Am 18. April klang der neue Innenminister Prof. Dr. Roland Wöller schon fast genauso wie sein Vorgänger Markus Ulbig. Das Regierungskabinett hatte in seiner letzten Sitzung die Pläne zum neuen Sächsischen Polizeigesetz abgenickt. Am 18. April stellte Wöller Details daraus der Presse vor. Der komplette Entwurf blieb noch geheim, wurde aber wenig später geleakt.
Das Medienportal Buzfeed veröffentlichte den bisher für den internen Gebrauch vorgesehenen Referentenentwurf. Der Inhalt bestätigte die schlimmsten Befürchtungen der Opposition im Landtag: Aufrüstung und massive Kompetenzerweiterungen der Polizei sowie der kommunalen Polizeibehörden.
Zuvor hatte die SPD noch bestätigt, dass sie als kleiner Koalitionspartner die schlimmsten Zumutungen im Gesetzentwurf verhindert habe. Etwas, was Christian Hartmann, den innenpolitischen Sprecher der CDU-Fraktion, zutiefst wurmte: „Die Staatsregierung hat jetzt einen im Grundsatz guten Entwurf vorgelegt. Wir hoffen, dass der Referentenentwurf zügig beraten und an den Landtag überwiesen wird.
Uns fehlen jedoch wichtige Punkte, die bisher am Koalitionspartner gescheitert sind: die Online-Durchsuchung, die sogenannte Quellen-TKÜ (Telekommunikationsüberwachung) und die Bodycam für unsere Beamten. Alles Maßnahmen, die in einigen anderen Bundesländern schon längst möglich sind! Jetzt werden die Gewerkschaften der Polizei von der Staatsregierung angehört. Ihre Expertenmeinung aus der Praxis ist wichtig. Die noch fehlenden Befugnisse für unsere Polizei können so vielleicht noch in das Gesetz kommen. Wir werden als CDU-Fraktion jedenfalls dafür kämpfen.“
Der sächsische Gesetzentwurf schien also nicht ganz so verheerend wie der bayerische zu sein.
Aber wenig später meldete dann schon Valentin Lippmann, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, seine berechtigten Zweifel an. Denn das Polizeigesetz soll ja eine ganze Riege von Zugriffsrechten festschreiben, die Markus Ulbig schon mal als Placebo in die Polizeipraxis eingeführt hatte – noch ohne jede gesetzliche Grundlage.
„Die Vergangenheit lehrt uns, dass einmal eingeführte Verschärfungen von Sicherheitsgesetzen nicht wieder rückgängig gemacht werden. Es sei denn, ein Gericht spricht ein Machtwort“, erklärte Valentin Lippmann. „Aus diesem Grund fordern wir Grünen vor den weiteren Verschärfungen der Sicherheitsgesetze eine sorgfältige Evaluation bestehender Befugnisse − auch in anderen Bundesländern − und eine gründliche Abwägung. Die Begründung, dass wir beispielsweise eine präventive Telekommunikationsüberwachung in Sachsen brauchen, weil andere Länder dies auch haben, überzeugt mich nicht im Geringsten.
Die sächsische Polizei bekommt damit geheimdienstliche Befugnisse. Damit werden schwere Eingriffe in die Privatsphäre bereits weit in das Vorfeld einer Straftat verlegt. Dies betrifft alle sächsischen Bürgerinnen und Bürger, nicht nur potentielle Terroristen. Die Frage ist doch, wie man eine gute Aufgabenerledigung der Polizei erreichen kann und gleichzeitig so wenig wie möglich in die Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreift, die keine Straftaten begangen haben.“
Und natürlich zielt seine Kritik auch schon auf Wöllers Polizeigesetz, wenn es denn überhaupt auf dessen Mist gewachsen ist und nicht wieder eines jener eindrucksvollen Beispiele, welches Eigenleben ein bürokratischer Apparat entwickeln kann, wenn er auf die amtliche Panik im Land rechnen kann.
Denn das jahrelange Schüren von Ängsten und Unsicherheit zeitigt ja Früchte. Wo immer mehr Menschen glauben, dass die Welt unsicherer geworden ist, kann man Einschnitte in die Freiheit der Bürger viel leichter als „notwendig“ verkaufen.
„Wir fordern Innenminister Prof. Roland Wöller auf, darzulegen, aus welchen konkreten Gründen eine intelligente Videoüberwachung, eine präventive Telekommunikationsüberwachung, die stationäre automatisierte Kennzeichenerfassung, die Erhebung von Verkehrsdaten, Nutzungs- und Bestandsdaten und die Einführung der Fußfessel in Sachsen erforderlich sind“, benannte Lippmann das Arsenal der Zumutungen, die auch im Gesetzentwurf zu finden sind.
„Wir Grünen erwarten bei solch einschneidenden Eingriffen in die Bürgerrechte eine gründliche Auswertung bereits bestehender Befugnisse und eine transparente Begründung. So wird man möglicherweise auch zu dem Schluss kommen, dass auch Träger von Fußfesseln schwere Straftaten begehen können.
Oder dass die durch die bereits bislang durchgeführte mobile Kennzeichenerfassung ermittelten Straftaten in keinem Verhältnis zur Anzahl überwachter Fahrzeuge und zum Aufwand stehen. Eine sorgfältige Evaluation muss Grundlage der aktuellen Debatte um das Polizeigesetz werden. Bloß weil andere Bundesländer Unsinn machen, kann das kein Argument sein, dem in Sachsen auch noch zu folgen.“
Und auch in der Linkspartei hat man das neue Polizeigesetz mittlerweile genau gelesen.
„Das vorliegende Dokument lässt zweifeln, ob die Verfasser sich der Tragweite ihrer Ausführungen bewusst sind. Innenminister Wöller lobt den Entwurf als ‚Qualitätssprung und deutliche Verbesserung des geltenden Rechts‘. Für mich bleibt offen, was er damit meint. Laut Entwurf soll die Polizei die Möglichkeit erhalten, zeitweise geheime öffentliche Kontrollbereiche einzurichten oder aber flächendeckende Videoüberwachung mit detaillierter Personenerkennung anzuordnen.
Dies sind elementare Eingriffe in die Persönlichkeitsrechte eines jeden Individuums und stellen faktisch alle Menschen unter Generalverdacht. Dies entbehrt jedweder Verhältnismäßigkeit“, erklärt Antje Feiks, Landesvorsitzende der Linken. „Doch dem nicht genug, die Polizei soll mit Handgranaten, Maschinengewehren und Tasern aufgerüstet werden. Weiterhin ist geplant, dass die Polizeibehörden weitreichendere Kompetenzen erhalten und faktisch zu einer Polizei light aufgewertet werden sollen.“
Was für sie die Frage aufwirft, welches Szenario den Verfassern dieses Dokumentes vorschwebt.
„Braucht es wirklich Handgranaten oder Maschinengewehre, um die öffentliche Ordnung zu sichern? Auch die aktuelle Kriminalstatistik liefert keinen Hinweis, warum diese Verschärfung notwendig sein sollte. Die Zahlen belegen einen Rückgang der Straftaten und keine extreme Steigerung, die diesen Gesetzesentwurf in irgendeiner Weise rechtfertigen würden.“
Aber die konservativen Innenminister der Republik haben sich ja in den letzten Jahren gegenseitig hochgeschaukelt beim Ausmalen einer immer schlimmeren Sicherheitslage, derer die (heruntergesparte) Polizei mit den verfügbaren Mitteln nicht mehr beikäme. Und Sachsens Innenminister waren immer ganz vorn mit dabei, wenn es darum ging, die Lage möglichst finster zu malen.
„Obwohl derzeit die bayerische Polizeigesetzesänderung im Fokus der medialen Berichterstattung liegt, ist der hier vorliegende Entwurf nicht von minderer Bedeutung. Vielmehr zeigt er, dass die unionsgeführten Bundesländer eine massive Ausweitung der Polizeikompetenzen initiieren. Dies ist die falsche Antwort auf Terrorismus und die Forderung rechter Kräfte nach einem starken Staat“, benennt Feiks die Gründe dafür, warum sich die konservativen Innenminister derart in eine Fiktion martialischer Aufrüstung stürzen und damit dem verbalen Krach von Rechtsaußen auch noch Nahrung geben.
Feiks: „Ein starker Staat sollte an seinen demokratischen Freiheiten festhalten und diese nicht aus Opportunitätsgründen opfern. Für mich ist dieser Entwurf ein elementarer Angriff auf die Freiheit eines jeden Menschen und in dieser Form abzulehnen.“
Leipziger Zeitung Nr. 54, jetzt im Handel: Schärfere Polizeigesetze ersetzen keinen aufrechten Gang
Leipziger Zeitung Nr. 54: Schärfere Polizeigesetze ersetzen keinen aufrechten Gang
Es gibt 5 Kommentare
Ja, bei mir erhöht die Schußabgabe pro Sekunde auch in keinster Weise mein Sicherheitsgefühl, ganz im Gegenteil. Bis jetzt fühl ich mich kein bisschen unsicher, aber wenn ich mir vorstelle, dass Beamte, die schon jetzt teilweise mit ihrem “normalem” Dienstalltag überfordert zu sein scheinen (wie sonst lassen sich die vielen Prügelvideos erklären?) demnächst mit so nem Teil in der Hand die Nerven verlieren – ich glaub nicht, dass ich dann in der Nähe sein möchte. Ein paar mehr Polizisten statt immer schlagkräftigere Waffen würden mich sehr viel mehr beruhigen.
Das was die Polizei bisher hatte, sind meines Wissens Maschinenpistolen. MG’s sind Kriegswaffen, was die Polizei damit soll, weiß ich allerdings nicht. Vielleicht Häuser abreißen? Hunderte Demonstranten in Sekundenschnelle niedermähen kanns ja wohl nicht sein.
Ja, es ist schon komisch, was so eine demokratische, freie, gleiche und geheime Wahl hervorbringen kann, sogar eine CDU-geführte Regierung.
Schon seltsam, was einem dadurch “an die Backen gehängt wird”.
Aber mal davon abgesehen.
Ich könnte mir ja noch vorstellen, dass man über diese optischen Überwachungen diskutieren kann und muss, deren Sinnhaftigkeit und Gefahren bei Speicherung.
Allerdings sollte man dann mal die gesamte “Überwachung” einer Stadt, welche schon jahrelang stattfindet, nicht aus den Augen verlieren.
Mir fallen da der Hauptbahnhof (seit Umbau), Banken und Sparkassen, Straßenbahnen und Busse, Tankstellen …. was weiß ich noch ….. ein!
Da höre ich keinen “Aufschrei”, wegen der Gefahren, von Speicherung und Missbrauch.
Nun bin ich auf dem Gebiet der “inneren Sicherheit” ein Laie (und habe natürlich nicht die absolute Wahrheit in der Tasche, wie andere LeserInnen).
Daher bewegt mich ein Punkt, der in der Diskussion immer wieder bemüht wird und ich glaube, wie die eine Seite dramatisiert, so verharmlost die andere Seite in der Debatte.
Es geht um das Thema “Maschinengewehre” (ich kenne auch die Definition nicht, welche Waffen darunter fallen).
Ich kenne aber Dokumentation aus der “alten BRD”, in den Zeiten des “RAF-Terrors”, in welchen man die Polizei ständig mit solchen Waffen sieht, z.B. bei der Kontrolle von Fahrzeugen oder Gebäuden.
Auch in der “Neuzeit” kann man Berichte sehen, die die Polizei mit solchen Waffen zeigt (z.B. Autobahnkontrollen oder Suche nach flüchtigen Schwerverbrechern).
Nun ist die Frage, ob dieser Waffenbesitz der Polizei dann seit Jahren oder Jahrzehnten rechtswidrig – oder in Ausnahmefällen (genannte Beispiele) vielleicht jetzt schon gestattet ist?
Das würde mich doch echt mal interessieren, weil es mir halt aufgefallen ist.
Gut, denken wir mal eine Runde weiter, denn Handgranaten und Panzer werden an der gefühlten Sicherheit im Land nix ändern. Wenn also die nächste Verschärfung ansteht, was kommt dann? Atomraketen und U-Boote?
Na prima. Das kann einem ja glatt die Umzugsfreude verderben. Wobei – von NRW nach Sachsen ist ja mittlerweile auch nicht mehr soooo der große Unterschied, wir mussten uns hier ja auch unbedingt die CDU an die Backen hängen. Naja. Dann halt vom Regen in die Traufe oder so…