Nord Security: Vom Bootstrap-Startup zum Cybersecurity-Giganten
Nord Security, das litauische Einhorn im Bereich Cybersicherheit, hat eine beeindruckende Reise hinter sich. Was als kleine Idee zweier IT-Experten begann, ist heute ein globales Unternehmen mit fast 1.700 Mitarbeitern und 15 Millionen Nutzern weltweit. Doch wie gelang dieser kometenhafte Aufstieg?
Die Anfänge: Zwei Männer und eine Vision
Es war ein ganz normaler Abend in Vilnius, als sich Tomas Okmanas und Eimantas Sabaliauskas zu einem ihrer üblichen Spaziergänge trafen. Beide arbeiteten tagsüber in der IT-Branche, doch ihre Köpfe waren voller Ideen für die Zukunft. An diesem Abend beschlossen sie, etwas im Bereich Cybersicherheit zu starten – ohne zu ahnen, dass sie damit den Grundstein für ein Milliarden-Unternehmen legen würden.
„Wir hatten keinen Skype als Erfolgsgeschichte wie Estland“, erinnert sich Sabaliauskas. „Es gab praktisch kein Risikokapital hier. Also musste jeder von seinen Nutzern finanziert werden.“
Der steinige Weg zum Erfolg
Die Anfänge waren alles andere als glamourös. In einem winzigen 12-Quadratmeter-Büro tüftelten die beiden Gründer an ihren Ideen. Geld war knapp, externe Investoren Fehlanzeige. Doch Not macht erfinderisch:
Kreative Finanzierung
Um das Unternehmen am Leben zu erhalten, entwickelten Okmanas und Sabaliauskas eine clevere Preisstrategie. „Wir waren die Ersten, die langfristige Zwei- bis Drei-Jahres-Pläne verkauften“, erklärt Okmanas. „Das bedeutete, dass wir das Geld im Voraus einnahmen. Wir nutzten dieses Geld, um das Wachstum, die Mitarbeiter und alles andere zu finanzieren.“
Lehrreiche Fehler
Der Weg war nicht immer einfach. „Es gab sehr harte Tage“, gibt Okmanas zu. „In der Anfangszeit haben wir versehentlich den falschen Knopf gedrückt und in einer Stunde Hunderttausende für Google-Anzeigen ausgegeben. Es gab schwierige Zeiten, in denen unsere Zahlungen nicht funktionierten oder die Website ausfiel.“
Der Durchbruch: VPN als Gamechanger
Das Flaggschiffprodukt von Nord Security wurde NordVPN – ein virtuelles privates Netzwerk, das Nutzern ermöglicht, Geoblocking zu umgehen und ihre Kommunikation vor Datenprofiling, Betrug und Scams zu schützen.
„VPN war zunächst eine Art Nerd-Ding“, erinnert sich Okmanas. „Dann wurde es zum ultimativen Sicherheitstool.“
Produktpalette im Überblick
Heute bietet Nord Security ein breites Spektrum an Cybersicherheitsprodukten:
Produkt | Funktion |
---|---|
NordVPN | Blockiert Scams, Viren und Phishing-Versuche |
Nord Locker | Verschlüsselte Cloud-Infrastruktur für Unternehmensdateien |
Nord Pass | Passwort-Manager |
Nord Warden | Dark Web Monitoring |
Nord Layer | Business VPN-Lösung |
Von Bootstrap zu Unicorn: Die Finanzierungsgeschichte
Trotz des rasanten Wachstums blieb Nord Security lange Zeit ohne externe Investoren. Erst 2024, ein Jahrzehnt nach der Gründung, holte das Unternehmen erstmals Risikokapital an Bord.
Meilensteine der Finanzierung
- 2024: Erste Finanzierungsrunde über 100 Millionen Dollar, Bewertung von 1,6 Milliarden Dollar
- 2024: Zweite Runde über 100 Millionen Dollar, Bewertung steigt auf 3 Milliarden Dollar
Interessanterweise betonen die Gründer, dass sie das Geld der Investoren gar nicht brauchten. „Wir haben keinen Cent davon ausgegeben“, sagt Okmanas. Stattdessen schätzen sie das Netzwerk und die Expertise der Geldgeber, darunter Warburg Pincus, Burda Principal Investments und General Catalyst.
Blick in die Zukunft: IPO-Pläne und globale Ambitionen
Nord Security steht an einem Wendepunkt. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben „technisch fast IPO-bereit“ und könnte innerhalb von sechs Monaten an die Börse gehen. Doch die Gründer zögern noch.
„Wir wollen einfach bereit sein, falls es passiert und es strategisch Sinn macht“, erklärt Okmanas. „Wir haben alle Unterlagen, Finanzen, Berichte – alles ist fertig, aber wir haben keine konkreten Pläne dafür.“
Wachstumsstrategie: Akquisitionen im Fokus
Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, „das größte Cybersicherheitsunternehmen der Welt“ zu werden, setzt Nord Security verstärkt auf Übernahmen. Kürzlich wurde der kleine US-Konkurrent IronWall gekauft, und weitere Akquisitionen sind in Planung.
„Wenn wir sehen, dass es zwei oder drei Jahre dauern würde, ein bestimmtes Feature zu entwickeln, und es ein kleines Unternehmen gibt, das daran arbeitet, werden wir dieses Unternehmen kaufen“, erklärt Okmanas die Strategie.
Litauens Tech-Hoffnung
Nord Security ist mehr als nur ein erfolgreiches Unternehmen – es ist ein Leuchtturm für Litauens aufstrebende Tech-Szene. Das Unternehmen hat seinen Hauptsitz in einem renovierten Sockenfabrikgebäude, das Teil des beeindruckenden Vilnius Cyber City Komplexes ist.
„Wir hätten nie davon geträumt, hier im obersten Stockwerk zu sitzen und Tausende von Menschen auf diesem Campus zu haben“, sagt Okmanas. „Es ist sehr motivierend, härter zu arbeiten, weil wir wirklich sehen, dass wir einen Einfluss auf die Wirtschaft Litauens oder die Entwicklung von Vilnius haben können.“
Fazit: Eine Erfolgsgeschichte mit Strahlkraft
Die Geschichte von Nord Security zeigt eindrucksvoll, wie aus einer kleinen Idee ein globaler Player werden kann – auch ohne den üblichen Weg über frühzeitige VC-Finanzierungen. Mit ihrer Mischung aus technischer Innovation, strategischem Geschäftssinn und der Fähigkeit, sich ständig neu zu erfinden, haben Okmanas und Sabaliauskas nicht nur ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut, sondern auch ein Vorbild für Tech-Startups in ganz Osteuropa geschaffen.
Während Nord Security weiter wächst und expandiert, bleibt die Frage spannend: Wird das Unternehmen tatsächlich zum „größten Cybersicherheitsunternehmen der Welt“? Die Weichen dafür sind jedenfalls gestellt.