Worum geht es eigentlich bei der Sachsenwahl am 1. September? Geht es wirklich um Migration, wie die einen behaupten, eine Bewahrung von Heimat? Oder geht es um Kohleausstieg und Lösungen für den Klimawandel? Oder geht es gar um die Frage: Wer regiert wirklich – die gewählten Parteien oder die Lobby-Organisationen, die in Hinterzimmern ihre Interessen durchdrücken? Zumindest diese Frage stellte Abgeordnetenwatch den Direktkandidat/-innen der Parteien. Mit erhellendem Ergebnis.

Aber es überrascht nicht. So wenig, wie Petra Pinzler in ihrer Kolumne in der „Zeit“ am Donnerstag, 22. August, überrascht war, dass sich CDU- und CSU-Minister/-innen in der Bundesregierung mittlerweile recht offen für die Spezialinteressen einiger Großkonzerne einsetzen. Sie fragte sich halt nur, ob wir uns solche Parteien, die den Konzernen hinterherpolitisieren, überhaupt noch leisten können.

Denn wenn Konzerninteressen Politik machen, entsteht genau das, was wir in Deutschland seit 15 Jahren erleben: Es wird für den Steuerzahler immer teurer, für jedes Konzernversagen wird er doppelt und dreifach zur Kasse gebeten – für den vergeigten Atomausstieg (raus, rein, raus – bitte extra zahlen), die Bankenkrise (die kurzerhand zur Haushaltskrise der Staaten gemacht wurde), den Dieselskandal, das Mautdebakel, eine reformunwillige Landwirtschaftsindustrie … man wird ja gar nicht fertig damit.

Pinzlers Frage ist deutlich: Wer kommt eigentlich auf die Idee, CDU und CSU seien sparsame Parteien? Und folgerichtig ist auch, dass gerade diese beiden Parteien ihre Probleme mit Lobbyismus und Transparenz haben. Auch die CDU in Sachsen.

Das unabhängige Internetportal abgeordnetenwatch.de hat den Kandidaten-Check zur Sachsen-Wahl ausgewertet. Bislang 78 Prozent aller Direktkandidierenden haben sich den 18 landespolitisch relevanten Thesen gestellt. Wähler/-innen können als Entscheidungshilfe unter dem Kandidatencheck für Sachsen bei Abgeordnetenwatch ihre Ansichten mit denen der Direktkandidierenden des eigenen Wahlkreises vergleichen und herausfinden, mit wem sie wie häufig übereinstimmen. Dafür reicht die Eingabe der eigenen Postleitzahl.

Die Frage nach dem Lobbyismus

Die Sache mit dem Lobbyismus wurde in Frage 7 thematisiert: „Es soll ein verbindliches Lobbyregister geben, in dem u. a. Kontakte zwischen Interessenvertreter/-innen und der Politik veröffentlicht werden.“

Es ist die Frage, in der sich die Spreu vom Weizen trennt, in der die Kandidat/-innen Farbe bekennen, für wen sie eigentlich in den Landtag einziehen wollen – für die Wähler oder für die lobbytreibenden Unternehmen, zu denen in Sachsen unter anderem die großen Agrarbetriebe, die Kohlekonzerne und die Frachtfluggesellschaften gehören, um nur einige markante zu nennen.

Abgeordnete, die ihr Mandat wirklich ernst nehmen, legen solche Lobbykontakte transparent offen.

Aber das Ergebnis der Befragung steht für sich: „Ergebnis These 7: 76 % stimmen zu, 5 % lehnen ab, 19 % neutral . Im Bund bewegt sich das Thema langsam und auch auf Landesebene hat das Thema viele Fans: Wenn es nach dem Willen der allermeisten sächsischen Direktkandidierenden geht, sollte es ein verbindliches Lobbyregister geben, in dem unter anderem Kontakte von Interessenvertreter/-innen mit Politiker/-innen veröffentlicht werden. 76 Prozent aller Teilnehmenden sprechen sich dafür aus, über alle Parteien hinweg.

Grüne und Linke fast geschlossen mit 98 Prozent, die SPD mit 95 Prozent folgt dicht dahinter. Auch die Freien Wähler und die AfD-Kandidierenden sind mit 85 und 80 Prozent mehrheitlich für das Register, die FDP mit 63 Prozent ebenfalls, wenn auch knapper.

Die CDU-Kandidierenden positionieren sich zu 77 Prozent neutral.“

Das ist eine Frage, in der man nicht neutral sein kann. Neutral bedeutet: Man möchte gern weiter intransparent bleiben, nicht erklären (müssen), woher einige seltsame Entscheidungen und Gesetzesvorschläge kommen. Oder warum man bei Themen wie Flughafenausbau, Naturschutz und Kohleausstieg regelrecht abtaucht.

Wer schont die Vermögen der Reichen?

Und das passt natürlich auch zur eigenartigen Haltung der bürgerlichen Parteien zur Vermögensbesteuerung. Die meisten Sachsen haben in den vergangenen 29 Jahren überhaupt kein Vermögen aufbauen können. Und trotzdem scheinen sie mit glühender Überzeugung Parteien wählen zu wollen, die zuallererst Politik für die richtig Reichen machen.

Abgeordnetenwatch dazu: „Sollen große Vermögen stärker besteuert werden als bisher? Bis 1997 gab es auf Bundesebene bereits eine sogenannte Vermögenssteuer, seit der Abschaffung wird immer wieder darüber diskutiert. Große Ablehnung einer solchen Steuer kommt aus der FDP, CDU und der AfD mit jeweils 83, 81 und 74 Prozent. Auch die Direktkandidierenden der Blauen Partei sind gegen die Vermögenssteuer.“

Da wirkt natürlich noch immer Ronald Reagans altes Trickle-down-Märchen: Wenn man den Reichen mehr Geld lässt, dann tröpfelt das irgendwann auch mal zu den ganz Armen durch.

Was so nirgendwo auf der Welt je passiert ist. Das ist nämlich die Variante der Reichen, wie sie „Umverteilung“ verstehen.

Tatsächlich fehlt dieses Geld, das eben nicht wieder in Investitionen und Konsum fließt, dem Staat bei all seinen Aufgaben, die er auch für die Vermögenden absichert. Logisch, dass sozial denkende Parteien das ganz anders sehen: „Die Linke mit 100 Prozent und die SPD mit 98 Prozent Zustimmung sprechen sich für eine solche Besteuerung aus, die Grünen folgen mit 92 Prozent dicht dahinter. Auch die Freien Wähler sind mit 52 Prozent mit knapper Mehrheit dafür, 33 Prozent positionieren sich neutral.“

Natürlich hat Abgeordnetenwatch auch noch ein paar sehr sachsenspezifische Themen abgefragt.

Eine der Thesen handelte von der Landarztquote: Auf dem Land fehlt es häufig an Ärzt/-innen, die die Grundversorgung sicherstellen können. Dass eine Quote helfen kann, diesen Mangel zu beheben, findet mit 51 Prozent eine knappe Mehrheit der teilnehmenden Direktkandidierenden. Die meiste Zustimmung kommt hier von der CDU und der AfD mit 92 bzw. 89 Prozent, die Freien Wähler folgen mit 79 Prozent dicht dahinter. Die FDP ist mit 56 Prozent Zustimmung noch knapp dafür. Die Kandidierenden der Parteien sind sich hier nicht völlig einig: Obwohl 56 Prozent der SPD und Grünen und sogar 73 Prozent der linken Direktkandidierenden die Landarztquote ablehnen, sind bei der SPD immerhin 28 Prozent für die Maßnahme, bei den Grünen und Linken jeweils noch 21 Prozent.

Ein auch bundesweit viel beachtetes Thema ist die Abschiebung von Asylbewerber/-innen. Für eine konsequentere Umsetzung der Abschiebungen sprechen sich mit 54 Prozent eine knappe Mehrheit der Direktkandidierenden aus, ein gutes Viertel lehnt die These ab. Die Kandidierenden der CDU und AfD sind jeweils zu 100 Prozent für die These und fordern damit die konsequente Abschiebung. Auch die FDP-Kandidierenden sind mit 94 Prozent nahezu vollständig dafür. Bei den Freien Wählern sind es immerhin noch 86 Prozent. Die SPD positioniert sich zu 54 Prozent neutral. Die Linkspartei lehnt die These zu 85 Prozent ab, die Grünen noch mit 62 Prozent.

Soll der Kitabesuch in Sachsen für alle Kinder komplett kostenfrei werden? Eine Mehrheit von 55 Prozent stimmt der Forderung zu, ein Viertel lehnt sie ab. Zustimmung kommt zu großen Teilen aus der SPD (98 Prozent), der Linkspartei (95 Prozent) und der AfD (82 Prozent). Auch immerhin noch 68 Prozent der Freien Wähler wollen die Kitagebühren abgeschafft wissen. Mehrheitliche Ablehnung der These kommt mit 85 Prozent aus der CDU und noch zu 56 Prozent aus der FDP. Die Grünen positionieren sich zu 73 Prozent neutral – sie wollen zunächst mit den Gebühren die Qualität verbessern, bevor es ihrer Meinung nach um die Kostenfreiheit gehen kann. Diese Begründung führen auch zahlreiche Kandidierende aus anderen Parteien an.

Weiter sehr sachsenspezifische Themen sind die durchaus verbesserungswürdige Arbeit des Verfassungsschutzes (45 % stimmen zu, 29 % lehnen ab, 26 % neutral), das Abschussverbot für den Wolf (41 % stimmen zu, 41 % lehnen ab, 18 % neutral) und die von der SPD thematisierte Grundrente (75 % stimmen zu, 11 % lehnen ab, 14 % neutral).

Aber auch der Vorschlag, öffentliche Aufträge an ökologische und soziale Bedingungen zu knüpfen, kommt bei den meisten Direktkandidaten gut an (67 % stimmen zu, 14 % lehnen ab, 19 % neutral).

Und auf jeden Fall in Ostsachsen ein Mega-Thema ist die Frage „In der Lausitz haben der Erhalt des Industriestandortes und der Arbeitsplätze Vorrang vor Klimaschutzzielen.“ (29 % stimmen zu, 44 % lehnen ab, 27 % neutral).

„Die AfD ist die einzige Partei, die sich fast geschlossen für die These ausspricht – 97 Prozent der teilnehmenden Direktkandidierenden stellen den Erhalt des Industriestandortes über die Erreichung von Klimaschutzzielen. Die Grünen (98 Prozent), die Linkspartei (87 Prozent) und die SPD (65 Prozent) sind mehrheitlich für die Bevorzugung der Klimaschutzziele. Die Kandidierenden der CDU positionieren sich zu 71 Prozent neutral und wollen Wege finden, um beides gleichzeitig umzusetzen.“

Jeder kann seine Kandidat/-innen selbst überprüfen

„Vor der Wahl dient der Kandidaten-Check als Entscheidungshilfe für die Wahlkabine, nach der Wahl als digitales Wählergedächtnis“, so Christina Lüdtke. „Dann ist es interessant zu sehen, ob die Aussagen aus dem Wahlkampf noch zählen.“

Alle 439 sächsischen Direktkandidierenden haben auf abgeordnetenwatch.de/sachsen ein Profil erhalten. Hier können Bürger/-innen alle Bewerber/-innen öffentlich einsehen und befragen. Am Kandidaten-Check haben sich bislang 78 Prozent aller Direktkandidierenden beteiligt. Die Teilnahme ist bis kurz vor der Wahl möglich.

„Wir freuen uns über die rege Teilnahme – so können die Wähler/-innen für ihren Wahlkreis herausfinden, wer ihre Herzensthemen am ehesten vertreten kann“, erklärt Christina Lüdtke, Projektleiterin von abgeordnetenwatch.de. „Wer den Kandidaten-Check durchspielt, geht gut vorbereitet ins Wahllokal.“

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