Überfordert war Sachsens Landwirtschaftsminister Thomas Schmidt (CDU) von seinem Amt von Anfang an. Im Grunde hat er das komplette Umweltressort in seinem Ministerium in den vergangenen fünf Jahren auf Stillstand gestellt. Der Diplom-Agraringenieur hat sich auch nicht einmal bemüht zu verstehen, was er da eigentlich für Aufgaben gehabt hätte. Ein Interview des MDR mit dem Überforderten machte es am Dienstag, 30. Juli, nur allzu deutlich.

Darin reagierte Schmidt auf die Vorschläge des bayerischen Ministerpräsidenten Söder (CSU) zum Klimaschutz. Oder vielmehr: Er reagierte gar nicht. Er wehrte nur ab.

„Da kommen einmal halbwegs vernünftige Vorschläge aus dem sonst für Sachsens CDU vorbildlichen Bayern, und die CDU-geführte Staatsregierung kneift. Klimaschutz geht anders!“, stöhnte Marco Böhme, klimaschutzpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Sächsischen Landtag, nachdem er sich das vierminütige Interview angehört hatte.

„Im MDR-Interview verlautbarte der CDU-Umweltminister Schmidt zwar scheinbar Erstaunliches. So wolle er über einen Aufbau der Erneuerbaren Energien sprechen, was faktisch einen Komplettwechsel in der derzeitigen Regierungsarbeit darstellen würde. Sachsen behindert seit Jahren den Ausbau von Erneuerbaren Energien und ist damit Schlusslicht im bundesweiten Ausbauvergleich. In den nächsten Jahren werden wir sogar einen massiven Rückbau von Windenenergieanlagen erleben, weil eine Vielzahl der alten, über 20 Jahre aktiven Anlagen außer Betrieb gehen, neue Anlagen aber nicht genehmigt werden. Hier braucht es eine konsequente Strategie des Freistaats, um wenigstens den Status Quo aufrechtzuerhalten. Wir haben dazu in unserem Gesetzesvorschlag (Landtags-Drucksache 6/9197) Vorschläge für eine bessere Bürgerbeteiligung und finanzielle Teilhabe in den Landtag eingebracht, damit auf der Basis gesellschaftlicher Akzeptanz auf zwei Prozent der Landesfläche Windenergie stattfinden kann.“

Thomas Schmidt (CDU), Umweltminister Sachsen. Foto: L-IZ.de
Thomas Schmidt (CDU), Umweltminister Sachsen. Foto: L-IZ.de

Aber das Interview klingt halt auch so, als hätte Schmidt schon längst mit seinem Amt abgeschlossen. Der nächste Umweltminister in Sachsen wird jemand anders sein.

Und auch der kleine Koalitionspartner SPD ist mit Schmidts Arbeit überhaupt nicht zufrieden. Nur hat es augenscheinlich nicht mehr gereicht, in der Koalition mit der CDU nun auch noch den unbeweglichen Landwirtschaftsminister zu Taten zu treiben.

Der Generalsekretär der SPD Sachsen, Henning Homann, jedenfalls wundert sich nur über die Äußerungen von CDU-Minister Thomas Schmidt zum Klimaschutz: „Während sogar die Bayern-CSU mittlerweile erkennt, wie wichtig Energie- und Klimapolitik für die Zukunft unseres Planeten wird, tritt die sächsische CDU nach wie vor auf die Bremse. Wer will, findet Wege, wer nicht will, Gründe. Minister Schmidt findet Gründe. Der im Freistaat Sachsen für Umwelt- und Klimaschutz zuständige Minister bezeichnete die ambitionierten Klimaziele des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder allen Ernstes als ,Klein-Klein‘. Auf die Frage, was denn dann ,Groß-Groß‘ sei, konnte er natürlich nichts Substanzielles antworten. Deutlich wurde auch, dass die sächsische CDU immer noch gespalten ist, wenn es um den Ausbau der Windenergie geht. Durch die Blockadehaltung der CDU ist Sachsen deutschlandweit mittlerweile Schlusslicht beim Neubau von Windkraftanlagen. Die CDU macht sich leider von Einzelinteressen abhängig, statt das Grundsätzliche im Blick zu haben. Dabei wird vergessen, dass in Sachsen heute bereits 15.000 Menschen im Bereich der Erneuerbaren Energien arbeiten und sich die großen Energiekonzerne in Sachsen ebenfalls für die Zukunft aufstellen wollen.“

Dieses Potenzial wolle die SPD für Sachsen heben.

Aber es war ja nicht das einzige Ist-mir-egal-Feld von Minister Schmidt.

Marco Böhme (Landtagsabgeordneter, Die Linke). Foto: Michael Freitag
Marco Böhme (Landtagsabgeordneter, Die Linke). Foto: Michael Freitag

„Auch die vom Umweltminister proklamierte notwendige Verkehrswende findet in Sachsen nicht statt. Über 400 km Schienenverbindungen wurden seit 1990 im Freistaat abgebaut, wie meine Kleine Anfrage (Parlaments-Drucksache 6/13430) ergeben hat. Stattdessen werden bei den sächsischen Vorschlägen zum Strukturwandel die Verbreiterung der Autobahn und weiterer Staatsstraßen eingereicht“, so Marco Böhme aus der Linksfraktion. „Es braucht eine ÖPNV-Offensive, wie wir sie erst neulich mit unserem ÖPNV-Reformvorschlag (Drucksache 6/17160) eingebracht haben.“

Und zu Söders Vorschlägen gehörte ja auch die Solarenergie.

Marco Böhme: „Auch andere Vorschläge von Ministerpräsident Söder, wie z. B. die Strompreise zu senken oder auf die Förderung von fossilen Heizungsanlagen zu verzichten, haben wir mit dem Antrag ,Klimaschutz sozial gerecht: Für eine nachhaltige energetische Gebäudesanierung und bezahlbare Energiepreise für alle‘ (Landtags-Drucksache 6/12637) bereits 2018 untersetzt. Ebenso findet sich sein Vorschlag zum Ausbau der Solarenergie bereits im – von der CDU/SPD-Koalition ebenfalls abgelehnten – Antrag der Linksfraktion ,Sonne aufs Dach! – Solarenergienutzung auf landeseigenen Immobilien in Sachsen ausbauen!‘ (Drucksache 6/14505). Was wir unterstützen und in der nächsten Legislaturperiode fordern, ist ein Klimakabinett bzw. eine Strategiekommission Klimaschutz, ähnlich wie es sie bereits zum Thema ÖPNV in dieser Legislatur gab.“

Hätte also die SPD doch häufiger mit den Antragstellern aus der Landtagsopposition stimmen und sich deutlich von der CDU absetzen sollen?

Das klingt zumindest an, wenn Henning Homann erklärt: „Die SPD hat in der Regierung nicht nur die Potenziale der Erneuerbaren Energien für den Freistaat durch die Sächsische Energieagentur SAENA errechnen lassen, sondern auch einen guten Vorschlag für die dringend nötige Novellierung des Energie- und Klimaprogramms gemacht. Martin Dulig als Energieminister hat seinen Teil dazu beigetragen, dass Sachsen ein modernes Energie- und Klimaprogramm bekommt. Leider hat die CDU das immer abgelehnt. Thomas Schmidt hat als Umweltminister seinen Beitrag zum Klimaschutz gleich gar nicht erst im Kabinett abgeliefert.“

Da staunt der Wähler. Wie kann man einen Umweltminister so lange halten, der gar nicht gewillt ist zu liefern?

Vielleicht wird es ja nach dem 1. September besser?

Henning Homann (SPD, MdL Sachsen). Foto: L-IZ.de
Henning Homann (SPD, MdL Sachsen). Foto: L-IZ.de

„Wir bleiben bei unseren Vorschlägen und werden diese im Fall einer erneuten Regierungsbeteiligung noch härter verhandeln“, benennt Homann das leidige Problem, das entsteht, wenn eine kleine Fraktion mit einer großen verhandelt, die bei elementaren Themen der Landespolitik jedes Entgegenkommen verweigert.

„Wir brauchen ein sächsisches Energie- und Klimaprogramm, das Antworten auf die bestehenden Herausforderungen gibt und dafür sorgt, dass Sachsen spätestens 2050 CO2-neutral funktioniert“, sagt Homann (SPD). „Wir wollen mehr in die Forschung und den Ausbau von intelligenten Netzen und Speichermöglichkeiten investieren. Denn wir wollen, dass Sachsen auch künftig Energieland bleibt und die Potenziale des wachsenden Energiemarktes als Jobmotor nutzt. Wir brauchen dringend ein sächsisches Klimaschutzgesetz, das die Klimaschutzziele der Bundesregierung bis 2050 abbildet und für die Bürgerinnen und Bürger einklagbar macht. Und wir wollen, dass Klimaschutz als Staatsziel in der Sächsischen Verfassung verankert wird. Dafür wollen wir nach Wegen suchen.“

Wann bekommt Sachsen endlich ein Artenschutzgesetz wie Bayern?

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