Wie die sächsische SPD im Landtagswahlkampf punkten möchte, machte sie am 8. Juli öffentlich. Da stellte die Partei ihre Wahlkampagne vor. „Die Kampagne der SPD ist eine Wahlkampagne der Herzen, die den Menschen in Sachsen ihr Lächeln zurückgeben möchte“, erklärte die Parteispitze ihren Ansatz. „Im Mittelpunkt der Kampagne steht Spitzenkandidat Martin Dulig, der wie kein anderer Politiker in Sachsen für Zuversicht, Hoffnung und eine neue Aufbruchstimmung steht.“

Ja keine Panikmache. Dafür „Mehr Bus und Bahn“, kostenlose Kita und „Respekt vor dem Geleisteten“. Letzteres verbunden mit der Forderung nach einer Grundrente. Eigentlich ein Bundesthema. Und eins, das auf das in Ostdeutschland verbreitete Gefühl zielt, ungerecht behandelt zu werden.

„Martin Dulig ist ein Politiker, dem die Menschen in Sachsen vertrauen. Seine sehr hohen Sympathiewerte zeigen: Martin Dulig steht für die Leidenschaft, die Zukunft zu gestalten und gleichzeitig unsere demokratischen Werte zu verteidigen“, sagte Henning Homann, der als SPD-Generalsekretär den Wahlkampf leitet, zum SPD-Vorsitzenden, der gleichzeitig Spitzenkandidat ist und auf den rot umrandeten Plakaten zu sehen ist – mal im Zug, mal mit Senioren, mal lässt er sich von Kindern bemalen.

Unter dem Claim „Was mir am Herzen liegt“ will Martin Dulig besonders drei Zukunftsthemen in den Mittelpunkt stellen: 1. Den Respekt vor der Leistung all derer, die ein Leben lang hart arbeiten. 2. Das Glück und die Zukunft der Kinder in diesem Land. 3. Der Aufbau einer modernen Mobilitätsgesellschaft.

Damit verknüpft sind die Forderungen der SPD nach kostenloser Betreuung in Hort und Kita, längerem Lernen in der Gemeinschaftsschule, einer Grundrente und dem Ausbau von Bus und Bahn in einer Landesverkehrsgesellschaft. Letzteres ein echtes Streitthema, wie man 2019 erleben konnte, als der Versuch, so eine Gesellschaft zu gründen, am Widerstand der Landräte erst einmal scheiterte.

Martin Dulig mit dem Plakat "Mit Bus und Bahn. Ohne Tarifgrenzen". Foto: SPD Sachsen
Martin Dulig mit dem Plakat „Mit Bus und Bahn. Ohne Tarifgrenzen“. Foto: SPD Sachsen

Aber nur zwei Tage später machte ja der „Deutschlandatlas“ der Bundesregierung deutlich, dass ein Riss durch die Republik geht. Der Osten fällt auch noch 29 Jahre nach der Deutschen Einheit durch geringere Löhne, fehlende Industrie, sich entleerende Landschaften auf. Selbst Sachsen ist zerrissen.

„Die Fakten des Deutschlandatlas erklären einmal mehr, warum sich viele Menschen im Osten ungerecht behandelt und abgehängt fühlen. Im Schnitt arbeiten die Ostdeutschen zwei Wochen länger pro Jahr und verdienen dabei fast 700 Euro brutto weniger. In Ostdeutschland ziehen deshalb schon seit Jahrzehnten massiv jüngere Menschen weg“, erklärte Martin Dulig aus diesem Anlass.

„Was Thorsten Schäfer-Gümbel fordert, also nicht mehr nach Himmelsrichtungen zu fördern, sondern dort, wo aufgrund von Strukturschwäche Handlungsbedarf besteht, ist richtig. Es ist auch richtig, dass die Kommunen in die Lage versetzt werden müssen, zum Beispiel Bildung, Kultur und bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung zu stellen – und zwar überall, gerade auch in strukturschwachen Gebieten.“

Denn Politik erleben Menschen immer konkret an ihrem Ort, wo sie leben. Irgendetwas stimmt nicht, wenn auf einmal wieder „gleichwertige Lebensverhältnisse“ beschworen werden müssen.

Richtig spitz reagierte am 11. Juli Petra Köpping, die schon seit über drei Jahren versucht, die Versäumnisse der 1990er Jahre endlich wieder zum Thema zu machen. Denn während die Radikalkur über den Osten fegte und Tatsachen für Generationen schuf, mussten sich West- oder Süddeutsche kaum an neue Verhältnisse anpassen. Im Gegenteil: Gerade das reiche Bayern nutzte sein Gewicht, um seine Interessen rücksichtslos durchzusetzen. Als Bayerns Ministerpräsident Markus Söder sich jetzt zu Wort meldete, war Petra Köpping sichtlich auf 180.

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„Bayern hat selbst jahrelang von Strukturhilfen profitiert. Jetzt lehnt Söder Strukturhilfen für einen Kohleausstieg bis 2038 ab. Wir brauchen aber mehr Umverteilung, weil sonst der soziale Ausgleich in unserem vereinten Deutschland in Gefahr ist“, sagte sie am Donnerstag. „Die Ergebnisse der Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse hat einige wichtige Ergebnisse gebracht. Aber ich bin dafür, diese ungleichen Entwicklungen grundsätzlicher anzugehen. Ich bin jedes Mal erstaunt, wie sich die CSU jedes Jahr für seine Überschüsse feiert, dann aber Mittel für strukturschwache Gebiete für sich beansprucht. Deshalb bin ich dafür, dass beispielsweise Bayern keinen Anspruch auf Strukturhilfe mehr geltend machen darf, schon gar nicht im Rahmen des Strukturwandels in den Kohleregionen in Ost und West.“

Martin Dulig mit dem Plakat "Hort und Kita kostenlos". Foto: SPD Sachsen
Martin Dulig mit dem Plakat „Hort und Kita kostenlos“. Foto: SPD Sachsen

Sollten aktuell wirklich die Steuermittel fehlen, um den strukturschwachen Regionen unter die Arme zu greifen, so Köpping, „dann brauchen wir eine Millionärssteuer auf höchste Vermögen. Und wir sollten die Erbschaftssteuer merklich erhöhen und so ausgestalten, dass sie auch wirklich wirkt. Natürlich mit hohen Freibeträgen, die die kleinen und mittleren Einkommen und auch den gut bezahlten Facharbeiter davon ausnehmen. Diese Steuereinnahmen aus hohen Vermögen und Erbschaften können dabei helfen, Ungleichheiten bei den Lebensverhältnissen auszugleichen. Kaum ein Ostdeutscher wäre von diesen Reichensteuern betroffen, weil es kaum hohe Vermögen und Erbschaften im Osten gibt. Doch auch die allermeisten Westdeutschen haben keine hohen Vermögen und Erbschaften. Das wäre ein Zeichen der Solidarität und des sozialen Ausgleichs und auch für etwas ganz Wichtiges: mehr gerechte Umverteilung.“

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Womit sie mal das Wort Reichensteuern in den Mund nimmt. Denn die eigentliche Umverteilung in Deutschland passiert nach wie vor von unten nach oben. Gerade über ein Steuersystem, das niedrige Einkommen hoch belastet und Besserverdiener mit Steuersenkungen in den letzten Jahrzehnten immer besser gestellt hat.

Und der Osten merkt noch immer, dass praktisch kein großer Konzern seinen Sitz im Osten hat. Der Osten ist nach wie vor vor allem „verlängerte Werkbank“. Und das hat Folgen – längere Arbeitszeiten, niedrige Löhne und nach wie vor hohe Anteile an Zeitarbeit.

Und da ist noch ein Problem, stellt Martin Dulig fest: „Ich halte es für einen wenig beachteten Skandal, dass die westdeutschen Arbeitgeberverbände etwa das Thema Arbeitszeitverkürzung torpedieren, um die Werkbänke im Osten weiter billiger produzieren zu lassen. Ich erwarte von ihnen, dass sie endlich für einen sozialen Ausgleich in Deutschland Verantwortung übernehmen. Nötig ist eine Stärkung der Tarifbindung. Die Löhne müssen so steigen, dass die Menschen später von ihrer Rente leben können. In der Zwischenzeit brauchen wir eine Gerechtigkeitsrente, damit nicht massenhaft Ostdeutsche in der Grundsicherung landen, obwohl sie ihr Leben lang hart gearbeitet haben. In Sachsen betrifft das allein 240.000 Menschen.“

Und zuletzt merkt Dulig noch etwas an, was das Ping-Pong-Spiel in Deutschland so frustrierend macht: „Doch das reicht nicht, um den Rückstand aufzuholen. Der Bund muss sich endlich an seine eigenen Beschlüsse halten, Bundeseinrichtungen und Behörden ähnlich wie Ansiedlungen von Forschungseinrichtungen mit Beteiligung des Bundes grundsätzlich im Osten Deutschlands einzurichten. Es darf sich nicht am Ende doch immer wieder die Westlobby durchsetzen.“

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Schön, daß die SPD so genau weiß, was sie nach der Wahl unter Garantie nicht umsetzen wird.

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