Der sächsische Verfassungsschutz hat mehr als neun Monate nach dem Jahreswechsel seinen Bericht für das Jahr 2020 vorgestellt. Daraus geht hervor, dass die Behörde deutlich mehr Personen als „Rechtsextremisten“ einstuft – was vor allem daran liegt, dass nun auch Mitglieder des AfD-“Flügel“ gezählt werden. Im linken Spektrum sieht der Verfassungsschutz vor allem eine zunehmende Gewaltbereitschaft. Die größte Gefahr gehe dennoch von „Rechtsextremisten“ aus.
Die Anzahl der Personen, die der Verfassungsschutz als „rechtsextremistisch“ einstuft, hat sich deutlich erhöht: von 3.400 im Jahr 2019 auf 4.800 im Jahr 2020. Das liegt vor allem daran, dass nun auch mutmaßliche Mitglieder des ultrarechten AfD-“Flügels“ rund um Björn Höcke mitgezählt werden. In Sachsen sind das etwa 1.400 Personen, schätzt der Verfassungsschutz.In anderen rechtsextremen Organisationen sieht der Verfassungsschutz ein im Vergleich zum Vorjahr stabiles Niveau: bei der NPD rund 250 Personen, beim „3. Weg“ rund 140, bei der „Identitären Bewegung“ rund 40. Rund ein Drittel aller „Rechtsextremisten“ stuft der Verfassungsschutz als gewaltorientiert ein. Die meisten „Rechtsextremisten“ soll es in Dresden, Bautzen und in der Sächsischen Schweiz geben.
Radikalisierung in Chatgruppen
„Vom Rechtsextremismus geht bundesweit und insbesondere auch im Freistaat Sachsen weiterhin die größte Gefahr für unsere freiheitliche demokratische Grundordnung aus“, stellt die Behörde fest. Als problematisch bewertet man vor allem die zunehmende Radikalisierung in Chatgruppen und damit einhergehend die Möglichkeit, schnell und in großer Menge zu bestimmten Anlässen zu mobilisieren.
Stabil bleibt hingegen die Zahl der „Linksextremisten“, die der Verfassungsschutz in Sachsen zählt: 800 Personen; das sind 40 mehr als im Vorjahr. Knapp die Hälfte davon seien Autonome. Während die Zahl der „linksextremistischen Straftaten“ von 1.286 auf 1.084 gesunken ist, hat die Zahl der Gewalttaten deutlich zugenommen: von 117 auf 230. Straftaten würden sich vor allem gegen Polizist/-innen und „Querdenker“ richten. Hausbesetzungen spielten als Anlass eine große Rolle.
Konflikte in Leipzig
Für Leipzig stellt der Verfassungsschutz vor allem hinsichtlich der unterschiedlichen Sichtweisen auf die Gewaltfrage fest: „Bestehende Konflikte zwischen Postautonomen und autonomen Gruppen, zwischen älteren und jüngeren Szeneangehörigen sowie zwischen eher anarchistisch und eher antifaschistisch ausgerichteten Autonomen haben sich weiter verfestigt.“
Zudem notiert die Behörde, dass sich „Linksextremisten“ mehrheitlich an die Corona-Regeln gehalten hätten, „wenngleich eher aus basisdemokratischen Erwägungen und einem gesamtgesellschaftlichen Verantwortungsgefühl heraus und mitnichten aus Respekt vor dem Staat und seiner Verordnungen“.
Reaktionen aus den Parteien
Rico Anton, innenpolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im sächsischen Landtag, fordert, dass „linksextremistische Netzwerke zerschlagen werden“ müssten. Zudem sei die „Mär von der bürgerlichen Alternative“ bei der AfD „einmal mehr Lügen“ gestraft. Kerstin Köditz, Sprecherin für antifaschistische Politik bei der Linksfraktion, kritisiert, dass die Behörde die Corona-Proteste nicht klar am rechten Rand einordne – zumal sie den dort vorhandenen Antisemitismus betont.
Auch Grüne und SPD sehen die größte Gefahr beim „Rechtsextremismus“. SPD-Innenpolitiker Albrecht Pallas begrüßt deshalb, dass Internetaktivitäten noch stärker überwacht werden sollen. Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann fordert die Umsetzung des vom Landtag beschlossenen „Gesamtkonzepts gegen Rechtsextremismus“. Dass sich gezielt Neonazis in Sachsen ansiedeln, müsse stärker in den Blick genommen werden.
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“wenngleich eher aus basisdemokratischen Erwägungen und einem gesamtgesellschaftlichen Verantwortungsgefühl heraus und mitnichten aus Respekt vor dem Staat und seiner Verordnungen“
Das nennt man zivilgesellschaftliches Denken. Die Verfassungsschützer sollten ihr Verstöndnis dringend updaten. Autoritätshörigkeit ist von gestern.