Dem so gern mit der AfD verknüpften Rechtsruck in Deutschland ging ein ganz anderer Rechtsruck voraus: der der CSU und einiger CDU-Landesverbände, so wie in Sachsen. Und dieser Rechtsruck war nicht nur mit forciertem Misstrauen gegen alles Linke verknüpft, sondern auch mit einer staatlich installierten Beobachtungs-Konstanz. Die Extremismus-Erklärung ist zwar Geschichte. Der Verfassungsschutz ist aber immer noch dabei. Valentin Lippmann hat nachgefragt.
Denn Sachsens Demokratieprojekte werden weiterhin regelmäßig vom Landesamt für Verfassungsschutz Sachsen überprüft. Das geht aus der Antwort von Innenminister Prof. Roland Wöller (CDU) auf eine Kleine Anfrage von Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion im Landtag, hervor.
„Es ist der blanke Hohn, dass ausgerechnet jene Projektträger, die sich mit ihrem zivilgesellschaftlichen Engagement für die freiheitlich demokratische Grundordnung einsetzen, vom Verfassungsschutz überprüft werden. Und das regelmäßig, ohne dass sie Anlass für eine solche Prüfung gegeben hätten“, ist Valentin Lippmann empört.
Dass das rechtlich sehr fragwürdig ist, hat ja gerade erst ein Gutachten gezeigt, das gemeinsam vom Bundesverband Mobile Beratung e.V., dem Verband der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt e.V. (VBRG) sowie der Bundesarbeitsgemeinschaft Demokratieentwicklung (BAGD) in Auftrag gegeben worden war.
Staatliche Sicherheitsbehörden haben bei der Genehmigung von Förderung von Demokratieprojekten nichts zu suchen.
„Darin kommt ein Misstrauen gegenüber zivilgesellschaftlichem Engagement zum Ausdruck, das noch perfider ist als die früher geltende sogenannte Demokratieerklärung. Damals wussten die Projektträger wenigstens, dass ihnen misstraut wird“, sagt Lippmann. „Die regelmäßige Abfrage beim Verfassungsschutz zu extremistischen Bestrebungen der über 70 Projektträger, die über das Landesprogramm ‚Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz‘ (WOS) gefördert werden, erfolgt hingegen klammheimlich ohne deren Wissen. Ob sie beispielsweise im Einzelfall zu einer Ablehnung der Förderung geführt hat, ist vollkommen ungewiss. Dazu schweigt der Innenminister wie auch darüber, ob Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter solcher Projekte vom Verfassungsschutz überprüft werden.“
Welchen Zirkelschluss Minister Wöller vornimmt, um die Überprüfung als legitim erscheinen zu lassen, wird in seiner Antwort an Lippmann deutlich: „Eine Überprüfung von nichtextremistischen Trägern durch das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Sachsen im Sinne der Fragestellungen findet nicht statt.“
Und dann kommt das Aber: „Es wird jedoch auf Ziff. III. Nr. 2 der Richtlinie des Sächsischen Staatsministeriums für Soziales und Verbraucherschutz Geschäftsbereich Gleichstellung und Integration zur Förderung von Projekten für das Landesprogramm ‚Weltoffenes Sachsen für Demokratie und Toleranz‘ vom 7. März 2017 hingewiesen. Danach darf ein Zuwendungsempfänger nach seiner Satzung oder seinem tatsächlichen Verhalten keine Bestrebungen im Sinne des § 3 Abs. 1 des Sächsischen Verfassungsschutzgesetzes (SächsVSG) unterhalten oder fördern.“
Und weil das Sozialministerium eine solche Förderung ausschließt, glaubt es sich auch berechtigt, die Antragsteller überprüfen zu lassen. Wöller: „Zur Prüfung dieser Fördervoraussetzung erfolgt durch die Bewilligungsbehörden regelmäßig eine Abfrage beim LfV Sachsen, ob und inwiefern dort Erkenntnisse zu den zur Förderung vorgeschlagenen Projekten bzw. Projektträgern vorliegen, die eine Förderung infrage stellen bzw. ausschließen könnten. Die Abfrage dient lediglich dem Zweck des Ausschlusses extremistischer Bestrebungen. Aufgrund der Nachfrage werden keine Informationen zu Trägern von Projekten im Sinn des § 2 Abs. 1 des SächsVSG durch das LfV Sachsen gesammelt und ausgewertet.“
Aber irgendwie betrifft das ja dann auch das Integrationsministerium.
Was Lippmann zu folgender Forderung bringt: „Ich fordere von Petra Köpping, Staatsministerin für Gleichstellung und Integrationen, bei der die Stabsstelle Demokratieförderung angesiedelt ist, diese entwürdigende Praxis der Regelabfrage beim Verfassungsschutz sofort einzustellen und die Projektträger über das ganze Ausmaß der Überprüfung zu informieren. Engagement für unsere freiheitliche Demokratie braucht Rückhalt und Wertschätzung und keinen Generalverdacht.“
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