Es ist noch gar nicht so lange her, da hatte der damalige sächsische Innenminister Markus Ulbig (CDU) tatsächlich vor, die sächsische Polizei auf 12.000 Bedienstete herunterzuschrumpfen. Das Projekt nannte er „Polizeireform 2020“. Und der Freistaat leidet bis heute darunter. Den vom Schreibtisch aus geplanten Abbau stoppte erst das Beharren der SPD, die 2014 als Junior in die Regierung kam, den tatsächlichen Personalbedarf der Polizei zu ermitteln. Jetzt meldet Innenminister Roland Wöller (CDU), dass Sachsen eigentlich noch mehr Polizist/-innen braucht.

Am Dienstag, 28. Januar, hat er dem Kabinett in Dresden den Bericht zur Fortschreibung der Fachkommission zur Evaluierung der Polizei des Freistaates Sachsen vorgelegt. Das rund 150 Seiten umfassende Papier beschäftigt sich mit der Analyse der Umsetzung der Ergebnisse der Fachkommission aus dem Jahr 2015. Dabei wurden insbesondere die polizeiliche Lageveränderung, wesentliche Rahmenbedingungen sowie die Personalausstattung und Organisationsstruktur bei der Polizei in Sachsen überprüft.

Die Fachkommission hatte ja schon im ersten Schritt als Arbeitsergebnis dargelegt, dass Sachsen mindestens 13.000, eher sogar 14.000 Polizeibeamte braucht, wenn die Polizei überhaupt noch ihre Arbeit irgendwie erfüllen will. Daraufhin wurden die Ausbildungskapazitäten deutlich angehoben. Die neu ausgebildeten Polizist/-innen kommen jetzt nach und nach in ihre Dienststellen.

Aber 14.000 könnten auch noch zu knapp sein, stellt die Expertengruppe jetzt fest.

Eine wesentliche Empfehlung des Untersuchungsberichtes ist es, jährlich weiterhin 700 Bewerber für den Polizeidienst einzustellen. Um Sachsen gar zu einem der sichersten Bundesländer zu entwickeln, sei die Schaffung von insgesamt 840 weiteren Personalstellen unter anderem im Vollzugsdienst, im IT-Bereich, der Aus- und Fortbildung sowie Verwaltung erforderlich. Unter Beibehaltung des Einstellungskorridors könnte die Besetzung der neuen Stellen bis 2026 abgeschlossen sein.

„Ich begrüße die Empfehlung der Expertengruppe zu mehr Polizei in Sachsen. Oberste Priorität hat die Gewährleistung von Sicherheit und Ordnung im Freistaat“, sagte Innenminister Prof. Roland Wöller im Rahmen der öffentlichen Vorstellung des Berichts am Dienstag. „Angesichts neuer Bedrohungs- und Gefährdungslagen durch Terror, Extremismus aber auch Cyberkriminalität muss eine Sicherheitsbehörde wie die sächsische Polizei den aktuellen Entwicklungen Rechnung tragen. Nur so ist es möglich, Gefahren abzuwehren, Straftätern effektiv zu begegnen und die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes zu schützen.“

Das hat er schön gesagt. Aber gerade der Verweis auf Terror und Cyberkriminalität zeigt eben auch, wo Sachsens Polizei in den vergangenen Jahren deutlich unterbesetzt war. Und wo auch dringend aufgestockt werden muss. Denn Kriminelle aller Art nutzen das Internet längst professionell, um ihre Taten durchzuführen.

Und bestätigt sieht sich logischerweise die SPD, die 2014 erst einmal richtig Druck machen musste, damit die CDU ihr Polizei-Spar-Programm beendete und endlich wieder dazu überging, so viele Polizisten auszubilden, wie sie im Freistaat tatsächlich gebraucht werden (und parallel auch die diversen unsinnigen Personalkürzungen in den anderen Ministerien zu stoppen).

Die SPD will dranbleiben am Thema, betont Albrecht Pallas, innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag: „Wir werden uns dafür einsetzen, dass künftig routinemäßig vor jedem Haushaltsbeschluss der Personalbedarf bei der Polizei genau und aufgabenbezogen ermittelt wird – so, wie es die Fachkommission jetzt empfohlen hat. Das muss kontinuierlich geschehen. Nur so kann zügig auf Entwicklungen reagiert und die Polizei auch in Zukunft den Anforderungen gerecht werden. Wir dürfen nie wieder in die Situation kommen, dass Planung und Wirklichkeit so weit auseinanderdriften, wie es in Sachsen bis 2014 der Fall war.“

Und überrascht ist er von der neuen Einschätzung, dass deutlich mehr Polizist/-innen gebraucht werden, auch nicht. „Die neue Analyse der Fachkommission Polizei zum künftigen Stellenbedarf entspricht unseren Erwartungen. Sie hat den auf Initiative der SPD-Fraktion erarbeiteten Bericht der ersten Fachkommission aus dem Jahr 2015 bestätigt und einen darüber hinausgehenden Stellenbedarf festgestellt.“

„Um Sachsen zu einem der sichersten Bundesländer zu machen – wie es auch im Koalitionsvertrag als Ziel formuliert ist – braucht der Freistaat laut Bericht in absehbarer Zeit ca. 14.900 Stellen bei der Polizei“, stellt Pallas fest. „Es ist also richtig, dass seit 2015 deutlich mehr Polizistinnen und Polizisten ausgebildet und eingestellt werden. Diesen Weg müssen wir fortsetzen, bis der Bedarf gedeckt ist. Schon in der Debatte um den Stopp des Personalabbaus bei der Polizei vor fünf Jahren hat sich die SPD-Fraktion dafür starkgemacht, die Aufgaben der Polizei von der Verbrechensbekämpfung bis zur Verkehrssicherheit genau unter die Lupe zu nehmen. Wir müssen uns dabei an den sichersten Bundesländern messen, nicht am Mittelmaß.“

Und auch Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, begrüßt, dass die sächsische Polizeiarbeit jetzt mit realistischen Bedarfen untersetzt ist.

„Der Bericht ist eine gute Grundlage für die politische Diskussion über die Polizeistellen über das Jahr 2024 hinaus. In der Fortschreibung dieses Ansatzes kommt die Kommission auf einen Bedarf von 13.190 Stellen als unteres Minimum. Gleichzeitig gibt sie eine Prognose ab: sollte Sachsen das politische Ziel haben, zu einem der sichersten Bundesländer zu werden, ergäbe sich ein Gesamtpersonalbedarf von 14.917 Stellen.

Mit Blick auf die vom Haushaltsgesetzgeber beschlossene Zielzahl von 14.077 Polizistinnen und Polizisten, ist es nun die Aufgabe von Staatsregierung und Parlament in Auswertung des Berichtes fundiert über die weitere konkrete Entwicklung der Polizeistellen über 2024 hinaus zu debattieren“, findet Lippmann.

Und hat auch die zentrale Aussage nicht überhört: „Die Koalition hat sich vereinbart, Sachsen zu einem noch sichereren Land zu machen. Ohne eine politische Bewertung vorwegzunehmen, kann ich konstatieren, dass die Weichen für eine gute Polizeiarbeit mit dem hohen Einstellungskorridor von 700 Anwärterinnen- und Anwärterstellen gestellt sind. Diesen Weg gilt es weiter gemeinsam fortzusetzen. In den nächsten Jahren gilt es vor allem neben den Bedarfen im Polizeivollzugsdienst, der Präsenz in der Fläche auch die Bedarfe im Bereich der Polizeiverwaltung und der Verkehrspolizei abzusichern.“

Die Untersuchungen und Analysen fanden im Zeitraum von März bis Dezember 2019 statt. Die Mitglieder der siebenköpfigen Expertengruppe waren Ministerialrat René Demmler (Vorsitz), Polizeipräsident Dirk Lichtenberger (Bereitschaftspolizei Sachsen), Carsten Kaempf (Rektor der Hochschule der Sächsischen Polizei), Prof. Dr. Wolfgang Voß (Finanzminister des Freistaates Thüringen a. D.), Prof. Dr. Marcel Thum (TU Dresden, Leiter des ifo Institutes für Wirtschaftsforschung Dresden), Prof. Dr. Tom Thieme (Hochschule der Sächsischen Polizei) u

nd Erik Berger (Vorsitzender des Polizei-Hauptpersonalrates).

Die Expertengruppe ist auf Beschluss des sächsischen Kabinetts im Jahr 2018 einberufen worden. Zuvor hatte eine Fachkommission im Jahr 2015 die Polizei Sachsen bereits im Hinblick auf Personal- und Sachausstattung sowie Struktur untersucht. Im Ergebnis dessen wurden unter anderem bereits 1.000 neue Stellen bei der sächsischen Polizei geschaffen.

Bis heute hat Leipzig 200 Polizisten zu wenig

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