konzernholding für drei Monate Insolvenzausfallgeld erhalten. Doch das Thema des Insolvenzverwalters ist längst das gesamte Konstrukt mit weiteren rund 1.000 Mitarbeitern in den Tochterfirmen.
Zum Artikel vom 18. Juli 2016 auf L-IZ.de: Wie weiter mit Unister?
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