Es war ein Punktgewinn, der sich wie eine Niederlage anfühlte. Gegen Außenseiter HSG Blomberg-Lippe gönnten sich die Handballerinnen des HC Leipzig eine mentale Schaltpause. Vor heimischem Publikum war die Madsen-Sieben am Dienstagabend mit dem 29:29-Unentschieden sogar noch gut bedient. Nicht gerade eine gelungene Generalprobe für die bevorstehende Champions League Qualifikation.
Der alte Herr mit Gehstock war sichtlich aufgebracht. “Ihr spielt wie eine Schulmädchen-Mannschaft! Schämt euch!”, schimpfte er lauthals in Richtung HCL-Bank. Kurz zuvor waren die Leipzigerinnen auch von anderen Zuschauern mit missbilligenden Pfiffen und Buh-Rufen vom Feld geleitet worden. Eine Szenerie mit Seltenheitswert im “Erfolgstempel” Arena Leipzig. Als “sehr peinlich für uns”, bewertete auch HCL-Regisseurin Karolina Kudlacz den unerwarteten Punktverlust, für den sie sich tatsächlich schämte. Doch warum am Dienstag so vieles schief lief, vermochte auch sie nicht zu erklären.
Dabei war nach der ersten Halbzeit alles noch im grünen Bereich. Zwar hatte der Rekordmeister nicht eben ein Feuerwerk der ganz großen Handballkunst zelebriert, doch ging man wenigstens mit einem vermeintlich sicheren 16:11-Vorsprung in die Kabinen. Diesen hatte sich der HCL mit einem späten Zwischensprint gesichert, nachdem es in der 26. Minute noch 12:10 gestanden hatte. Diesen Schwung wollte das Team in die zweiten 30 Minuten mitnehmen.
Doch dieser Plan misslang gründlich. Bereits die ersten fünf Minuten nach Wiederbeginn gerieten zu einer kleinen Katastrophe. Der Leipziger Angriff war von allen guten Geistern verlassen und in der Abwehr waren derer auch nicht mehr viele auszumachen. Fast jeder Wurf der Blomberger Gäste landete in den Maschen, während der HCL in dieser Phase nicht mal per Siebenmeter traf. So leuchtete in Minute 35 wieder nur ein knappes 17:14 von der Anzeigetafel. Doch dann schien alles wieder gut werden zu wollen. Katja Schülke – die einem im Tor fast schon leid tun konnte – fischte mal wieder einen Ball weg und den anschließenden Konter verwandelte Alexandra Mazzucco zum 19:15 (37.). Maura Visser und Karolina Kudlacz legten nach – und schon war die angenehme 5-Tore-Differenz wieder hergestellt (21:16/42.).
Das schien aber weder beim HC Leipzig für zunehmende Souveränität zu sorgen, noch die Ostwestfalen sonderlich zu beeindrucken. Die nächsten fünf Minuten gehörten ganz den Gästen, die mit einfachen Mitteln diesen Vorsprung bis zum 22:21-Anschlusstreffer (47.) einschmolzen. Bei Leipzig zappelten nun die Nerven. Sieben Minuten vor dem Ende hatte es die HSG Blomberg-Lippe tatsächlich geschafft, erstmals wieder auszugleichen (25:25/53.). Es sollte noch schlimmer kommen. Als nur noch vier Minuten übrig waren, hob die Blombergerin Angela Malestein den Ball gefühlvoll über die neu eingewechselte HCL-Keeperin Julia Plöger zum 26:27 (56.). Es war die erste Gästeführung seit dem 1:2 in der Anfangsphase.
Jetzt wurde es wirklich brenzlig für die Favoriten aus der Messestadt, denn dieser Rückstand wollte sich einfach nicht abschütteln lassen. Es folgte das 27:28 (56.) sowie das 28:29 (59.). Natalie Augsburg sorgte mit ihrem abschließenden Ausgleichtstor dafür, dass sich die Blamage für den HCL im erträglichen Rahmen hielt. Trotzdem war die Torschützin angefressen. “Vorn machen wir technische Fehler, verwerfen – und hinten sind wir zu passiv in der Abwehr. So holen die fünf Tore auf.”, benannte sie die Misserfolgsformel des Tages. Ihr Team sei nicht fokussiert genug gewesen und es habe an Konzentration gemangelt, stellte die 28-Jährige fest. “Vielleicht waren wir mit den Gedanken unterbewusst schon bei der Champions League”, mutmaßte sie.
Bereits am heutigen Mittwoch reist der HCL-Tross nach Paris. Dort kämpfen sie in den Partien gegen Issy Paris (Samstag, 19:00 Uhr) und Zvenigorod (Sonntag, 16:00 Uhr) um den Einzug in die Hauptrunde der Champions League. “Wir können es ja nur besser machen und die Wut aus diesem Spiel mit nach Paris nehmen”, schaut Augsburg voraus. Ähnlich sieht es auch ihre Teamkollegin Karolina Kudlacz. Sie will durch einen überzeugenden Auftritt in Paris das unangenehme Schamgefühl aus dem Blomberg-Auftritt schnell wieder los werden.
HC Leipzig vs. HSG Blomberg-Lippe 29:29 (16:11)
HC Leipzig: Schülke, Plöger, Visser (6/5), Augsburg (4), Müller (2), Reiche (1), Kramer (1/1), Bont, Schulze (3), Kudlacz (6), Lang (3), Hubinger (2), Mazzucco (1), Windisch. Trainer: Stefan Madsen.
HSG Blomberg-Lippe: Monz, Roch, Knutsdottir (5/1), Müller, X. Smits (4), Thorgeirsdottir (6/3), Frey (3), Thomas (1), Berndt, Pilmayer, Malestein (7), W. Smits (3). Trainer: André Fuhr.
Schiedsrichter: Hanspeter Brodbeck/ Simon Reich. Zwei-Minuten-Strafen: HC Leipzig keine, Blomberg 2x (Frey, Thomas). Siebenmeter: HC Leipzig 9/6, Blomberg 5/4. Zuschauer: 1.639 in der Arena Leipzig.
HC Leipzig – HSG Blomberg-Lippe 29:29
Buxtehuder SV – Bayer Leverkusen (Mi., 19.9.)
Thüringer HC – DJK/MJC Trier (Sa., 22.9.)
HSG Bad Wildungen – TuS Metzingen (Sa., 22.9.)
TuS Weibern – FHC Frankfurt/Oder (Sa., 22.9.)
VfL Oldenburg – Frisch Auf Göppingen (So., 23.9.)1.) HC Leipzig (3 Spiele/ 5 Punkte/ +18 Tore)
2.) VfL Oldenburg (2/ 4/ +15)
3.) Buxtehuder SV (2/ 4/ +14)
4.) Thüringer HC (2/ 4/ +11)
5.) HSG Blomberg-Lippe (3/ 4/ +7)
6.) TuS Weibern (2/ 2/ -8)
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