Dass derzeit gerade in Leipzig so hartnäckig für höhere Löhne etwa bei den LVB gestreikt wird, das hat auch mit der sächsischen Kommunalfinanzierung zu tun. Sämtliche Städte und Gemeinden sind unterfinanziert. Dafür sorgt schon eine sächsische Landespolitik nach dem Prinzip der schwäbischen Hausfrau: Nur ja kein Geld ausgeben! Ein Ergebnis: Laut dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG) haben die sächsischen Kommunen das Jahr 2022 mit einem Rekorddefizit von etwa 262 Millionen Euro abgeschlossen.
Viele mussten deshalb teils Kredite aufnehmen. Aber nicht nur die Schuldenstände der Kommunen erzählen von der Unterfinanzierung. Denn nicht gewährte Gelder sorgen auch für unterlassene Investitionen und für Sparbemühungen an allen Ecken. Und die Leipziger Verkehrsbetriebe (LVB) waren über Jahre Objekt exzessiver Sparbemühungen. Das nimmt man im Tagesgeschäft kaum noch wahr.
Aber es macht einen gewaltigen Unterschied, wenn ein Nahverkehrsunternehmen in Leipzig Jahr für Jahr 20 Millionen Euro weniger zur Verfügung hat als eines in Dresden. Das summiert sich. Und es verschiebt die Maßstäbe, wenn über den ÖPNV in einer Stadt wie Leipzig diskutiert wird.
Und die Corona-Jahre haben noch einmal zusätzlich ins Kontor geschlagen. In allen sächsischen Kommunen.
In den kreisfreien Städten, Landkreisen und kreisangehörigen Gemeinden habe sich „die Finanzsituation gegenüber dem Vorjahr deutlich eingetrübt“, so der SSG in einer Meldung vom 26. März.
Kommunen am Limit
„Koalition und Staatsregierung lassen die Kommunen im Regen stehen. Der Freistaat saniert seine Finanzen auf deren Kosten: Kommunale Kredite sind auch für diese Koalition kein Problem, Hauptsache der Landeshaushalt bleibt ,sauber‘!“, kritisiert Mirko Schultze, Sprecher der Linksfraktion für Kommunalfinanzen die fatale Finanzpolitik des Freistaats.
„Die Landkreise fordern dann mehr Geld von ihren kreisangehörigen Gemeinden, die unter anderem wegen der höheren Kreisumlage mitunter Gebühren erhöhen oder freiwillige Leistungen einschränken müssen. Darunter leiden die Bürgerinnen und Bürger.“
„Explodierende Preise für Energie und Investitionsmaßnahmen, steigende Personal- und Sozialausgaben sowie der über viele Jahre aufgelaufene Investitionsstau stellen die Kommunalhaushalte vor gravierende Herausforderungen. Leider werden wir auch im laufenden Haushaltsjahr 2023 keine Entspannung sehen“, kommentierte der Geschäftsführer des SSG, Mischa Woitscheck, am 26. März.
„Eine Vielzahl von Kommunen hat Probleme, überhaupt einen genehmigungsfähigen Haushalt aufzustellen. Da viele Landkreise ihre Kreisumlagen erhöhen, verschlechtert sich trotz steigender Steuereinnahmen und Zuweisungen aus dem kommunalen Finanzausgleich die Haushaltssituation vieler kreisangehöriger Gemeinden. Der vorliegende Kassensturz und der Blick in die Zukunft zeigen, dass unsere Kommunen keinerlei Spielraum für die überzogenen Entgeltforderungen der Gewerkschaften im laufenden Tarifstreit haben.“
Die schwäbische Hausfrau spart lieber
Die Koalition muss die Finanzbeziehungen zwischen Freistaat und Kommunen neu ordnen (Drucksache 7/7219), forderte die Linksfraktion schon in einem 2021 gestellten Antrag im Landtag. Aber an den sächsischen Finanzministern, die mittlerweile über 10 Milliarden Euro im sogenannten Generationenfonds gebunkert haben, beißen sich die Landtagsfraktionen die Zähne aus.
„Zwar ist immer Geld da, aber es reicht nur, um den großen Flächenbrand zu verhindern“, sagt Mirko Schultze. „Trotzdem riecht es wegen vieler Schwelbrände ständig kokelig. Mit gefühlt hunderten undurchsichtigen Förderprogrammen versucht man die kommunale Ebene milde zu stimmen und darüber hinwegzutäuschen, dass zu wenig Geld im System ist. Kleine Kommunen haben aber in aller Regel kein Personal und zu wenige Eigenmittel, um eine Förderung zu erreichen. Geben wir den Kommunen mehr frei verfügbares Geld, über dessen Verwendung sie frei entscheiden können!“
Die Aufgabenverteilung zwischen Land und Kommunen müsse tiefgehend überprüft werden, findet Mirko Schultze. „Dann muss die Staatsregierung mit den Spitzenverbänden über das System der gemeindlichen Sockelfinanzierung, das Finanzmasseverhältnis zwischen Freistaat und Kommunen sowie innerhalb der kommunalen Finanzierungssäulen und über weitere relevante Faktoren entscheiden. Sonst behält der SSG mit seiner Prognose Recht, dass 2023 keine Entspannung bringt.“
Es geht um Kaufkraft
Deutlich widersprechen müsse er freilich dem Sächsischen Städte- und Gemeindetag, wenn dieser die aktuellen Entgeltforderungen der Gewerkschaften als „überzogen“ bezeichne.
„Angesichts der Teuerung streiten die Beschäftigten vor allem für einen Inflationsausgleich – sie wollen nicht mehr Kaufkraft haben, sondern lediglich keine Kaufkraft einbüßen“, sagt Schultze.
„Richtig ist aber, dass der Freistaat den Kommunen dabei helfen muss, die Einkommen zu erhöhen. Es geht hier keineswegs um hochbezahlte Fach- und Arbeitskräfte, sondern um das Kita-Personal, Müllwerkerinnen und Müllwerker, Busfahrerinnen und Busfahrer oder Sachbearbeiterinnen und Sachbearbeiter. Wenn die Kommunen mehr Geld bekämen, wären faire Einkommen kein Problem. Auch die Kaufkraft von Verwaltungsbeschäftigten ist wichtig für die Wirtschaft!“
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