Es sind die Regionen und Kommunen, in denen sich entscheidet, ob Menschen das Gefühl haben, dass die Demokratie funktioniert. Hier entscheidet sich, ob die Landesregierung die richtigen Weichen gestellt hat odef eine falsche Sparpolitik betreibt, so wie in Sachsen. Der Sächsische Städte- und Gemeindetag (SSG) sieht mit der gerade vom Statistischen Landesamt des Freistaates Sachsen vorgelegten Kommunalen Kassenstatistik zum 30. Juni 2024 seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Am 15. September wurde er sehr deutlich.

„Das Defizit in den kommunalen Kernhaushalten ist im ersten Halbjahr 2024 im Vergleich zum ersten Halbjahr 2023 um fast 400 Millionen Euro auf inzwischen 638 Millionen Euro angewachsen“, sagte der Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages, Oberbürgermeister Bert Wendsche, am 15. September.

„Das ist ein Anstieg um 157 Prozent. Die kommunalen Haushalte erodieren nicht mehr, sie beginnen zu kollabieren.“

Es ist kein neues Thema, interessiert aber sächsische Finanzminister ganz offensichtlich nicht die Bohne. Man tut seit Jahren so, als könne man trotz einer fatalen Sparpolitik bei der Kommunalfinanzierung am Ende doch jede Landtagswahl gewinnen, auch wenn immer mehr Wähler in den Regionen inzwischen zur AfD abwandern – frustriert von einer Politik, in der sie sich ausgegrenzt und übergangen fühlen.

Eigentlich wäre das ein Wählerpotenzial für eine linke Partei, die diese Entwicklungen ernst nimmt. Doch Die Linke wurde in Sachsen zur Landtagswahl am 1. September gleich mit abgestraft, obwohl sie in Sachsen keinen einzigen Tag mitregieren konnte.

Ein Dilemma in fünf Punkten

Was sie aber nicht hindert, das Dilemma zu thematisieren und eigene Forderungen an die Landespolitik in ein Papier zu fassen. Der Landesvorstand der Sächsischen Linken hat auf seiner Klausurtagung in Dresden am Wochenende, 28. und 29. September, Forderungen an die neue Landesregierung zur besseren finanziellen Ausstattung der Kommunen beschlossen.

In einem Fünf-Punkte-Papier fordert Die Linke eine Neugestaltung des Finanzausgleichsgesetzes, Veränderungen bei der Förder-Praxis des Landes, eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, eine Neuverteilung von Pflichtaufgaben sowie die sofortige Abschaffung der Investitionsbremse.

Das Papier „Kein Geld, keine Gemeinschaft“.

„Immer und immer wieder warnen die sächsischen Kommunen vor dem finanziellen Kollaps. Doch statt struktureller Verbesserungen gibt es von der Staatsregierung nur einmalige Wahlkampfgeschenke. Sie riskiert so aber das Ende der kommunalen Selbstverwaltung, zerstört die Handlungsfähigkeit des Staates und gefährdet wichtige soziale Dienstleistungen wie Krankenhäuser oder Schulen. Sie schaufelt damit schlussendlich auch das Grab für den sozialen Zusammenhalt in Sachsen“, sagt Lisa Thea Steiner, Mitglied des Landesvorstands der sächsischen Linken.

„Ein Blick nach Mecklenburg-Vorpommern zeigt, wie eine verantwortungsvolle Landesregierung handeln kann. Dort haben SPD und Linke in einer rot-roten Koalition bewiesen, dass eine gerechte und auskömmliche finanzielle Ausstattung der Kommunen möglich ist. Durch kluge Investitionen und eine faire Verteilung der Mittel konnten die Städte und Gemeinden gestärkt werden. Dies muss auch für Sachsen der Weg sein – bevor es zu spät ist.“

Im Papier problematisieren die Linken die veraltete Berechnungsmethode für den Kommunalen Finanzausgleich und den undurchdringlichen Förder-Dschungel, der dazu führt, dass viele Fördergelder gar nicht abgerufen werden, weil Kommunen sich in den bürokratischen Antragstellungen verzetteln, während ihnen pauschale Förderungen sofort helfen würden.

Das Papier kritisiert aber auch die in Teilen falsch verteilten Pflichtaufgaben, die in den Kommunen die Gelder binden, und es fordert ein Ende der Investitionsbremse. Denn die Fördersummen der Regierung sind viel zu klein, was vor allem damit zu tun hat, dass jedes Jahr immer größere Summen in den so genannten „Generationenfonds“ abgezweigt werden, wo sie für die Finanzierung der Gegenwart völlig ausfallen.

Ein Thema, das nach dem Teileinsturz der Carolabrücke in Dresden neue Brisanz gewonnen hat. Solche Brücken, deren Sanierung oder Neubau überfällig ist, finden sich in alle sächsischen Landkreisen. Doch dort stehen sie ebenso als Symbol für eine Finanzpolitik, der die Lebenslagen in den kleinen und großen Kommunen völlig egal zu sein scheint.

„Es ist höchste Zeit für einen radikalen Kurswechsel!“, sagt Lisa Thea Steiner. „Die Zukunft unserer Kommunen und damit die Zukunft unseres Freistaates und des gesellschaftlichen Zusammenhalts im Land steht auf dem Spiel. Wir fordern eine Politik, die nicht länger den Untergang verwaltet, sondern aktiv und mutig gegensteuert und unsere Zukunft gestaltet!“

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