Wie weiter mit dem Flughafen Leipzig/Halle? Das war ja auch zur Sachsenwahl im September ein Thema im Leipziger Nordwesten. Wird die nächste Staatsregierung die Fluglärmbelastung weiter ansteigen lassen und immer mehr Frachtverkehr am Flughafen ansiedeln? So richtig eindeutig sind die Passagen dazu im Koalitionsvertrag von CDU, SPD und Grünen nicht.
Denn ein weiterer massiver Flughafenausbau kann sich auch hinter so einem Satz verstecken: „Wir wollen, dass die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden weiterhin eine besondere Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates Sachsen spielen.“
Das hätte so eigentlich nicht auftauchen müssen, wenn sich die drei verhandelnden Parteien wirklich auf eine nachhaltige Verkehrspolitik für Sachsen hätte einigen können. Die klingt ja durchaus an im Kapitel „Güterverkehr und Logistik“: „Wir wollen dafür sorgen, dass zukünftig mehr Güter auf der Schiene transportiert werden. Dazu werden wir Instrumente, wie z. B. die Rollende Landstraße, Railports und die Funktion der Güterverkehrszentren stärken. Um das Ziel der Verkehrsverlagerung zügiger zu erreichen, nutzen wir auch die Möglichkeiten der Digitalisierung.“
Reicht das? Das Thema „Rollende Straße“ benennt man zumindest noch extra: „Durch die Einrichtung einer ,Rollenden Landstraße‘ und mit Unterstützung des Speditionsgewerbes wollen wir die sächsischen Autobahnen entlasten und Güterverkehr auf die Schiene verlagern.“
Alte Gleise wieder ans Netz
Dabei war den Verhandlern durchaus bewusst, dass Sachsen dasselbe Problem hat wie alle anderen Bundesländer auch: Die Bahn hat in den vergangenen 28 Jahren auch viele Gleisstrecken stillgelegt, über die der Gütertransport die vom Personenverkehr genutzten Routen hätte umfahren können.
Deswegen taucht erstmals im Koalitionsvertrag auch so ein Passus auf: „Streckenreaktivierungen. Zur besseren Verknüpfung des ländlichen Raums mit den Ballungszentren wollen wir die Reaktivierung/Wiederinbetriebnahme entwidmeter und abbestellter Bahnstrecken mit Hilfe einer Potenzialanalyse prüfen. Die bereits begonnenen Überprüfungen zur Reaktivierung von Bahnlinien werden auf Grundlage vorliegender Potenzialanalysen zeitnah abgeschlossen. Generell sollen Strecken mit erfolgreicher Potenzialanalyse wieder zügig befahren werden.“
Die Schaffung eines ÖPNV-Systems, das wieder 80 Prozent der Sachsen einen nahen und gut vertakteten Zugang zum ÖPNV gewährleisten soll, trifft sich hier eigentlich mit dem wichtigsten Transportsystem der Zukunft. Und das kann nicht das kerosinverbrennende und umweltbelastende Flugzeug sein.
Watteweiche Versprechen zum Flughafen
Der Flughafen Leipzig/Halle gehört nicht nur zu den lautesten, sondern auch zu den schmutzigsten Flughäfen Deutschlands.
Die Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“ hat ja jüngst erst wieder vorgerechnet, wie viel CO2 allein am Flughafen erzeugt wird. Der Grund ist simpel: Gerade unter den Frachtflugzeugen befinden sich viele alte und laute Flieger.
„Der im Umkreis von wenigen Kilometern an Flughäfen durch Starts/Ladungen verursachte CO2-Ausstoß wird nach international gültigen Emissionswerten/Flugzeug erfasst und ausgewiesen (LTO Zyklus)“, schreibt Matthias Zimmermann, Pressesprecher der Bürgerinitiative „Gegen die neue Flugroute“.
„Dieser CO2-Ausstoß steigt aufgrund der Frachtflugentwicklung am Flughafen Leipzig/Halle seit Jahren dramatisch an und betrug im Jahre 2018 130.000 Tonnen. Das entspricht einem Klimaschaden von 23,4 Millionen Euro (Kostensatz von 180 Euro/Tonne CO2 ) oder etwa dem Abgasausstoß von 90.000 Mittelklasse PKWs bei einem angenommenen CO2-Ausstoß von 1,5 Tonnen/Jahr. Zum Vergleich: In Leipzig waren im Jahre 2018 225.000 PKWs zugelassen.“
Warum gerade in Leipzig so viele alte und laute Flugzeuge starten und landen, erklärt er auch: „Wie ersichtlich hat Leipzig den höchsten CO2-Ausstoß nach LTO-Zyklus aller deutschen Flughäfen. Z. B. liegt dieser um 60 % über dem von Hamburg und Berlin. Die Ursache: Es gibt keine Vorgaben/Restriktionen zum Emissionsschutz (Lärm und Schadstoffe) und Gesundheitsschutz (z. B. Nachtflug). Ein weiterer Grund ist, dass es im Unterschied zu den anderen Flughäfen in Deutschland am LEJ keine signifikanten lärm- und schadstoffabhängen Entgelte gibt. So kosten z. B. Start/Landung einer AN 124 in Frankfurt/Main 43.700 €, während in Leipzig die russischen bzw. ukrainischen Fluggesellschaften nur 6.200 € bezahlen müssen.“
Da klingen dann die Versprechungen aus dem Koalitionsvertrag eher vage.
„Wir verstärken an den Luftfahrtstandorten die Bemühungen zur Reduktion von CO2-2622 Emissionen und Lärmemissionen im Luftverkehr. Wir unterstützen die Bemühungen um eine weitgehende Abschaffung der kurzen Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle. Wir wollen Lärm- und Schadstoffe durch den Einsatz emissionsarmer Fahrzeuge mit alternativen Antrieben und Kraftstoffen am Boden reduzieren.“
Mehr ÖPNV und Radverkehr
Dabei wäre eine Anpassung der Start- und Landegebühr an Emissionen und Lärm des Flugzeugtyps direkt zielführend. Denn da Flughäfen wie Frankfurt sich so die ganzen besonders lauten Flieger vom Hals schaffen, landen die verstärkt in Leipzig/Halle, das gerade durch diese Niedrigpreis-Politik zum zweitgrößten Frachtflughafen Deutschlands geworden ist. Auf die Startgebühren hätte der Flughafeneigner Sachsen durchaus Einfluss.
Aber in Sachen Fliegerei ist Sachsen noch lange nicht im Zeitalter der Verkehrswende angekommen. Das beschränkt sich im Koalitionsvertrag durchaus auf vermehrte Anstrengungen im ÖPNV und das Versprechen: „Wir werden die Voraussetzungen dafür schaffen, den Anteil der in Sachsen mit dem Fahrrad zurückgelegten Wege bis zum Jahr 2025 zu verdoppeln.“
Ein Instrument dafür: „Wir werden das Anliegen des Radverkehrs in der Verwaltung besser abbilden. Mit zusätzlichen Personalmitteln für qualifiziertes Personal werden wir das sächsische Verkehrsministerium und seine Straßenbauverwaltungen deutlich aufstocken. Wir werden ein Referat Nahmobilität sowohl beim zuständigen Fachministerium als auch beim LASuV einrichten und die radspezifischen Planungskapazitäten erhöhen.“ Und: „Die kommunale Radverkehrsförderung werden wir finanziell deutlich besser ausstatten.“
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Update, 4. Dezember: Die Stellungnahme von Matthias Zimmermann, Sprecher der Bürgerinitiative “Gegen die neue Flugroute”
Abschaffung der kurzen Südabkurvung schafft es in den Koalitionsvertrag der künftigen sächsischen Regierung
“Der verpflichtende Kampf gegen Fluglärm und CO2-Ausstoss an Flughäfen erreicht nun endlich auch die sächsische Landesregierung. War bei den Alt-Koalitionären CDU und SPD der uneingeschränkte Ausbau des Frachtflughafens Leipzig-Halle landespolitisch noch gesetzt, schlägt der bei den Kenia-Koalitionären zur Abstimmung stehende Vertrag andere Töne an.
Zunächst ist sowohl im wirtschafts- und verkehrspolitischen Teil als auch beim Umwelt- und Naturschutz festgeschrieben “Wir unterstützen die Bemühungen um eine weitgehende Abschaffung der kurzen Südabkurvung am Flughafen Leipzig/Halle.” Wirtschafts- und Umweltministerium werden künftig an einem Strang ziehen (müssen), den Bundestagsbeschluss zur Abschaffung der kurzen Südabkurvung endlich durch- bzw. umzusetzen.
Und endlich sind Forderungen zur gleichmäßigen Bahnverteilung und Spreizung der Start- und Landeentgelte nicht nur Wahlversprechen einzelner Landtagsabgeordneter, sondern Regierungsprogramm. Über den Antrag der heiligen Kuh DHL und des Flughafens Leipzig/Halle zur Aufweichung des Verbotes nächtlicher Triebwerksprobeläufe im Freien, braucht sich die künftige Landesregierung nun eigentlich auch nicht mehr den Kopf zu zerbrechen – die Marschrichtung ist im Koalitionsvertrag vorgegeben und lautet NEIN bzw. keine Erlaubnis für nächtliche Triebwerksprobeläufe.
Bemerkenswert auch die Formulierung auf Seite 52 “Wir wollen, dass die Flughäfen Leipzig/Halle und Dresden weiterhin eine besondere Rolle für die wirtschaftliche Entwicklung des Freistaates Sachsen spielen.” Im letzten Koalitionsvertrag sprach man noch vom Ausbau des weltweiten Frachtflugverkehrs am Flughafen Leipzig/Halle und verklausulierte die bundesweit billigsten Start- und Landeentgelte und die uneingeschränkte Nachtflugerlaubnis für sämtliche Transportflugzeuge am LEJ als “fairen Wettbewerb”.
Ein dauerndes Ärgernis für die Bürgerinitiativen, einen Großteil der Gemeindevertreter und natürlich der Stadt Leipzig insgesamt, die unausgeglichene Zusammensetzung der Fluglärm-kommission, soll nun ebenfalls auch aus dem Weg geräumt werden. Eine wirklich paritätische Zusammensetzung der Fluglärmkommission ist eigentlich eine Selbstverständ-lichkeit (wie im Übrigen auch ein unabhängiger Fluglärmschutzbeauftragter), bisher wurde eine solche jedoch unter CDU und SPD nie in Angriff genommen.”
Kenia-Koalition: Das kleine Wörtchen „schrittweise“ beim Kohleausstieg und der Bremsabstand für die Windkraft
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