Wer keinen Plan hat, der blockiert Entscheidungen. So geschehen Ende November, als die drei ostdeutschen Kohle-Ministerpräsidenten vorpreschten und die anstehende Entscheidung der Kohleausstiegskommission mit einer Forderung nach 60 Milliarden Euro für die drei Kohleländer aushebelten. Die Kommission vertagte sich und die Grünen im Sächsischen Landtag fragten sich verblüfft: Was soll das? Wessen Politik macht Sachsens Ministerpräsident da eigentlich?
Die der betroffenen Bergbauregionen jedenfalls nicht, denn sowohl in der Lausitz als auch im Mitteldeutschen Bergbaurevier warten die Betroffenen immer verzweifelter darauf, dass die Staatsregierung endlich konkrete Vorschläge für den Strukturwandel vorlegt. In der Metropolregion Mitteldeutschland arbeitet man ja längst daran, auch wenn einige Vorschläge aus den betroffenen Kreisen und Gemeinden recht wirr wirken.
Man nimmt sie trotzdem ernst. Am Donnerstag, 13. Dezember, trifft man sich in Braunsbedra zur „Jahreskonferenz 2018 der Metropolregion Mitteldeutschland“ und lässt dort Vorträge zu den Themen „Naturschutz vs. Tourismus“, „Klimawandel und Elster-Saale-Kanal“ über sich ergehen – samt Diskussionen über Entwicklungsperspektiven, mögliche Interessenkonflikte und zukünftige Herausforderungen. „Darüber hinaus dient die Jahreskonferenz 2018 als Ausblick und Vernetzungsplattform für die World Canals Conference (WCC) 2020, die in Leipzig und Mitteldeutschland stattfinden wird.“
Man merkt: Die ganze Region ist noch völlig ratlos. Phantasievolle Bürgermeisterinnen und Bürgermeister träumen noch immer von einem blühenden Wassertourismus – was wirtschaftlich überhaupt keinen Sinn macht. Bestenfalls entstehen ein paar eher schlecht bezahlte saisonale Arbeitsplätze, aber nichts, was den Erwerbstätigen in der Region wirklich verlässliche Einkommensperspektiven bietet. Die lägen in echten wirtschaftlichen Investitionen.
Aber bislang kümmerte das weder die sächsische noch die sachsen-anhaltinische Seite. Man bettelt lieber beim Bund um weitere Milliarden – völlig ohne Konzept und Plan.
Ministerpräsident Kretschmer hatte Ende November im Verein mit seinen Kollegen aus den ostdeutschen Braunkohleländern nach eigenen Worten „die Notbremse“ für die Arbeit der Kommission „Wachstum, Arbeit und Beschäftigung“ (Kohlekommission) durch Intervention bei der Bundeskanzlerin gezogen.
Entsprechend lautet dann auch der Tagesordnungspunkt zur Aktuellen Debatte am Freitag, 14. Dezember, ab 11 Uhr im Sächsischen Landtag, beantragt durch die Grünen-Fraktion: „Blockade gegen Klimaschutz und Strukturwandel – Arbeit der Kohlekommission nicht länger sabotieren!“
„Es gab einen ganz klaren Arbeitsauftrag für die Kommission, einen gangbaren Weg zur Verringerung der Klimaschutzlücke des Jahres 2020 bis zur UN-Klimakonferenz in Katowice zu beschreiben“, erklärt Dr. Gerd Lippold, energie- und klimapolitischer Sprecher der Fraktion.
„Dieses Ergebnis hat der Ministerpräsident durch seine ‚Notbremse‘ sabotiert. Damit ist die Gefahr weiterer Verzögerung gewachsen, bis jegliche Möglichkeiten zum Handeln vor dem Jahr 2020 außer Reichweite geraten. Auch ein Konsens zur Erreichung des 2030-Zieles gerät zunehmend in Gefahr.“
Ohne einen Ausstiegsplan ist auch ein vom Bund geförderter Strukturwandel in den Bergbauregionen schwer vorstellbar. Die Kommission sollte sich ja auch über die Form dieses Strukturwandels Gedanken machen. Aber indem die Ministerpräsidenten von Brandenburg, Sachsen und Sachsen-Anhalt einfach mit der 60-Milliarden-Euro-Forderung dazwischengegrätscht sind, kam die Arbeit der Kommission völlig ins Wanken.
„Ohne verbindliche Festlegungen zu einem klimaschutzgerechten Kohleausstiegspfad kann und wird es jedoch auch keine Verbindlichkeit zu milliardenschwerer Regionalförderung für die Lausitz, das mitteldeutsche Revier und das rheinische Revier geben“, sagt Lippold.
„Durch seine ‚Notbremse‘ gegen die Kohlekommission in einer entscheidenden Phase vor der UN-Klimakonferenz riskiert der Ministerpräsident, am Ende mit leeren Händen vor all die engagierten Menschen treten zu müssen, die heute in der Lausitz und in Mitteldeutschland bereits Pläne und Projekte für Perspektiven nach der Kohle entwickeln und auf Milliarden öffentlicher Gelder als Strukturentwicklungshilfen hoffen.“
Sachsen will sich die rechtlichen Folgen eines Kohleausstiegs vom Bund versichern lassen
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Es gibt 2 Kommentare
Darüber hinaus: Bei all dem Fachkräftemangel, den “die Wirtschaft” nicht müde wird lamentierend zu wehklagen, kann es doch kein Problem sein, diese fehlenden Fachkräfte durch solche aus der Kohleindustrie zu besetzen?!
Da braucht es diesen Schwachsinn “WTNK” nebst dem herbeigeredeten Gegensatz Natur vs. Tourismus nicht, weil es eines WTNK nicht bedarf. Jedenfalls nicht als Ersatz für die wegfallenden Arbeitsplätze. Für Merkle & Co. schon. Die nehmen die Steuermillionen gerne mit.
Mal abgesehen davon, daß, wenn Arbeitsplätze im Tourismus geschaffen würden (was nicht zutrifft, da es diesen nicht gibt und nicht geben kann) diese in der Tat prekäre Arbeitsplätze wären. Also mitnichten welche, die die qualifizierten Arbeitsplätze ersetzen könnten.
Die Menschen werden also doppelt belogen und betrogen.
Er hat keinen. Nie gehabt. So wie kein amtierender Politiker oder keine Politikerin einen haben. Selbst die Grünen schreiben doch in ihrem Positionspapier, daß die Ideen dann von den Menschen vor Ort kommen müssen. Das wird ausgesessen, Bis auch der letzte Rentner in der Region keine Idee mehr hat – außer Landfluchtgedanken. Je nach Standpunkt ist es gut oder schlecht, daß wohl kaum ein heute noch amtierender Regionalpolitiker nach der kommenden Wahl in der Pflicht steht. Nette Kohle-Operette.