Man kann natürlich – wie deutsche Finanzminister – an falschen Haushaltsrezepten festhalten, bis das ganze Land in die Binsen geht. Das Land steckt nun seit vielen Monaten in der Flaute. Anreize, die Wirtschaft wieder flottzumachen, fehlen. Stattdessen mahnen die Finanzminister mit der neuen Steuerschätzung, die das Bundesfinanzministerium am Donnerstag, dem 24. Oktober, bekannt gab, wieder einmal zum Kürzen und Sparen. Und natürlich zum Einhalten der Schuldenbremse.
Denn nur so sehen diese hochgebildeten Männer das Land irgendwie noch steuerbar. Als wenn nicht schon seit Jahrzehnten ein Sparkurs gefahren worden wäre, der sich jetzt endlich als das Moment erweist, das die Krise – still und unheimlich – befeuert.
„Der Bund kann im kommenden Jahr mit 700 Millionen Euro mehr Steuereinnahmen als zuletzt erwartet rechnen. Bis 2028 müssen Bund, Länder und Kommunen aber voraussichtlich mit etwa 58 Milliarden Euro weniger auskommen, so die aktuelle Steuerschätzung“, meldete das Bundesfinanzministerium am Donnerstag. Und: „Langfristig müssen Bund, Länder und Kommunen mit deutlich weniger Steuereinnahmen auskommen als noch im Frühjahr prognostiziert: Das ist das Ergebnis der aktuell vorgelegten 167. Steuerschätzung. In diesem Jahr betragen die Steuereinnahmen insgesamt 941,6 Milliarden Euro. Das sind 8,7 Milliarden Euro weniger als erwartet. Der Bund verbucht für dieses Jahr ein Minus von 3,4 Milliarden Euro. Bis 2028 erwarten die Steuerschätzer für den Gesamtstaat etwa 58 Milliarden Euro weniger Einnahmen.“
Und Sachsens Finanzminister Hartmut Vorjohann (CDU) ließ dann auch gleich berechnen, was das nun für den sächsischen Haushalt bedeutet.
Nichts Gutes natürlich.
Die Lust am „Konsolidieren“
„Der sächsische Staatshaushalt kann im Ergebnis der Oktober-Steuerschätzung 2024 mit Steuereinnahmen in Höhe von 19,1 Milliarden Euro rechnen. Wie bereits in der Mai-Steuerschätzung vorhergesagt, wird damit der Haushaltsansatz im laufenden Jahr um rund 350 Millionen Euro unterschritten“, malte auch da Sächsische Finanzministerium am Freitag, dem 25. Oktober, genüsslich die Verknappung der Haushaltsmittel an die Wand.
So bringt man dann die Koalitionspartner, die gerade über eine „Brombeerkoalition“ in Sachsen verhandeln, mit strengen Mahnungen zur Raison. Denn Geld ist ja keins (mehr) da zum Ausgeben, oder? „Für die Jahre 2025 und 2026 wird Sachsen voraussichtliche Steuereinnahmen von 19,5 Milliarden Euro und 20,3 Milliarden Euro erzielen. Das sind in Summe nochmals rund 150 Millionen Euro weniger als noch im Mai erwartet.“
Ein Befund, den Finanzminister Hartmut Vorjohann dann noch einmal deutlich herausstreicht: „Die wirtschaftliche Lage hat sich weiter verschlechtert. Inzwischen hat es seit 2019 kein Wirtschaftswachstum mehr in Deutschland gegeben. Zwar geht die Bundesregierung erneut davon aus, dass das Wachstum bald wieder Fahrt aufnimmt, doch dafür wären tiefgreifende Änderungen in der Wirtschaftspolitik nötig. Andernfalls bleibt Deutschland als Industriestandort international nicht wettbewerbsfähig und die Wachstumsschwäche setzt sich fort.“
Natürlich: Schuld sind immer die Anderen. Dass die eigene, von falschem Spardenken geprägte Finanzpolitik eine wesentliche Ursache der Misere sein könnte, kommt im Weltbild deutscher Finanzminister nicht vor.
Also ist dann die Konjunktur schuld, wenn weniger Geld in die Kasse kommt.
Die Zügel straff
„Die schwache Konjunktur sorgt für eine derart deutliche Verschlechterung auf der Einnahmenseite, dass selbst Mehreinnahmen im bundesstaatlichen Finanzausgleich dies nicht kompensieren können“, so Vorjohann. „Hintergrund dieser Mehreinnahmen ist die Neuberechnung der Einwohnerzahlen nach Zensus 2022 und die dadurch höheren Zuweisungen an den Freistaat Sachsen.“
Und dann wendet er sich im Grunde direkt an die drei verhandelnden möglichen Koalitionäre: „Die Oktober-Schätzung untermauert die harten Fakten: Die im Haushaltsvollzug 2024 notwendig gewordenen Bewirtschaftungsmaßnahmen waren richtig und werden auch weiterhin benötigt. Für die nächsten beiden Jahre vergrößert das Schätzergebnis die Konsolidierungsbedarfe. Um die Finanzen langfristig in den Griff zu bekommen, führt kein Weg an einer strukturell wirksamen Haushaltskonsolidierung mit klarer Prioritätensetzung vorbei.“
Das Wort Konsolidierung muss man hier übersetzen: Es geht um ganz klassische Ausgabenkürzungen. Während Vorjohann den mittlerweile milliardenschweren Verschiebebahnhof in den „Generationenfonds“ nicht einmal erwähnt.
Einziges Trostpflaster: Die sächsischen Kommunen können im Vergleich zur Mai-Schätzung gemäß der neuen Prognose mit geringfügig höheren Steuereinnahmen rechnen. Hauptgrund dafür ist die positive Entwicklung der Gewerbesteuer in vielen Städten und Gemeinden Sachsens. Für 2024 werden nach der Prognose des Finanzministeriums kommunale Steuereinnahmen in Höhe von 4,9 Milliarden Euro erwartet, für die nächsten beiden Jahre sind es 5,0 Milliarden Euro (2025) bzw. 5,2 Milliarden Euro (2026).
Erste – aber deutliche – Kritik an diesen Positionen des sächsischen Finanzministers gab es am Freitag von den Grünen und den Linken im Sächsischen Landtag.
Die Schulenbremse verstärkt die Probleme nur
„Sachsen befindet sich in einer wirtschaftlich herausfordernden Situation“, ordnet Franziska Schubert, Vorsitzende und finanzpolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, die von Vorjohann vorgestellten Zahlen ein. „Diese wird durch die sächsische Schuldenbremse zusätzlich verstärkt. Der CDU und dem sächsischen Finanzminister ist bekannt, dass Sachsens Schuldenbremse nicht auf konjunkturelle Schwankungen und Inflation reagieren kann.
Trotzdem lehnen sie notwendige Anpassungen seit Jahren ab – zum Schaden für das Land. Damit ist die CDU verantwortlich dafür, dass unserem Land Gelder fehlen für Investitionen und Innovationen, die für den Wirtschafts- und Bildungsstandort Sachsen wichtig sind. Ich denke dabei an Kitas und Schulen, Wirtschaftsförderung und Infrastruktur.“
Und sie erkennt die bekannten Töne, mit denen Sachsens Finanzminister über seine Verkündungen zur Steuerschätzung auch jedes Mal deutlich Einfluss nimmt auf die künftige Haushaltspolitik des Freistaats.
„Der sächsische Finanzminister fordert nun von der zukünftigen Regierung einen Sparkurs, Streichungen und eine klare Prioritätensetzung. Die vergangenen Jahre haben gezeigt, was die CDU darunter versteht. Sie kürzt auf Kosten von Kindern und Jugendlichen, den Kommunen, der Wirtschaft und älteren Menschen“, zählt Schubert auf. „Ich kann hier nur nochmal sagen: Solide Finanzpolitik sieht anders aus und arbeitet nicht gegen die Entwicklung des Landes. Finanzminister Vorjohann lebt in einem Elfenbeinturm, während Schultoiletten unsaniert bleiben, Brücken gesperrt werden und die Kommunen mit dem Rücken zur Wand stehen. Wie blind und verbohrt kann man sein?“
Späte Reue
Ganz offensichtlich bereuen die Grünen inzwischen gewaltig, dass sie 2013 der Aufnahme der „Schuldenbremse“ in die Sächsische Verfassung zugestimmt haben. Denn längst hat sich dieses Instrument als idealer Hebel gerade für die ausgabenunwillige CDU entwickelt, ihre kleineren Koalitionspartner auszubremsen und ihnen die Gestaltungsspielräume in der Politik zu nehmen.
„Hätte Sachsen die Schuldenbremse angepasst, wären jetzt eine seriöse Finanzplanung und konjunkturbedingte Kreditaufnahmen möglich“, sagt Schubert. „So könnte der Freistaat die Folgen der aktuellen Situation erheblich abmildern.
Doch die CDU hat mit ihrer ideologischen Ablehnung dafür gesorgt, dass Sachsen mit seiner im Ländervergleich restriktivsten Schuldenbremse einen ökonomisch und gesellschaftspolitisch zerstörerischen Sonderweg geht. Mit dem für sie schlechtesten Wahlergebnis bei einer Landtagswahl ever zeigt sich überdeutlich, dass die sächsische Finanzpolitik mitnichten als solide wahrgenommen wird.“
Na gut: Das „schlechteste Wahlergebnis bei einer Landtagswahl ever“ bezieht sich auf das Wahlergebnis der CDU, die zwar knapp die Nase vor der AfD hatte, aber das letztlich auch nur, weil sie u.a. von der Wählerwanderung von Grünen und SPD profitierte.
Wo bleibt den nun die Vermögenssteuer?
Noch deutlicher wird in ihre Einschätzung der maladen Steuereinnahmen die Vorsitzende der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, Susanne Schaper: „Das Steueraufkommen fällt noch geringer aus als in der Frühlingssteuerschätzung. In einer solchen Situation müssen wir ernsthaft über die Einnahmeseite reden: Die Vermögenssteuer als Ländersteuer liegt seit Jahren konstant bei null Prozent.
Mit ihr könnte das gewaltige Defizit der Länder ausgeglichen werden. Eigentum verpflichtet, insbesondere in Krisenzeiten! Auch die Kommunen müssen dauerhaft handlungsfähig gemacht werden. Ohne funktionierende und lebenswerte Kreise, Städte und Gemeinden wird es keine wirtschaftlich besseren Zeiten geben.“
Auch aus ihrer Perspektive gibt es keinen Grund, den nächsten Landeshaushalt zur Kürzungsorgie zu machen.
„Das wäre kein Weg aus der Wirtschaftskrise: Die Kommunen, die Zivilgesellschaft und auch die meisten Unternehmen würden noch größere Probleme bekommen. Niemand will Geld verpulvern. Das andere Extrem, staatliche Kredite nur bei Naturkatastrophen und in außergewöhnlichen Notsituationen zu erlauben, ist aber genauso schädlich“, stellt Schaper fest.
„Zu viele Politikerinnen und Politiker glauben, sie würden am Wahltag für einen ausgeglichenen Staatshaushalt belohnt. Das ist Quatsch – und dennoch verhindert dieser Fetisch wichtige Investitionen in Bildung, Soziales, gerechten Klimaschutz, in bezahlbaren Wohnraum, Schulen, Kitas, Verkehrswege. Das belastet kommende Generationen. Diese haben am meisten davon, wenn die Infrastruktur intakt ist, die Gesellschaft zusammenhält und der Staat seine Aufgaben erfüllen kann.
Deshalb sollte vernünftig investiert werden, bei Bedarf mit Krediten. Wir wollen die Investitionsbremse lösen, etwa durch Sondervermögen. Für die Aufrüstung war das kein Problem. In Sachsen stoppen Michael Kretschmer und seine CDU allerdings jeden Schritt in diese Richtung.“
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