Eine 19-jährige Fußballerin aus Friesland hatte den Stein ins Rollen gebracht. Die Niederländerin Ellen Fokkema war die erste Frau in Europa, die im Amateurbereich offiziell in einer Männermannschaft mitspielen durfte. In der Saison 2020/2021 war dafür noch eine Sondergenehmigung des niederländischen Fußballverbands (KNVB) erforderlich, der dieses Exempel gleich zum Pilotprojekt erklärte.

Ein Jahr später entschied der Verband: Frauen dürfen ab der Saison 2021/2022 bis hoch zur 3. Liga bei den Männern mitspielen. Der Spirit aus dem Nachbarland brauchte ein weiteres Jahr, um schließlich auch nach Deutschland herüberzuschwappen.

Im Juni 2022 hat der DFB-Vorstand beschlossen, dass im deutschen Amateurfußball „Spielerinnen, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, das Spielrecht in Herrenmannschaften erteilt wird“ – wenn gewünscht. Der Verband begründete diesen neuen Beschluss vor allem auch mit der Tatsache, dass es in Deutschland insgesamt zu wenige Frauen-Teams gibt. Nur ein Viertel der Vereine habe demnach mindestens eine weibliche Mannschaft gemeldet.

Bei weiterhin strikter Geschlechtertrennung stünden daher viele ambitionierte Fußballerinnen ohne Spielmöglichkeit da. Durch eine entsprechende Reformierung der DFB-Spielordnung können daher die Landes- und Regionalverbände nun in ihren Einzugsgebieten das Gemischte Spielen auf den Weg bringen. Es handelt sich dabei um ein Pilotprojekt, das auf 48 Monate angelegt ist.

Als Erster reagierte der Bayerische Fußball-Verband (BFV) auf diese neue Möglichkeit und passte auf dem Verbandstag Ende Juni 2022 die eigene Spielordnung entsprechend an. Seit 1. Juli haben die Fußballerinnen des größten Bundeslandes nun grünes Licht. Bereits am 17. Juli kam es dann zur historischen Premiere: Mit Sandra Pfaffenstein und Jessica Eckl liefen sogar gleich zwei Frauen im Männerteam des FC OVI-Teunz II (Oberpfalz) auf den grünen Rasen.

Titelblatt der Dezember der LEIPZIGER ZEITUNG, LZ 109.
Titelblatt der Dezember der LEIPZIGER ZEITUNG, LZ 109. Foto: LZ

„Ich kann allen nur empfehlen, es selbst einmal auszuprobieren“, wird Pfaffenstein vom Fußball-Portal fupa.net zitiert. „Auf dem Feld war es wie immer – im Umgang miteinander gab es da keine Unterschiede. So macht Fußball Spaß.“

Mit Dezember-Beginn zog nun auch der Niedersächsische Fußballverband (NFV) mit sofortiger Wirkung nach. Und ab 1. Januar 2023 dürfen die Fußballerinnen im Gebiet des Landesverbandes Bremen ebenfalls höchst offiziell ins Modell des Gemischten Spielens einsteigen. Wie aber ist die Situation hier in Sachsen?

In der Spielordnung des Sächsischen Fußball-Verbandes (SFV) gibt es bisher keine ausdrückliche „Go!“-Regelung, so wie es bei den oben erwähnten drei Landesverbänden der Fall ist. Aber unter Paragraf 10 Ziffer 8 („Pilotprojekte zum Gemischten Spielen“) wird das DFB-Projekt beschrieben und die grundsätzliche Möglichkeit der Inanspruchnahme signalisiert.

„Wir wären dafür natürlich offen“, bestätigt Nicole Gruber – Vorsitzende des Frauen- und Mädchenausschusses im SFV – im Gespräch mit der Leipziger Zeitung (LZ). Allerdings seien zum gemischten Spielbetrieb bisher noch keinerlei Anfragen beim Verband eingetroffen.

„Bei uns ist das fast kein Thema, deshalb haben wir noch keine weiteren Maßnahmen ergriffen. Aber wir waren in Sachsen schon immer etwas langsamer, so wie beim Futsal oder beim Funino. Vielleicht ändert sich das dann zum neuen Spieljahr, und es kommen die Anfragen. Wenn also jemand Gesprächsbedarf hat, dann gerne bei uns melden.“

Formell würde ein solches Ansinnen dann so ablaufen, dass sich die interessierte Spielerin bzw. der entsprechende Verein an den SFV wendet und dieser nach positivem Vorstandsbeschluss den entscheidenden Antrag beim DFB stellt. „Das geht recht schnell“, versichert Gruber, „und ist kein Grund, um zu sagen: Wir machen das nicht.“

Das bisherige Ausbleiben von Anfragen hat aber möglicherweise auch einen durchaus positiven Grund: In den letzten vier Jahren ist – trotz Corona-Pandemie – die Anzahl der im Frauen- und Mädchenbereich gemeldeten Teams in Sachsen halbwegs stabil geblieben. So waren zur Saison 2018/2019 beim SFV 134 Frauen- und 44 Mädchenmannschaften gemeldet. Zur Saison 2021/2022 waren es immerhin noch 128 und 38.

„Von dem großen Rückgang, den es in der Statistik des DFB gibt, sind wir in Sachsen nicht betroffen“, kann Gruber zufrieden feststellen. „Dafür auch einen großen Dank an das Ehrenamt in den Vereinen, ohne die wäre das nicht möglich gewesen.“

Wie viele junge Fußballerinnen an der Wegscheide zwischen gemischten Jugendteams und adäquaten Möglichkeiten im Erwachsenenbereich verloren gehen, ist hierzulande statistisch nicht erfasst. „Ich denke aber, man verliert dort mit Sicherheit um die 20–25 Prozent der Spielerinnen“, vermutet die Ausschussvorsitzende.

Das liegt aus ihrer Sicht zum einen daran, dass nach dem Verlassen (müssen) der gemischten Jugendteams überhaupt gar keine Frauenfußball-Struktur im Verein existiert – oder aber, dass es in der entscheidenden Übergangsaltersklasse B-Jugend kein eigenes Team gibt.

Dass es genügend Mädchen gibt, die Fußball spielen wollen, ist Fakt. Gerade im Kleinfeldbereich, mit dem gemischten Spielbetrieb, sind die Zahlen bei den Mädchen enorm gestiegen. Das Problem ist eher, einen Verein zu finden, der die alle einsammelt und eine Mädchenmannschaft aufbaut“, schätzt Gruber ein. „Aber ich denke trotzdem, dass wir hier in Sachsen zufrieden sein können. Wir haben einen ordentlichen Spielbetrieb mit Landesklasse, Landesliga und auch mit einigen Mannschaften in der Regionalliga.“

„DFB-Pilotprojekt: Spielen bald auch in Sachsen Fußball-Frauen bei den Männern mit?“ erschien erstmals am 16. Dezember 2022 in der aktuellen Printausgabe der Leipziger Zeitung (LZ). Unsere Nummer 109 der LZ finden Sie neben Großmärkten und Presseshops unter anderem bei diesen Szenehändlern.

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