Es ist eines der größten Probleme der heutigen Massentierhaltung: das Verabreichen von Antibiotika an die Tiere in großen Mengen. Dadurch gelangen Antibiotika nicht nur ins Fleisch der Tiere und damit auf den Teller der Konsumenten, sondern über die Gülle auch auf die Felder und in die Flüsse. Und ins Grundwasser, wie der Landtagsabgeordnete der Grünen Wolfram Günther schon 2014 erfahren konnte.
Da hatte ihn eine alarmierende Meldung aus Niedersachsen aufgeschreckt: Im Landkreis Cloppenburg wurden gleich an drei Messstellen Arzneimittelrückstände im Grundwasser gefunden.
Das Thema beschäftigte damals auch Sachsen. Und Agrarminister Thomas Schmidt (CDU) teilte dem Landtagsabgeordneten mit, dass man im Auftrag des Landesamtes für Umwelt, Landwirtschaft und Geologie (LfULG) an 122 Grundwassermessstellen auf Human- und Tierantibiotika prüfe. Ob das im Jahr 2019 noch der Fall ist, ist nicht einsehbar. Vielleicht waren die Ergebnisse, die Schmidt 2014 schon einmal gucken ließ, zu deutlich.
Denn an sieben Messstellen wurde das Antibiotikum Sulfamethoxazol nachgewiesen, „das vor allem bei der Bekämpfung von Harnwegsinfekten und Lungenentzündungen verwendet wird“ (Wikipedia). Es wird in der Humanmedizin genauso eingesetzt wie in der Tiermedizin.
Dasselbe trifft auf Clotrimazol zu, das an sechs Messstellen nachgewiesen wurde. Es wirkt „gegen Mykosen (Pilzinfektionen) der Haut“.
Und ebenso in der Human- genauso wie in der Tiermedizin angewendet werden das synthetische Antibiotikum Ciprofloxacin (ein Mal nachgewiesen) und das Bakterizid Enrofloxacin (ebenfalls ein Mal nachgewiesen).
„Bei den Positivbefunden im Grundwasser im Freistaat Sachsen handelt es sich bislang um wenige, nicht durch ausreichend lange Messreihen gesicherte nachgewiesene Einzelfälle“, behauptete Schmidt damals. Und dem neugierigen Landtagsabgeordneten stellte er ein Screening für Antibiotika in der Nutztierhaltung in Aussicht. Das „Forschungsprojekt Antibiotika aus der Nutztierhaltung in der Umwelt“ lief von 2012 bis Dezember 2015. 2016 oder 2017 hätte es also irgendeine Art der Veröffentlichung geben müssen. Gab es die?
Das Screening untersuchte vor allem Pflanzenproben von „Beprobungsflächen aus rinder- und schweinehaltenden Betrieben“ im Freistaat. 2012 und 2014 konnten in den Pflanzen keine Antibiotikarückstände nachgewiesen werden. Aber wie aussagekräftig war das Screening wirklich?
Im Mai wollte die Landtagsabgeordnete der Linken Dr. Jana Pinka nun etwas über die andere Seite des Vorgangs erfahren: Welche Informationen hat eigentlich der Freistaat über die Antibiotikagaben an die Tiere in der Massentierhaltung?
Die Antwort ist jetzt tatsächlich ernüchternd.
„Es gibt Hinweise darauf, dass Antibiotika in Sachsen zumindest von einzelnen Betrieben auch ohne Indikation eines Tierarztes gegeben werden“, hatte Pinka ihrer Anfrage vorausgeschickt. „Der Einsatz von Antibiotika in der intensiven Nutztierhaltung begünstigt die Resistenzentwicklung und Ausbreitung von Bakterienstämmen mit Resistenzen.“
Enttäuschend ist die Antwort nicht, weil die Staatsregierung keine Zahlen zu den verabreichten Antibiotika hat. Die hat man wohl, wie Gesundheitsministerin Barbara Klepsch (CDU) feststellt: „Laut der Verpflichtung nach § 58b AMG (Arzneimittelgestez, d. Red.) wurden in Sachsen folgende Mitteilungen für die Tierarten Rinder, Schweine, Hühner und Puten aus mitteilungspflichtigen Betrieben gemacht: die Bezeichnung des angewendeten Arzneimittels; die Anzahl und die Art der behandelten Tiere; die Anzahl der Behandlungstage; die insgesamt angewendete Menge von Arzneimitteln, die antibakteriell wirksame Stoffe enthalten; für jedes Halbjahr die Anzahl der Tiere der jeweiligen Tierart, die a) in jedem Halbjahr zu Beginn im Betrieb gehalten, b) im Verlauf eines jeden Halbjahres in den Betrieb aufgenommen und c) im Verlauf eines jeden Halbjahres aus dem Betrieb abgegeben worden sind.“
Sie könnte die Zahlen also eigentlich herausgeben.
Aber da wäre man dann wohl nicht in Deutschland. Da bleiben solche Zahlen unter Verschluss, wie die Ministerin dem Abgeordneten erklärt: „Nach § 58f AMG dürfen die Daten nach den §§ 58a bis 58d ausschließlich zum Zweck der Ermittlung und der Berechnung der Therapiehäufigkeit, der Überwachung der Einhaltung der §§ 58a bis 58d und zur Verfolgung und Ahndung von Verstößen gegen arzneimittelrechtliche Vorschriften verarbeitet und genutzt werden.“
Das ist dann mal die kreativste Ausrede, die eine sächsische Ministerin bislang gefunden hat. Die von ihr aufgezählten Abschnitte listen nur auf, worüber alles eine Meldepflicht an die Behörden besteht. Die Daten müssen dann sechs Jahre lang aufgehoben werden.
Aber nirgendwo steht, dass Landtagsabgeordnete darüber keine Auskunft bekommen dürfen. Wenn es also zu Überschreitungen oder gar Fällen kommt, bei denen Behörden einschreiten müssen, erfahren die Landtagsfraktionen darüber nichts. Die Öffentlichkeit schon gar nicht. Die Sache wird unter Ausschluss neugieriger Dritter bereinigt. Oder wie immer man das nennen will. Mit Transparenz hat das nichts zu tun, auch wenn die damalige Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) 2012, zur Novelle des Arzneimittelgesetzes insbesondere für den Bereich der Tiermedikamentierung, betonte, damit würde endlich mehr Transparenz geschaffen.
Die Auskunft von Barbara Klepsch hingegen macht deutlich: Transparenz ist gar nicht gewollt.
Bestenfalls bekommen die Kontrollbehörden in den Landkreisen etwas mit: „Im Rahmen von regelmäßigen Betriebsbesuchen in den landwirtschaftlichen Nutztierhaltungen sowie der Überwachung der Tierärztlichen Hausapotheken wird durch die zuständigen Überwachungsbehörden der rechtskonforme Einsatz von Tierarzneimitteln und speziell der Einsatz von Antibiotika kontrolliert.“
Von den Tierschutzorganisationen wissen wir ja inzwischen, wie engmaschig und genau dieses Kontrollnetz der Überwachungsbehörden ist. Man übersieht keine wundgescheuerten Tiere, keine toten Schweine, keine blutig gehackten Hühner. Warum sollte man da Medikamentengaben übersehen, die nicht den gesetzlichen Vorgaben entsprechen?
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