Der letzte sächsische Ministerpräsident, der das Thema Demografie noch ernst genommen hat, hieß Georg Milbradt. Seine Nachfolger interessieren sich nicht wirklich dafür, wie sich die Lebenswelten der Sachsen immer weiter auseinander entwickeln. Sie haben keine Rezepte für die ländlichen Räume. Und die Probleme der Großstädte interessieren sie auch nicht. Schon gar nicht die von Leipzig, wo die Staatsregierung eigentlich gefragt war, endlich einen „angespannten Wohnungsmarkt“ festzustellen.
Doch seit über einem Jahr hat man nur „geprüft“. Wobei zu vermuten ist, dass dahinter nicht wirklich viel Aufwand getrieben wurde. Und legte die Regierung schon 2022 kein Prüfergebnis vor, so deutet jetzt alles darauf hin, dass sie im zweiten Jahr der „Prüfung“ einfach feststellt, dass sie eine angespannte Wohnungsmarktlage so aus der Entfernung einfach nicht festzustellen vermag.
Leipzigs Landtagsabgeordnete Juliane Nagel hat da wohl die berechtigte Befürchtung, dass der zuständige Minister jetzt einfach zu dem Ergebnis kommt, dass es in Leipzig schlicht keine „angespannte Wohnungsmarktlage“ gibt.
Eine ministerielle Feststellung, die dann gravierende Folgen hat. Damit kann die Stadt Leipzig das Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen für Gebäude mit mehr als fünf Wohnungseinheiten nach § 250 Baugesetzbuch nicht anwenden. Immer mehr Wohnungen in Leipzig werden sich also in Eigentumswohnungen verwandeln.
Schon 2021 beantragt
Die Stadt Leipzig hat die Bestimmung eines angespannten Wohnungsmarktes nach § 201a BauGB im September 2021 beim Freistaat beantragt. Das im Juni 2021 in Kraft getretene Baulandmobilisierungsgesetz gibt Kommunen neue Instrumente an die Hand, um Wohnraum zu schaffen. Dazu zählen das erweiterte Vorkaufsrecht, das erweiterte Baugebot oder das erleichterte Abweichen vom Bebauungsplan und die Einschränkung der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen.
Erforderlich hierfür ist allerdings eine Rechtsverordnung des Bundeslandes, in dem die Kommune liegt.
Einfach zu behaupten, in Leipzig sei die Wohnungsmarktlage nicht angespannt, findet Juliane Nagel völlig weltfremd.
„Diese Behauptung zeugt von Ignoranz“, sagt Juliane Nagel, die auch wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag ist. „Denn: Ein massives Problem für Mieterinnen und Mieter in Leipzig ist die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Die Daten des jährlichen Grundstücksmarktberichts belegen das. Diese Umwandlungen sind ein lukratives Geschäft mit dem Gemeinwohl Wohnraum, welche häufig Entmietung, zum Beispiel durch Eigenbedarfskündigung, der häufigste Kündigungsgrund, bedeuten.“
Eine politisch motivierte Verweigerung
Und das wäre nicht das erste Mal, dass die Staatsregierung alle Bemühungen in Leipzig ausbremst, den Mietaufwuchs irgendwie in den Griff zu bekommen.
„Nachdem der Erlass einer Mietpreisbremse verzögert sowie das von uns 2022 beantragte Zweckentfremdungsverbot für die Umwandlung von Miet- in Ferienwohnungen und gegen spekulativen Leerstand abgelehnt wurde, haben wir nun eine Versagung von Schutz für Mieterinnen und Mieter“, stellt die Leipziger Landtagsabgeordnete fest.
„Besonders absurd ist, dass die Kriterien für die Feststellung des angespannten Wohnungsmarktes nach § 201a BauGB dieselben sind wie die in § 556d BGB, der die Mietpreisbremse regelt. Diese Kriterien erfüllt Leipzig. Ebenso die Voraussetzungen für die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen und für soziale Wohnraumförderung.
Mit ihrer gegensätzlichen Behauptung bestreitet die Koalition aus CDU, Grünen und SPD die massiven Probleme auf dem Leipziger Wohnungsmarkt und tritt die Interessen von Mieterinnen und Mietern mit Füßen.“
Für sie ist die Verweigerungshaltung in der sächsischen Regierung reine Machtpolitik: „Die sächsische Entscheidung ist als politisch motiviert. Jetzt heißt es Druck machen gegen die realitätsferne Entscheidung der Kenia-Regierung.“
Es gibt 2 Kommentare
Ist es denn in Leipzig wirklich so, dass überall Mangel an Wohnungen herrscht? Auch in Paunsdorf, Grünau, Anger-Crottendorf, Eisenbahnstraße oder Mockau? Dass ich mich in der Südvorstadt mit 20 anderen total motivierten Mietinteressenten bei einer Besichtigung anstelle ist leider Realität, aber ist das ein Problem der gesamten Stadt, was der Freistaat einsteuern muss?
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Und: Abseits von Investoren, also Firmen, ist doch Wohneigentum nichts Schlimmes. Ich schaue aktuell auch nach Eigentumswohnungen (und stelle fest, dass ich mir keine leisten kann, da über-lebenslange Abzahlung folgte) und würde dann natürlich im Einzelfall auch auf Eigenbedarf plädieren, wenn die Wohnung vermietet ist. Nicht auf Krawall und mit enormen Druck, aber ich suche eine Wohnung zum darin-wohnen. Dafür würde ich natürlich meine Mietwohnung durch den Umzug freimachen und denke, so ein gefordertes Gesetz wäre in so einer Pauschalität gegen nicht nur meine Interessen. Oder hab ich etwas übersehen, und es geht nur um spezielle Fälle von gewerblichen Vermietern?
Und jetzt?
Kann man die Staatsregierung nicht in Grund und Boden klagen?
Untätigkeitsklage bei allem, was länger als sechs Monate dauert, und wenn in unserer Stadtverwaltung ein anderes Rechtsverständnis herrscht, dann gegen die Entscheidung.
Kann so schwer ja nicht sein.