Noch ist gänzlich unklar, welches Erbe die beiden verstorbenen Mitinhaber Thomas Wagner und Oliver Schilling der Unister Holding GmbH wirklich hinterlassen haben. Von einer Investorensuche war immer wieder die Rede, in den vergangenen Jahren fand ein Umbau der gesamten Unternehmungen statt. Doch wie sich dies auf das Betriebsergebnis der Mutterfirma Unister Holding ausgewirkt hat, ist vollkommen unklar, wie auch der Stand der laufenden Geschäfte. Dies und die aktuelle Lage aufzuklären, liegt nun in der Hand eines Insolvenzverwalters. Und das verschafft auf den ersten Blick auch Zeit und neue Möglichkeiten.
Über den entscheidenden Jahren des Umbaus des Unternehmens liegt noch ein Schleier, die Informationen in den einschlägigen Auskunftsregistern sind wie ein Puzzle, in dem bislang ein paar entscheidende Teile fehlen. Klar ist, nur die seit 2011 nicht veröffentlichten Bilanzen der Unister Holding GmbH können Licht in eine Abfolge von Umbenennungen, Neufirmierungen und teils mehrfachen Verschachtelungen der letzten Jahre bringen. Diese Aufgabe ist nun bei Insolvenzverwalter Dr. Lucas Flöther in Köln gelandet, welche aufgrund der Größe des Gesamtgebildes und der vielfältigen Verflechtungen des Unternehmens bis in die Travel24.com AG hinein wohl einige Zeit in Anspruch nehmen dürfte.
Denn die Holding, welche nun im vorläufigen Insolvenzverfahren steckt, ist ausweislich der Bilanzen einzelner GmbHs im Gesamtgebilde aus den Jahren 2013 und 2014 in vielen angeschlossenen Unternehmen wie der „News.de GmbH“, der „Unister Factory GmbH“, der “Shopping.de GmbH”, der „Kurz-Mal-Weg GmbH“ oder (noch 2013) der „Preisvergleich.de AG“ beherrschender Anteilseigner oder wie bei der „Unister Travel Retail GmbH & Co. KG“, als haftender Kommanditist involviert. Ist das heute immer noch so, wartet jede Menge Arbeit auf den Insolvenzverwalter beim Erfassen aller Verbindungen.
Denn über die einzelnen Konstrukte bestimmte so die Unister Holding GmbH nahezu alle bekannten Marken der Gruppe bis mindestens 2014 von der Zentrale aus. Und eben jene Zentrale ist nun in der vorläufigen Verwaltung des Kölner Juristen.
Nachdem noch am Wochenende spekuliert worden war, Wagner hätte auf seinem Flug am 14. Juli 2016 von Venedig nach Leipzig Millionen von Euros bei sich gehabt und dies sei der Grund für die Benutzung einer sechssitzigen Kleinmaschine vom Typ „Piper 32“ gewesen, tritt nun parallel ein ganz anderer Ablauf ein. Während die Behörden noch den genauen Grund des Absturzes und in Sachen Bargeld ermitteln, könnte durch die Schritte des Verwalters sichtbar werden, wo das Gesamtunternehmen Unister eigentlich steht.
Offenbar, um das bisherige Chaos zu sortieren oder besser sortieren zu lassen, haben die verbliebenen Eigentümer, zu denen mutmaßlich nach wie vor Daniel Kirchhof, Christian Schilling und auch der Leipziger Immobilienunternehmer Steffen G. gehören, entweder bereits am Freitag oder am heutigen Montag die Insolvenz beim Amtsgericht Leipzig angemeldet. Noch ist diese nicht auf den einschlägigen Portalen verzeichnet, doch die renommierte Kanzlei „Flöther & Wissing“ bestätigte auf L-IZ – Nachfrage die Übertragung des Verfahrens an ihr Haus am heutigen Montag durch das Gericht.
Der letzte Ausweg?
Vielleicht blieb den verbliebenen Anteilseignern angesichts der nahezu im Alleingang geführten Geschäfte durch Thomas Wagner auch gar nichts anderes mehr übrig. Verschobene Bilanzveröffentlichungen, zuletzt die der durch Unister maßgeblich gelenkten Travel24.com AG, hatten bereits in den vergangenen Wochen und Monaten für Verwunderung und teils Verunsicherung bei Anlegern der AG geführt. Die 4,9 Prozent im Streubesitz befindlichen Aktien wurden längst von Ständen um die 27 Euro auf den heutigen Tageskurs von 1,68 Euro (noch vor der Unister-Insolvenzankündigung) durchgereicht.
Die Aktionäre hoffen weiter unter anderem auf mehr Einnahmen aus der Fertigstellung des Hotels im ehemaligen „Ringmessehaus“ am Leipziger Goerdelerring, wo derzeit die Bauarbeiten laufen. 2016 möchte hier die zu mindestens 78,76 Prozent im Besitz der Unister Holding GmbH befindlichen Travel24.com AG eröffnen und erste Einnahmen generieren.
Den voranschreitenden Bauarbeiten gegenüber steht eine Verschiebungsmitteilung der Travel24.com AG vom 24. Juni 2016. Darin heißt es, dass „die Arbeiten zur Prüfung des Jahres- und Konzernabschlusses 2015 noch andauern. Vor diesem Hintergrund können Jahres- und Konzernabschluss für das Geschäftsjahr 2015 nicht wie bisher geplant Ende Juni 2016 veröffentlicht werden. Die Veröffentlichung verschiebt sich bis auf Weiteres. Ein voraussichtlicher Veröffentlichungszeitpunkt wird noch bekanntgegeben.“
Danach folgte nur noch die Unglückmeldung über den Absturz der Piper 32 und nun die Einleitung der vorläufigen Insolvenz.
Ein Zustand von Unklarheit, welcher sich, je länger er in den vergangenen Monaten andauerte, zunehmend gegen das Unternehmen richtete – negative Presseartikel über Geschäftspraktiken und ein noch in diesem Jahr anstehendes Gerichtsverfahren hatten den Druck auf Unister immer weiter erhöht. Angesprochene Investoren und neue Partner stiegen offenbar nicht ein.
Abwarten und beschwichtigen war demnach für die verbliebenen Anteilseigner der Unister Holding GmbH nun keine Alternative mehr, der Absturz des kleinen Privatflugzeuges über Slowenien hat den zuletzt als Geschäftsführer nahezu aller mit Unister verbundenen Firmen maßgeblich um den Erhalt der Firma kämpfenden Unternehmer Wagner mitgerissen. Ob dieser wiederum den wichtigen Deal in Venedig abschließen konnte, ist derzeit noch unklar.
Die Aufgaben des Insolvenzverwalters im Einzelnen
Zuerst wird, während alle Geschäfte wie gewohnt weiterlaufen und die betroffenen Angestellten ihr Gehalt durch die Bundesagentur für Arbeit gezahlt bekommen, eine Prüfung der Vermögenswerte der Unister Holding stattfinden. Bei diesem Kassensturz der Einnahmen und Ausgaben, der liquiden Mittel sowie der aus Verträgen resultierenden Verpflichtungen und kommenden Geschäfte des Unternehmens wird sich sicherlich der Blick rasch auch auf die durch sie dominierten Firmen lenken. Denn diese haben zum größten Teil (soweit nachvollziehbar) noch im Jahr 2014 über Kredite, deren Rückzahlungen und weiteren Vereinbarungen über die Abführung von Gewinnen an die Holding engste Verbindungen zur Konzernmutter.
In unzähligen Einzel-Bilanzen dieser Unternehmen wurde noch im Frühjahr 2016 durch den damaligen Geschäftsführer Thomas Wagner bestätigt, dass die einzelnen GmbHs im Konzernbericht mit erfasst würden. Doch dieser selbst liegt bis heute nicht öffentlich vor, nach Medienberichten soll das Gesamtminus der Holding jedoch 2013 rund 27 Millionen Euro betragen haben. Somit ist es nun wohl am bestellten Insolvenzverwalter, eben diese Verbindungen, aus denen sich Schuldverhältnisse und Einnahmen für die Unister Holding GmbH ergeben, zu prüfen.
Um die Firma, welche sich im Laufe des Verfahrens mehr und mehr quasi unter seine Geschäftsführung begeben könnte, zu schützen, kann der Verwalter im Zweifel auch so weit gehen, Anteile oder ganze Firmen zu verkaufen, vor kürzerer Frist abgeschlossene Geschäfte rückgängig zu machen und somit für einen Mittelzufluss für das zu rettende Unternehmen und die Arbeitsplätze sorgen. Entlassungen von Mitarbeitern sind dennoch nicht ausgeschlossen, nach drei Monaten spätestens ist hier je nach Verlauf der Prüfungen im laufenden Geschäftsbetrieb eine Entscheidung fällig.
Die eigentliche Dimension des Verfahrens wird jedoch erst so richtig deutlich, wenn man einbezieht, dass die zu 100 oder leicht darunter liegenden Prozent durch die Unister Holding GmbH dominierten Unternehmen selbst auch wiederum aktive Geschäftsvorgänge haben. Können diese Unternehmen nicht in absehbarer Frist eventuelle Zahlungen an die Unister Holding GmbH leisten, könnten auch sie selbst in Schieflage geraten. Haben sie Forderungen gegen die Unister Holding, könnten sie zwar eventuell darauf verzichten. Damit würde aber die Gefahr wachsen, wiederum selbst in Schieflage zu geraten.
Im Zweifel wäre hier jedoch für den Insolvenzverwalter die Möglichkeit, Anteile der Holding an Dritte zu veräußern und somit das Engagement zu verkleinern. Immer vorausgesetzt, er findet Käufer, welche Thomas Wagner offenbar bislang nicht fand.
Dabei könnte es zudem rasch um teils mehrfache Verschachtelungen im Gesamtkonzern gehen.
So ist zum Beispiel die Unister Holding GmbH laut Registerauskünften noch im Mai 2016 mittelbar mit 96,15 % der Aktien auch an einer in Berlin ansässigen „Capital One AG“ beteiligt. Wie, das wird aus einem weiteren Satz deutlich. Da heißt es bei der Einladung zur Hauptversammlung der „Capital One AG“, dass die „UNISTER Travel Betriebsgesellschaft mbH, … 96,15 % der Aktien der Gesellschaft hält“. Übersetzt: Die Unister Holding GmbH ist maßgeblich an der „UNISTER Travel Betriebsgesellschaft mbH“ beteiligt, welche wiederum die „Capital One AG“ als Haupteigentümer dominiert.
Noch unklarer wird das Bild, wenn man die Unister-Beteiligungen an der Travel24.com AG betrachtet. Hierbei wurde am 18. Dezember 2015 durch die „BDO AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft“ festgestellt, dass für eine Bestätigung des Konzernabschlusses 2014 nicht genügend Informationen seitens der Travel.com 24 AG vorgelegt worden waren. Eine Bestätigung, alle wichtigen Zahlen geliefert zu haben, wollte die AG nicht abgeben. Auch zu den wirklichen Beteiligungsverhältnissen habe Unklarheit geherrscht. Informationen, welche das Unternehmen jedoch nachgebessert habe.
So heißt es zu den vorher falschen Angaben: „Geschäfte mit der LOET Trading AG wurden in den Abschlüssen seit 2012 nicht als Transaktionen mit nahestehenden Personen gewertet und als solche ausgewiesen. Nach geänderter Einschätzung des Vorstands der Travel24.com AG ist die LOET Trading AG ein nahestehendes Unternehmen. Die Konzernabschlüsse zum 31. Dezember 2012 und zum 31. Dezember 2013 waren insoweit fehlerhaft.“
Damit mussten die Buchprüfer feststellen, dass es sich bei der 16,34 Prozent-Beteiligung der im Schweizer Kanton Zug sitzenden „LOET Trading AG“ ebenfalls um eine Beteiligung eines der „Unister Holding GmbH“ nahestehenden Unternehmens handelt. Heißt, auch hier müssten Beteiligungsverhältnisse bis mindestens Dezember 2015 auch an der Schweizer Beteiligungsgesellschaft vorliegen. Somit hatte unter anderem Namen vor oder nach dem Ausscheiden des Bankhauses Metzler (via „Erste Gallus Verwaltungs GmbH“) offenbar die Unister Holding einen Teil der Anteile über eine weitere Beteiligung an der „LOET Trading AG“ mindestens mit aufgekauft.
Was wird aus den freiwerdenden Anteilen innerhalb der Unister Holding GmbH selbst?
Ein weiteres Problem neben den unzähligen Konstrukten, welche in den vergangenen Jahren gebaut wurden, ist der Tod Thomas Wagners selbst auch für die Holding intern. Der ehemals maßgebliche Eigentümer der Unister Holding GmbH und alleinige Geschäftsführer hinterlässt ein Vakuum. Nach übereinstimmenden Medienberichten könnte Wagner bis zuletzt mindestens 40 Prozent der Firma laut Registerauszügen besessen haben. Da es nach bisherigen Informationen keinen Erben für diese Anteile gibt, ist es an den weiteren Miteigentümern, die Anteile käuflich erwerben zu können. Können sie dies nicht, ist auch eine Veräußerung an dritte Interessenten möglich.
Immer vorausgesetzt, die Schritte werden notwendig, doch sicher war Thomas Wagner nicht grundlos auf Investorensuche in den vergangenen Monaten.
Der bestmögliche Ausgang
Diese Investoren zu finden oder eine interne Lösung herbeizuführen, könnte demnach ebenfalls zu einer Aufgabe für den Insolvenzverwalter werden. Sollte sich das Unternehmen Unister Holding GmbH hingegen über alle Geschäftsbereiche hinweg als liquide und all die internen Verschachtelungen als sinnvoll herausstellen, könnte die Prüfung durch den Verwalter auch einen überaus positiven Effekt für das Leipziger Unternehmen haben. Einmal könnte so – sicherlich neben einer Sortierung der Nachfolgeregelungen für Thomas Wagner und dem ebenfalls verstorbenen Oliver Schilling – das Insolvenzverfahren abgebrochen werden und der normale Geschäftsbetrieb würde wieder allein durch die Holding und einen neuen Geschäftsführer bestimmt.
Ein Ende der Gerüchte rings um die wirtschaftlichen Verhältnisse im Leipziger Unternehmen wäre dann nach nunmehr zwei Jahren geprägt von Negativmeldungen über Inhaberstreitigkeiten, Gerichtsprozessandrohungen und gescheiterter Verkaufsabsichten ebenfalls möglich.
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