Anno 1977 war die Fußballkultur im thüringischen Weida noch in Ordnung. Die Bayern schlugen Mönchengladbach und ein kleiner Junge wurde Bayern-Fan. Seitdem hat sich in Sachen Fußballkultur viel geändert - vor allem in Leipzig. Moderator und Dozent Norman Landgraf über seinen Leipziger Fußballtraum.

Ich lebe erst seit 2006 in Leipzig und habe nicht nur hier schon sehr viel erlebt, neben privaten Dingen wie auch beruflich. Ich bin Sportler, nein Fußballer aus Leidenschaft und habe von Klein auf mit diesem Thema zu tun. Ich trat im Verein BSG Fortschritt Weida bereits mit 5 Jahren an einen Ball und die Gegner waren damals oft zwei Jahre älter als ich.

Am 21.05.1977 saß mein Vater, total fußballverrückt, vor dem Fernseher und sah das Spiel Bayern München gegen Borussia Mönchengladbach, Bundesligasaison 76/77, 34. Spieltag. Das Spiel kam in der ARD-Sportschau und es endete 2:2. Dass damals Heynckes oder Stielike, Gerd Müller oder Beckenbauer spielten, interessierte mich überhaupt nicht. Ich fragte meinen Vater nur: “Vati auf wen hältst Du? Und er antwortete nur sehr knapp “Bayern”. Ab dem Zeitpunkt war ich Bayern-Fan. Ich sah immer wieder die Sportschau und versuchte etwas für mich zu lernen, denn ich wollte ja auch einmal groß raus kommen und in der ersten Mannschaft, bei BSG Fortschritt Weida in der DDR-Liga spielen (ich habe es auch mit 19 Jahren geschafft, aber dann kam die Wende).

Heute, 36 Jahre später, bin ich erwachsen und habe einige Stationen, auch im Fußball, hinter mir. Ich frage mich immer wieder, gerade in Bezug auf meine Sendung, Heimspiel – Ihr regionales Fanmagazin (www.hfm-tv), warum freue ich mich nach wie vor wenn Bayern gewinnt. Ich beschäftige mich doch kaum mit dem Verein!? Ganz einfach, weil mein Vater, zu dem ich immer aufschaute, auch Fan war und wir gemeinsam so viel zu besprechen hatten, wenn wir uns sahen. Außerdem liebten wir Fußball und das war der einzige Moment bei dem wir gemeinsam zur gleichen Zeit streiten, lachen und auch weinen konnten. Dieser Moment vor dem Fernseher anno 1977 war wahrscheinlich der prägendste Moment in meinem Leben …Und ich glaube die meisten Fans haben diesen Weg ebenso hinter sich, entweder als “Vati” oder als Spieler in einem Verein.

Was ich aber nicht verstehe ist, dass sogenannte Fans nach wie vor diesen Sport so extrem uninteressant machen beziehungsweise erreichen werden, dass die “Kleinen” nicht mehr zu ihren Idolen ins Stadion gehen können. Polizei und Straßensperren sind mittlerweile immer mehr ein Zeichen dafür, dass irgendwo Fußball gespielt wird. Früher waren es Fahnen und Schals oder Gesänge. Traurig! Auch diese ewige Diskussion über RB oder nicht RB oder über Lok (“Das sind ja alles Nazis”) oder Chemie (“Nur linke Vermummte”) sind nach wie vor ein Bestandteil des täglichen Lebens in Leipzig. Traurig! Niemand versucht die Chancen zu sehen. Jeder denkt immer nur man nimmt ihm etwas weg. Aber wenn doch gar nichts mehr da ist, was man wegnehmen könnte, außer der Tradition einer fußballverrückten Stadt…

Ich träume als nun Leipziger davon, dass alle in Leipzig erkennen, wie wichtig es ist, den Gedanken wie 1989 zu haben, “Wir sind das Volk” und sich einfach für den Fußball in unserer Heimatstadt engagieren, dass RB in die 2. Bundesliga aufsteigt, Chemie den Kunze-Sportpark wieder zu einer Festung macht und Lok Leipzig in dieser Saison in der Regionalliga bleibt. Denn ich bin neben Bayernanhänger auch ein Fan von Leipzig.

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