Am Donnerstag, 1. August, fand es tatsächlich statt, das Moritzburger Treffen von Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) mit seinen Kolleg/-innen aus unionsgeführten Landwirtschaftsministerien. Sie kamen deshalb nach Sachsen, weil Sachsen besonders von den aktuellen Waldverlusten betroffen ist. Da erstaunt es schon, dass auf einmal eine nachhaltige Waldbewirtschaftung Priorität haben soll.
Denn genau die war bislang in Sachsen überhaupt nicht opportun. Auch beim Waldumbau, dessen Notwendigkeit Schmidts Vorgänger schon vor 30 Jahren erkannt hatten, hat Sachsen lieber auf forstwirtschaftliche Methoden gesetzt und die Forderungen nach geschützten Waldgebieten lieber kleingehalten. Nicht einmal Naturschutzgebiete wie der Leipziger Auenwald blieben vor den forstwirtschaftlichen Eingriffen verschont. Der nächste Forstwirtschaftsplan des Leipziger Stadtförsters liegt schon zum Beschluss für den Stadtrat bereit. Obwohl selbst der Förster zugibt, dass seine Neupflanzungen auf den freigeschlagenen Waldflächen erhebliche Baumverluste zu verzeichnen haben. Aber umdenken will er sichtlich nicht.
Schmidts Ministerium betitelte seine Meldung zur in Moritzburg verabschiedeten Erklärung zwar mit der Zeile „800 Millionen Euro für den deutschen Wald!“. Aber das Geld gibt es noch gar nicht. Die Minister/-innen können ja nur appellieren, aber nichts beschließen.
Den Appell unterfütterten sie natürlich wieder mit dramatischen Schilderungen. Denn es ist ja Fakt: Der in den vergangenen 150 Jahren angelegte Nadelholz-Nutzwald kann den aktuellen Entwicklungen des Klimas nichts entgegensetzen. Er kann mit lang anhaltender Trockenheit und Hitze nicht fertigwerden.
„Der verheerende Borkenkäferbefall führt derzeit zum Absterben ganzer Wälder. Die Holzpreise sind im Keller. Nicht nur private, sondern auch kommunale und staatliche Waldbesitzer sind mit ihren Ressourcen an ihren Grenzen angelangt. Sie alle brauchen deshalb dringend Unterstützung, wenn wir Wälder mit wichtigen Funktionen für Trinkwasser-, Hochwasser-, Natur- und Klimaschutz und für die Erholung der Menschen nicht verlieren wollen“, sagte Staatsminister Schmidt am Donnerstag.
Und auch Bundesministerin Julia Klöckner war angereist und betonte: „Die Bilder der Waldschäden, ob durch Trockenheit, Waldbrand oder Borkenkäfer zeigen: Wir stehen vor einer immensen Aufgabe, die wir alle gemeinsam – Bund und Länder – angehen müssen. Gebraucht wird schnelle, pragmatische Hilfe beim Abtransport von Schadholz und bei der Wiederaufforstung. Das Ziel ist nicht nur die entstandenen Freiflächen wieder zu bewalden, sondern den Wald an den Klimawandel anzupassen. Wir brauchen Mischwälder und Bäume, die an den jeweiligen Standort angepasst sind. Dabei hilft auch unsere Forschung. Ich habe das Thema auf die politische Tagesordnung gehoben. Für die Moritzburger Erklärung danke ich Sachsen und den weiteren vier Länderministern. Sie bestärkt mich darin, die langfristige Anpassung unserer Wälder an den Klimawandel voranzutreiben. Für September lade ich zu einem ‚Nationalen Waldgipfel‘ ein. Nur mit vereinten Kräften können wir unseren Wald retten: Für uns und für die nachfolgenden Generationen.“
Da schwebt ihr etwas seltsamer Vorschlag von riesigen Neuanpflanzungen im Raum.
Aber der „Masterplan für Deutschlands Wälder“ umfasst Vorschläge zu sechs Themenkomplexen. Und gleich der erste lautet: „Klimaschutz durch nachhaltige Waldbewirtschaftung“.
Den Punkt einmal komplett zitiert: „Der nachhaltig bewirtschaftete Wald leistet einen wichtigen Beitrag als Kohlenstoffsenke. Neben der Produktion von Biomasse tragen langlebige Holzprodukte zur Kohlenstoffbindung sowie durch Substitutionseffekte zur Vermeidung von Emissionen bei. Daher ist eine nachhaltige multifunktionale Waldbewirtschaftung aktiv betriebener Klimaschutz und bietet insbesondere der Bevölkerung in den ländlichen Regionen eine Vielzahl von Arbeitsplätzen.“
Man kann nur hoffen, dass das mit den „langlebigen Holzprodukten zur Kohlenstoffbindung“ wirklich langlebig gemeint ist. Nämlich im Erhalt des existierenden Laubwaldes, um nur den Leipziger Auenwald zu nennen. Der ja nicht das einzige Naturschutzgebiet in Sachsen ist. Aber bislang stehen nur 0,5 Prozent der sächsischen Waldfläche für einen kompletten Bestandsschutz zur Verfügung. Die Grünen kämpfen um 2 Prozent. Denn wenn die Forstplantagen aus Nadelholz vom Borkenkäfer gefressen werden, ist es umso wichtiger, dass die Laub- und Mischwälder nicht noch weiter geplündert werden. Der beste Waldschutz ist tatsächlich, solche mehrfach geschützten Waldgebiete unangetastet zu lassen und ihr eigenes biologisches Gleichgewicht finden zu lassen.
Der Punkt steht zwar an erster Stelle in der Moritzburger Erklärung. Aber inhaltlich scheinen sich die Unionsminister/-innen dann doch wieder mehr mit der forstwirtschaftlichen Lösung des Problems beschäftigt zu haben.
Was Wolfram Günther, Vorsitzender der Grünen im Landtag, noch vor Veröffentlichung der „Moritzburger Erklärung“ so befürchtet hatte: „Der dringende Handlungsbedarf wird allen klar, die mit offenen Augen durch unsere Wälder gehen. Es müssen sich alle bundesweit für Forst zuständigen Minister zusammensetzen, um Lösungen zu finden. Die Idee, sich jetzt nur mit Unionsvertretern zu treffen, zeigt, dass es Minister Schmidt weniger um den Wald und mehr um den Wahlkampf geht. Der Wald eignet sich nicht für Wahlplakate. Trockenheit, Schädlingsbefall und Stürme bedrohen massiv den Baumbestand. Um diesen Herausforderungen zu begegnen, braucht es einen ganzheitlichen Ansatz. Der Waldumbau mit arten- und strukturreichen Mischwäldern muss mit deutlich mehr Engagement vorangetrieben werden.“
Aber auch die „Moritzburger Erklärung“ atmet den Geist der klassischen Forstwirtschaft, die Wald vor allem wiederaufforsten und umbauen möchte, aber keinen Sinn hat für die natürliche Entstehung von artenreichen Wäldern.
Auch Ministerpräsident Michael Kretschmer, der an dem Treffen teilnahm, betonte die technokratische Sicht auf das „Problem Wald“: „Wir werden die Waldbesitzer auch weiterhin nicht alleinlassen in dieser prekären Lage. Unser Ziel ist es, 50 Millionen neue Bäume bis 2030 im Freistaat Sachsen zu pflanzen. Damit leisten wir einen echten Beitrag zur CO2-Bindung und schützen aktiv das Klima. Aber die Bundesländer können die notwendige Hilfe nicht ohne eine deutliche Unterstützung des Bundes leisten. Gemeinsam wollen wir das grüne Gold Sachsens und Deutschlands mehren.“
Und auch Schmidt klingt so, wenn er sagt: „Der ohnehin laufende Waldumbau muss noch mehr als bisher auf das sich ändernde Klima ausgerichtet sein. Dabei sind wir auch auf die intensive Forschung angewiesen. Nur so können wir dem deutschen Wald aus der Krise helfen und ihn zukunftsfest machen.“
Selbst die IG BAU fordert eine andere Waldpolitik in Sachsen
Selbst die IG BAU fordert eine andere Waldpolitik in Sachsen
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