Auch für viele Wähler in Sachsen stimmt die SPD in der sächsischen Regierungskoalition viel zu oft mit der CDU, obwohl etliche ihrer Projekte aus dem Koalitionsvertrag am Widerstand der Konservativen gescheitert sind. Das tut ihr nicht gut. Auch nicht ihre stille Zustimmung zur Kohlepolitik der CDU, obwohl die Fraktion weiß, dass Sachsens Wirtschaft längst ganz andere Wege geht. Das thematisiert jetzt Jörg Vieweg, Sprecher für Energie- und Mittelstandspolitik der SPD-Fraktion.
Denn das offizielle Statement Sachsens zu den alten Kohlekraftwerken in der Lausitz geht so, Originalton Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) vom 23. August 2018: „Wir brauchen auch weiterhin flexible konventionelle Kraftwerke als Ergänzung der Erneuerbaren. So lange bis Stromspeicher, Nachfrageflexibilisierung und intelligente Netze diese Rolle vollständig übernehmen können. Dabei sind wir die natürlichen Verbündeten, wenn es darum geht, unser Energiesystem innovativ, modern und zukunftsfest zu gestalten. Aber wir stehen auch bei den Menschen in den Revieren, den Beschäftigten, den Verbrauchern und den Unternehmerinnen und Unternehmern im Land in der Pflicht, diesen Wandel vernünftig und verlässlich zu gestalten.“
Das ist das typische SPD-„Aber auch …“, das dazu führt, dass Sachsen sich um einen echten Fahrplan um den Kohleausstieg herummogelt, die Staatsregierung tatsächlich versucht zu suggerieren, dass die Kohlekraftwerke noch bis 2038 laufen und überhaupt kein Druck entsteht, „Stromspeicher, Nachfrageflexibilisierung und intelligente Netze“ schnellstmöglich auszubauen.
Das wäre Duligs Job. Aber darum kümmern sich vor allem die regionalen Akteure – bis hin zu den Stadtwerken, die alle schon vor 15 Jahren angefangen haben, den Kohleausstieg vorzubereiten und dann von einer zunehmend von der Kohlelobby bestimmten (Bundes-)Politik ausgebremst wurden. Das EEG-Gesetz wurde zahnlos gemacht und Sachsens Regierung ging ganz offiziell auf Kuschelkurs mit einem tschechischen Kohlekonzern, der augenscheinlich alles tut, um seine billig erworbenen sächsischen Kraftwerke noch möglichst lange laufen zu lassen.
Die Musik spielt längst woanders.
Das Statistische Bundesamt hat am 5. Juni aktuelle Zahlen zum Wirtschaftsfaktor Umweltschutz vorgelegt, die auch Jörg Vieweg überraschten. So konnten sächsische Betriebe des produzierenden Gewerbes und des Dienstleistungssektors mit Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umweltschutz im Jahr 2017 insgesamt 3,4 Milliarden Euro umsetzen (Deutschland insgesamt: 73,9 Mrd Euro). Gemessen in Vollzeitstellen waren in Sachsen fast 17.000 Menschen bei der Produktion von Waren, Bau- und Dienstleistungen für den Umweltschutz eingesetzt (Deutschland insgesamt: 263.883). Zwei Drittel der Umsätze im Umweltbereich werden durch Güter und Dienstleistungen mit Klimaschutz-Bezug erzielt.
Das heißt: Bürger und Unternehmen in Sachsen bauen längst um, kaufen Umwelttechnologie, um sich vorzubereiten auf eine Zeit, in der dezentrale und erneuerbare Energiegewinnung der Normalzustand ist. Und das wird bald sein.
„Schon jetzt ist Sachsen deutschlandweit auf dem siebten Platz, wenn es um die Beschäftigten geht, die Güter und Dienstleistungen zum Umweltschutz beisteuern. In Ostdeutschland sind wir mit Abstand Spitzenreiter. Entgegen der Behauptungen anderer Parteien profitiert die Wirtschaft vom Umwelt- und Klimaschutz. Bei Heizungen in Neubauten lagen Erneuerbare Energien 2018 erstmals auf Platz 1. Es entstehen permanent viele neue Arbeitsplätze“, erklärte Jörg Vieweg am Freitag in Dresden.
Aber der Verweis auf „andere Parteien“ trügt. Bislang trägt die sächsische SPD auch die Kohlepolitik der CDU mit. Das, was Vieweg sagt, ist auch für die SPD in Sachsen etwas Neues. Denn damit gesteht auch Vieweg zu, dass es völliger Unfug ist, sich auf die Rettung von 8.000 Arbeitsplätzen in der Braunkohle zu konzentrieren, wenn die jungen Fachkräfte in den neuen Energietechnologien dringend gebraucht werden. Da liegt nämlich ein riesiger Berg von Arbeit vor uns. Da muss jetzt investiert und gefördert werden.
Und zwar schnell. Die Uhr tickt. Denn planmäßig werden die Kohlekraftwerke nicht vom Netz gehen. Die Chance, das in irgendeiner Weise dirigieren zu können, hat Sachsens Regierung verspielt, als sie nicht selbst die Kohlesparte von Vattenfall übernahm. Da hätte sie steuern und ausgleichen können und einen Fahrplan auflegen, mit dem alle endlich gewusst hätten, wann welcher Block vom Netz geht. (Wobei die genehmigte Laufzeit der meisten Kraftwerksblöcke in Sachsen deutlich vor 2038 endet.)
Um diese Verantwortung hat sich Sachsens Regierung gedrückt.
Deswegen kann dort niemand sagen, wann LEAG oder MIBRAG die Bagger ausschalten, weil die Kohleverbrennung keinen Cent Gewinn mehr abwirft.
„Für die SPD ist der Trend ganz klar: Die Energiewende bietet eine große Chance. Wirtschaft und Politik muss es gelingen, junge Menschen als künftige Fachkräfte in diesem attraktiven Bereich im Freistaat zu halten“, sagt Vieweg ein richtiges Wort. Wer die alternative Energieversorgung nicht sichert, bekommt heftige Probleme, wenn die Kohlekraft ausgeschaltet wird. Sichert Sachsen diese alternative Energiewirtschaft?
„Als Politik haben wir Hebel, um uns gemeinsam zu mehr klimafreundlichem Wirtschaften zu zwingen“, sagt Vieweg und benennt dann das nächste Projekt, das die Partei mit der CDU nicht machen konnte: „So wird sich die SPD auch künftig für ein sächsisches Klimaschutzgesetz einsetzen sowie dafür, den Klimaschutz als Staatsziel zu verankern. Auch ein modernes Vergabegesetz kann öffentliche Aufträge an klimafreundliches Wirtschaften der Auftragnehmer koppeln.“
Und eigentlich meint er genau diesen Koalitionspartner, wenn er sagt: „Anstatt rückwärtsgewandt zu debattieren, sollte allen Entscheidern klar sein: Erneuerbare Energien, Energieeinsparung und -effizienz sowie Energiespeicherung sind heute schon Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung und Jobmotor. Die Energiewende ist darum – gerade auch für unser Sachsen – eine riesige Chance.“
#fridaysforfuture in Leipzig: „… weil ihr uns die Zukunft klaut“ + Video & Bildergalerie
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