8,8 Millionen Euro – das hört sich nach einer Menge Geld an. Die Abgeordneten des sächsischen Landtages haben in der abgelaufenen Legislaturperiode meldepflichtige Einkünfte von mindestens 8,8 Millionen Euro erhalten. Knapp ein Viertel der sächsischen Parlamentarier/-innen (31 von 126) führen bezahlte Nebentätigkeiten auf. Das berichtet die Transparenzorganisation abgeordnetenwatch.de, die die Selbstauskünfte der Volksvertreter/-innen auf der Internetseite des Landtages ausgewertet hat. abgeordnetenwatch.de kritisiert dabei, dass sich aus den Nebentätigkeiten zum Teil massive Interessenkonflikte ergeben können.
Abgeordnetenwatch.de-Sprecherin Léa Briand zum Vorwurf: „Aus den Nebentätigkeiten einiger Landtagsabgeordneter ergeben sich zum Teil massive Interessenkonflikte. Wenn ein Landwirt geschäftliche Beziehungen zur Lebensmittel- und Futtermittelindustrie unterhält und gleichzeitig im Agrarausschuss des Landtages sitzt, kann er bestimmte Entscheidungen nicht unbefangen treffen.“
Agrarausschuss? Ist das jenes Gremium, das seit Jahren verhindert, dass die ökologische Landwirtschaft wächst, die Massentierhaltung eingeschränkt und die massenhafte Ausbringung von Herbiziden, Gülle und Dünger gebremst wird?
Für die CDU sitzen gleich zwei landwirtschaftliche Schwergewichte genau in diesem Ausschuss. Von Interessenkonflikten kann da keine Rede mehr sein. Hier machen die Vertreter der industrialisierten Landwirtschaft für sich selbst Politik.
Der bekannteste ist der CDU-Landtagsabgeordnete und Landwirt Georg-Ludwig von Breitenbuch. Er meldete auch gleich noch die höchsten Einkünfte eines Abgeordneten in dieser Legislaturperiode mit mindestens 3,1 Millionen Euro. Als Landwirt, so erklärte von Breitenbuch auf Anfrage von abgeordnetenwatch.de, müsse er die Umsätze seines Betriebes angeben. Von den Beträgen, die auf der Website des Landtags erscheinen, müssten also noch die Kosten, wie Gehälter etc., abgezogen werden. Er ist Besitzer des Gutes Sahlis, bekommt aber auch ein Vorstandsgehalt bei der Agrargenossenschaft eG „Kohrener Land“. „Stufe 1“ hat er dort angegeben.
Das Sächsische Abgeordnetengesetz definiert die zu meldenden Nebeneinkünfte so: „Die Stufe 1 erfasst einmalige oder regelmäßige monatliche Einkünfte in einer Größenordnung von 1.000 bis 3.500 Euro, die Stufe 2 Einkünfte bis 7.000 Euro, die Stufe 3 Einkünfte bis 15.000 Euro, die Stufe 4 Einkünfte bis 30.000 Euro, die Stufe 5 Einkünfte bis 50.000 Euro, die Stufe 6 Einkünfte bis 75.000 Euro, die Stufe 7 Einkünfte bis 100.000 Euro, die Stufe 8 Einkünfte bis 150.000 Euro, die Stufe 9 Einkünfte bis 250.000 Euro und die Stufe 10 Einkünfte über 250.000 Euro.“
abgeordnetenwtch.de: „Damit Abgeordnete eben nicht auf Nebeneinkünfte angewiesen sind, bekommen sie Diäten und weitere Zulagen. Der Sächsische Landtag stattet seine Abgeordneten darum finanziell gut aus: Insgesamt haben sie mindestens 9.757 Euro brutto pro Monat, um ihren Pflichten als gewählte Volksvertreter/-innen nachzukommen. Aus diesen Diäten finanzieren sie wiederum ihre Wahlkreisarbeit und Bürgerbüros. Die Diäten sollen Unterhalt und Unabhängigkeit der Abgeordneten sichern.“
Andererseits ist es wichtig, dass Abgeordnete nicht den Kontakt zur realen Wirtschaftswelt verlieren. Manche sind ja nur kurz in der Politik, kehren dann meist in ihre vorherige Tätigkeit zurück. Andere üben die Tätigkeit auch während ihrer Zeit im Landtag weiter aus – vor allem Selbstständige.
Das zweite landwirtschaftliche Schwergewicht im Agrarausschuss ist übrigens Andreas Heinz, der Landwirtschaft im Nebenerwerb betreibt. Er gab mindestens 326.500 Euro im Nebenerwerb an und landet damit – wie von Breitenbuch – in den Top 10 der Angeordneten mit Nebeneinkünften.
Zusätzlich zu tatsächlichen oder möglichen Interessenkonflikten sieht abgeordnetenwatch.de auch den zeitlichen Aspekt bei Nebentätigkeiten kritisch. Léa Briand: „Das Abgeordnetenmandat ist eine Vollzeittätigkeit. Bürgerinnen und Bürger sollten deswegen die bezahlten Nebentätigkeiten ihrer Abgeordneten kritisch hinterfragen.“
Die zweithöchsten Nebeneinkünfte gab übrigens der Leipziger Roland Pohle (CDU) mit mindestens 2,9 Millionen Euro an. Auf Anfrage teilt Pohle mit, dass er Inhaber eines Handwerksbetriebes sei, die Geschäftsführung aber an eine Prokura abgegeben habe. Auch er verweist auf die Umsätze, die nichts über den tatsächlichen Gewinn aussagen.
Die AfD gleich zweimal unter den ersten 10
Besonders kritisch bewertet abgeordnetenwatch.de die Nebeneinkünfte der beiden AfD-Abgeordneten in den Top Ten.
Da ist zum einen der AfD-Abgeordnete Carsten Hütter, der 220.500 Euro an (Mindest-)Nebeneinkünften angab. „Er besitzt ein Autohaus in Marienberg, einer Stadt im sächsischen Erzgebirge. Für eine Weile hatte Hütter noch einen weiteren Nebenjob: als Mitarbeiter bei dem AfD-Bundestagsabgeordneten Martin Hebner. Ab Juli 2018 pendelte Hütter sieben Monate lang zwischen Berlin, Dresden und Marienberg. Seine Doppeltätigkeit in Land- und Bundestag war umstritten. Der Sächsische Landtag sah darin keinen Verstoß gegen die Verhaltensregeln.“
Aber da ist ja auch noch die AfD-Abgeordnete Silke Grimm. „Sie hat ein Reise- und Busunternehmen, mit dem sie in der vergangenen Legislaturperiode mindestens 488.000 Euro eingenommen hat. Gleichzeitig sitzt Grimm im Wirtschafts- und Verkehrsausschuss des Landtages und arbeitet an Gesetzen, die ihr Unternehmen potentiell betreffen. Das Gleiche findet auf kommunaler Ebene statt: Denn Silke Grimm ist auch (ehrenamtlich) Kreisrätin des Landkreises Görlitz. Als solche ist sie Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Tourismus des Kreistages.
Bemerkenswert ist dabei: Die AfD-Abgeordnete hat 2015 und 2016 Zahlungen in Höhe von Stufe 2 (3.500 bis 7.000 Euro) und Stufe 4 (15.000 bis 30.000 Euro) vom Landkreis Görlitz bekommen. Auf Anfrage erklärt der Landkreis, dass das Geld an Grimms Unternehmen „Schmetterling Reisen Grimm“ für die Beförderung von Schüler/-innen gezahlt wurde. Grimms Busunternehmen habe sich im Ausschreibungsverfahren als wirtschaftlichster Bieter durchgesetzt, heißt es vom Landkreis. Silke Grimm selbst hat auf die Anfrage von abgeordnetenwatch.de bis zum Erscheinen des Artikels nicht geantwortet.“
Die Landtagsabgeordneten müssen ihre zusätzlichen Einnahmen nicht Euro-genau angeben, sondern in groben Verdienststufen, die von der ersten Stufe (Einkünfte zwischen 1.000 und 3.500 Euro) bis zur Höchststufe 10 (mehr als 250.000 Euro) reichen. Selbständige und Freiberufler/-innen führen ihre Bruttoumsätze auf, die nicht mit Gewinnen gleichzusetzen sind.
Positiv bewertet abgeordnetenwatch.de, dass freiberuflich und selbständig tätige Landtagsabgeordnte in Sachsen die Branchen mitteilen müssen, aus denen ihre Geschäftspartner/-innen kommen. „Anders als im Bundestag, wo keine verpflichtenden Branchenangaben existieren, gibt es in Sachsen diesbezüglich ein Mindestmaß an Transparenz“, so Léa Briand.
In den Top Ten taucht Dr. Gerd Lippold auf, der parallel noch Geschäftsführer der PSC Polysilane Chemicals GmbH ist, einem Unternehmen mit Sitz in Bitterfeld-Wolfen, das Produkte der Siliziumchemie herstellt. Er gibt Nebeneinkünfte von mindestens 217.000 Euro an.
Ihm folgt in der Liste der jetzige Innenminister Dr. Roland Wöller (CDU). Bis 2016 war er im Nebenjob Bundesgeschäftsführer für den Bereich Politik im Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft e. V. (BVMW), einem „Lobbyverband, der die Interessen der mittelständischen Wirtschaft durchsetzen will. Auf die Frage von abgeordnetenwatch.de, inwiefern diese Nebentätigkeit seine Arbeit als Abgeordneter und als derzeitiger Innenminister beeinflusst, antwortet er: ,In keiner Weise. Die Nebentätigkeit für den BVMW ist seit August 2016 beendet.‘ (…) Zurzeit ist die Stelle vom BVMW erneut ausgeschrieben. Gesucht wird eine Person, die über ,Zugang zu politischen Entscheidungsträgern‘ und ein ,stabiles politisches Netzwerk‘ verfügt. Aus Medienberichten ging damals hervor, dass Wöller die Tätigkeit aufgab, um sich auf seine Arbeit als Abgeordneter zu konzentrieren.“
abgeordnetenwatch.de hat schon recht: So wird Lobbyismus in den Parlamenten sichtbar.
Auf Wöller folgen übrigens mit Klaus Bartl (Die Linke), Harald Baumann-Hasske (SPD) und Wolfram Günther (Grüne) drei Rechtsanwälte, die auch neben ihrer Arbeit als Abgeordnete weiter rechtsanwaltlich tätig waren.
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