Der Kohleausstieg bis 2038 steht zwar fest. Aber etliche Kohlemeiler werden schon vorher endgültig vom Netz gehen. Kein einziger Kohletagebau braucht auch nur noch die Kohlemengen, die jetzt schon genehmigt sind. Kein einziges Dorf müsste mehr leergezogen werden. Aber trotzdem schaut Sachsens Regierung achselzuckend zu, wie Dörfer wie Mühlrose und Pödelwitz völlig mutwillig für einen unsinnigen Abriss leergeräumt werden sollen. Am Donnerstag, 18. Juli, gab’s deshalb die „Mühlroser Erklärung“.

Am Donnerstag, 18. Juli, gaben der Serbski Sejm, der Bund für Umwelt und Naturschutz Sachsen, Vertreter weiterer Umweltverbände und Bürgervertreter zum Braunkohletagebau in der Lausitz und zur Zukunft von Mühlrose eine Erklärung ab. Darin wehren sie sich gegen die Abbaggerung des Ortes. Zur Begründung werden drei Punkte angeführt:

– Erstens werde die Kohleverstromung „aufgrund des zum Stopp der Klimaerwärmung beschlossenen Kohleausstiegs und der steigenden Bedeutung der Erneuerbaren Energien“ immer weniger notwendig; der Abbau der Kohle unter Mühlrose sei weder genehmigt noch genehmigungsfähig.

– Zweitens wolle „ein nicht unerheblicher Teil der Einwohnerinnen und Einwohner Mühlroses trotz der Belastungen des nahen Tagebaues ihr Dorf nicht verlassen“.

– Drittens dürften „temporär verlassene Häuser“, die teils unter Denkmalschutz stehen, nicht abgerissen werden – denn sie „können nach dem Ende der Braunkohleverstromung wieder Heimat für Menschen sein, die ihre persönliche Zukunft gerade in einem solch schönen sorbischen Dorf verwirklichen wollen.“

Auch die Sprecherin für Umweltpolitik und Ressourcenwirtschaft der Linksfraktion im Landtag Dr. Jana Pinka hat die Erklärung unterzeichnet.

„Ich unterstütze die Erklärung, weil die Zeit für den Ausstieg aus der Braunkohleverstromung gekommen ist. Zentral für alle Beteiligten – von der LEAG bis zu den Sorben – ist die Planungssicherheit. Die Kohleausstiegskommission hat den schrittweisen Ausstiegspfad umrissen. Nach unseren Berechnungen anhand dieser Zahlen ist die Abbaggerung von Mühlrose definitiv nicht mehr erforderlich. Es war wichtig, das noch einmal unmissverständlich klarzumachen“, stellt sie fest.

Aber da ist ja noch der untätige Wirtschaftsminister in der Bundesregierung, der nicht mal daran denkt, seine Hausaufgaben zu machen. Denn der hätte schon längst einen Plan vorlegen sollen, wann welche Kraftwerksblöcke denn jetzt planmäßig stillgelegt werden sollen. Erst dann haben auch die betroffenen Menschen eine Planungssicherheit.

Aber nichts kommt vom Minister, stellt Pinka fest: „Ein schrittweiser Ausstieg bis 2038 anhand der im Endbericht dargestellten Kraftwerksabschaltplanung hatte bei allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kohleausstiegskommission Zuspruch gefunden. Nun scheint jedoch Herr Altmaier die Ergebnisse der mühsamen Kompromissfindung zu ignorieren: Es ist völlig offen, ob das Kohleausstiegsgesetz kommt, wenn stattdessen nun eine CO2-Steuer alles richten soll. Am Ende bleibt es bei der Fortsetzung der nicht enden wollenden Zitterpartie für die Leute in Mühlrose.“

Und nicht nur die Bewohner der Dörfer und die Beschäftigten in den Kraftwerken hängen in der Luft.

„Mit dem Verzicht auf die Planungssicherheit geht auch die Berechenbarkeit der wirtschaftlichen Risiken für die Braunkohlenwirtschaft in die Binsen“, sagt Pinka. „Es ist absolut unklar, ob und wie die nach sächsischem Modell anzusparenden Sicherheitsleistungen für die Braunkohle noch aufgebracht werden können, wenn die Planbarkeit ab- und das Zukunftsrisiko zunimmt.“

Dazu hat Jana Pinka gleich wieder eine neue Anfrage an die Staatsregierung gestellt.

Aber nicht nur der Bundeswirtschaftsminister glänzt mit Arbeitsverweigerung. Auch die sächsische Staatsregierung spielt beim Thema Kohleausstieg immer noch Blinde Kuh.

„Ich kritisiere, dass ein halbes Jahr nach dem Kohleausstiegsbeschluss der Kohlekommission in Sachsen noch immer Pläne zur Erweiterung von Tagebauen verfolgt werden, die weitere Dörfer bedrohen. Die deutlich verkürzte Restlaufzeit der Braunkohle ziehen selbst Ministerpräsident Michael Kretschmer und Wirtschaftsminister Martin Dulig nicht in Zweifel. Das bedeutet auch verringerte Kohlemengen. Dennoch lässt die Staatsregierung Planungen einfach weiterlaufen, die sogar eine Ausweitung der genehmigten Braunkohlemengen bedeuten würden“, sagt Dr. Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag. „Dass Braunkohleunternehmen nicht ohne Ruf nach Kompensation von Projekten lassen wollen, in die sie bereits auf eigenes Risiko Geld gesteckt haben, ist aus Unternehmensperspektive nachvollziehbar. Überhaupt nicht nachvollziehbar ist jedoch, weshalb sich Sachsens Staatsregierung hier ganz und gar hinter die Interessen der Kohleaktionäre stellt, anstatt die Interessen der betroffenen Bürgerinnen und Bürger in Sachsen zu vertreten.“

Die Herstellung der auch von der Staatsregierung unterstützen Unsicherheit findet Lippold geradezu grotesk.

„Es wird kein weiteres Dorf mehr der Braunkohle zum Opfer fallen, auch nicht Mühlrose. Das ist mit der heutigen Erklärung mehr als deutlich geworden“, betont der Landtagsabgeordnete. „Weder im Fall Mühlrose am Tagebau Nochten noch im Fall von Pödelwitz am Tagebau Vereinigtes Schleenhain haben die Bergbauunternehmen LEAG und MIBRAG Genehmigungsgrundlagen geschweige denn Genehmigungen für ihre Vorhaben.“

Trotzdem versuchen beide Bergbaukonzerne die Unsicherheiten zu schüren und mit Druck auf die Dörfer den Bewohnern zu suggerieren, dass der Kohleabbau in Zukunft sogar noch ausgeweitet werden soll. Fürs Klima wäre das eine Katastrophe. Und durch den Kohlekompromiss ist das auch nicht gedeckt. Aber das Spiel wird immer so weitergehen, wenn die zuständigen Wirtschaftsminister lieber Konzernpolitik machen, als eine vernünftige Politik im Sinn der Bürger.

„Wir Grünen unterstützen die Menschen vor Ort, die der Kohle nicht weichen wollen“, betont Lippold. „Die zum Bleiben entschlossenen Betroffenen haben durch Klimaschutz und Kohleausstieg sehr, sehr starke rechtliche Positionen gegen Zwangsumsiedlung und weitere Abbaggerungen. Sie würden am Ende zweifellos erfolgreich sein. Wir setzen uns aber dafür ein, dass ihnen ein jahrelanges juristisches Gezerre zur Rettung ihrer Dörfer erspart bleibt. Es ist jetzt an der Politik, es ist jetzt an der Staatsregierung, rasch und endgültig die überfälligen Entscheidungen zu treffen und diese irrwitzigen Planungen zu stoppen.“

Mühlrose: Die LEAG hat keine Abbaugenehmigung

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