Im Oktober berichteten wir über die massiven Verstöße gegen den Natur- und Artenschutz am Fichtelberg. Damals hoffte der NABU Sachsen noch darauf, dass die zuständigen Behörden einlenken und die Naturschutzgesetzgebung umsetzen. Doch dem war nicht so. In Sachsen ist Naturschutz bislang nur ein Feigenblatt. Wenn es um privatwirtschaftliche Interessen geht, wird er auch von zuständigen Behörden gern ignoriert und außer Kraft gesetzt.

Der Widerspruch, den der NABU Sachsen im Oktober 2019 gegen die Entscheidung des Landratsamtes Erzgebirge zur naturschutzrechtlichen Befreiung für den Bau und den Betrieb der sogenannten Fly-Line am Fichtelberg eingelegt hat, wurde abgelehnt – und der NABU Sachsen zieht daraus jetzt seine Konsequenzen.

„Da bei diesem Vorhaben von vornherein keinerlei Rücksicht auf Natur- und Artenschutzbelange genommen wurde, sehen wir keinen anderen Weg mehr, als vor Gericht zu gehen“, sagt Bernd Heinitz, Landesvorsitzender des NABU Sachsen. Erhoben hat die Klage Rechtsanwalt Andreas Lukas von der Kanzlei Baumann Rechtsanwälte vor dem Verwaltungsgericht Chemnitz.

Die Trasse für die Fly-Line liegt im Landschaftsschutzgebiet „Fichtelberg“, welches das einzige Brutgebiet der Ringdrossel (Turdus torquatus) in Sachsen ist. Ihr Bestand wird auf fünf bis sieben Brutpaare geschätzt. Seit vielen Jahren engagieren sich ehrenamtliche Naturschützer um deren Erhalt.

Der Singvogel ist geschützt nach der Vogelschutzrichtlinie Anhang 1 und streng bzw. besonders geschützt nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Auf der Roten Liste der Brutvögel Sachsen ist die Ringdrossel als „vom Aussterben bedroht“ verzeichnet. Dennoch fand die artenschutzrechtliche Beurteilung erst nach Baubeginn statt – weshalb keine Exemplare der Ringdrossel mehr gefunden wurden.

Das Vorgehen kennen Sachsens Naturschützer auch von anderen Bauprojekten. Es werden einfach Tatsachen geschaffen, die Biotope werden beräumt, die eigentlich geschützten Tiere und Pflanzen sind nicht mehr aufzufinden, wenn Biologen die beräumte Fläche dann untersuchen.

In Zeiten des umfassenden Artensterbens wird das umso dramatischer, weil so auch noch die verbliebenen Rückzugsräume jener Tiere und Pflanzen verschwinden, die in der übernutzten Landschaft keine Überlebensmöglichkeiten mehr finden. Und das wie in diesem Fall für ein menschliches Spaßprojekt, das auch noch Waldgebiete verlärmt, die vorher relativ geschützt waren.

Der NABU Sachsen hatte nur zufällig von dem bereits realisierten Vorhaben erfahren, die erforderliche Beteiligung von Natur- und Umweltschutzverbänden war nicht erfolgt. Eine erste Sichtung der gesendeten Unterlagen brachte aus anwaltlicher Sicht gravierende Verfahrensmängel ans Tageslicht. So ist die Baugenehmigung gemessen an den gesetzlichen Vorgaben für eine Außenbereichsbebauung rechtswidrig.

Denn diese erfüllt die naturschutzrechtliche Eingriffsregelung nicht, die besagt, dass Beeinträchtigungen von Natur und Landschaft durch geeignete Maßnahmen auszugleichen oder zu ersetzen sind. Gleiches gilt für die naturschutzrechtliche Befreiung, die pauschal erteilt wurde etwa ein halbes Jahr nach Erteilung des Baugenehmigungsbescheids und ca. vier Monate nach Baubeginn ohne Beteiligung der anerkannten Naturschutzvereinigungen – dies ist auch der Punkt, gegen den der NABU nun Klage erhoben hat.

Die Summe der Rechtsverstöße hat den NABU vor einem halben Jahr bewogen, Rechtsmittel gegen die Entscheidungen des Landratsamtes Erzgebirgskreis einzulegen. In einem ersten Schritt wurde beantragt, die naturschutzrechtliche Genehmigung für das Vorhaben aufzuheben, was nicht geschehen ist. Auch das Gespräch mit dem NABU wurde in der Zwischenzeit leider nicht gesucht.

„So blieb uns nichts anderes übrig, als Klage einzureichen. Erst bauen, dann prüfen, ist die falsche Reihenfolge“, sagt Bernd Heinitz.

Die Fly-Line am Fichtelberg wurde unter lauter Verstößen gegen den Natur- und Artenschutz gebaut

Die Fly-Line am Fichtelberg wurde unter lauter Verstößen gegen den Natur- und Artenschutz gebaut

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