Die geplante Strukturkommission zur Vorbereitung des Kohleausstiegs existiert noch nicht einmal, da prügeln sich schon lauter Leute um die Sitze in der Kommission. Insbesondere die ostdeutschen Braunkohleländer Sachsen, Sachsen-Anhalt und Brandenburg fordern für sich eine hervorgehobene Stellung in der geplanten Kommission des Bundes. Auch wenn sie bislang noch nicht mit eigenen Vorschlägen zum Kohleausstieg glänzten. Dabei könnte man zehn Meiler problemlos vom Netz nehmen, findet Jana Pinka.
Sie ist umweltpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Sächsischen Landtag und wundert sich nur über die Gerüchte, Sachsens Ex-Ministerpräsident Stanislaw Tillich könnte an die Spitze der Kommission berufen werden. Ausgerechnet der Mann, der sich so vehement für das Wohl der Kohlekonzerne in Sachsen eingesetzt hat und jeden Gedanken an den absehbaren Strukturwandel in der Lausitz meilenweit von sich gewiesen hat.
Die Vorschläge, planvoll an den Kohleausstieg zu gehen, stammen eher aus der sächsischen Opposition – von Grünen und Linken. Während die Bündnisgrünen im Bund sich vorstellen können, 20 alte Kraftwerksblöcke vom Netz zu nehmen, und sich dabei auf Berechnungen der Agora Energiewende beziehen, die das durchaus für machbar hält, meint Pinka, dass man zumindest die Hälfte dieser Kapazität vom Netz nehmen kann, ohne dass die Versorgungssicherheit gefährdet ist.
Auf der Versorgungssicherheit reiten ja sächsische Spitzenpolitiker immer herum, wenn es um die Abschaltung der Kohlemeiler geht. Obwohl ein Großteil des sächsischen Kohlestroms schon seit einigen Jahren exportiert wird und gerade in wind- und sonnenreichen Tagen die Netze im Osten völlig überlastet sind und gerade Windparks in Größenordnungen vom Netz abgeklemmt werden müssen.
Es geht immer um die Größenordnungen, die man vom Netz nimmt. Aber gerade Tillich argumentierte immer nur in einer Schwarz-Weiß-Polemik, die gleich den Stromkollaps an die Wand malte, wenn man auch nur einen Meiler infrage stellte. Ein belastbares Konzept zum Strukturwandel ist seit Jahren überfällig.
Die Linken, so Dr. Jana Pinka, haben da ihre eigenen Vorstellungen zur Kohleausstiegskommission entwickelt und in einem eigenen Antrag (Parlaments-Drucksache 6/13055) im Sächsischen Landtag festgehalten.
Sie spricht zwar auch vom Konsens – aber nicht so einem kleinen, wie ihn die alten Kohlelobby-Verfechter sehen.
„Entscheidungen sollten – analog zum Vorgehen etwa in Umweltministerkonferenzen – im Konsens (vgl. Ziffer 6.1. der Geschäftsordnung) gefällt werden, um einen Minderheitenschutz zu gewährleisten und langfristig tragfähige Lösungen erzielen zu können“, so Pinka, „selbstredend müssen Vertreterinnen und Vertreter von Umweltverbänden mit in der Kommission sein, wie es der Koalitionsvertrag (S. 142f.) vorsieht.“
Und dann kommt sie zu dem, was eigentlich jetzt schon passieren könnte, wenn sich denn die ganzen Verfechter ihrer Pfründe einmal auf einen wirklichen Konsens einigen könnten: „Zur Erreichung des 2020-Klimaziels sollten zunächst 5 bis 7 GW (Gigawatt) der ältesten Braunkohlekraftwerke abgeschaltet werden.“
Das entspricht nämlich dem Vorschlag des Umweltbundesamtes (UBA), das seinerseits längst berechnet hat, wie viel fossiler Energieerzeugung man aus dem Markt nehmen kann, ohne die Grundversorgung zu gefährden. Das sind aus UBA-Sicht 5 Gigawatt, was ungefähr zehn alten Kraftwerksblöcken entspricht.
Das Problem ist nicht die Zahl, sondern die Frage, welche Blöcke man wo abschaltet. Denn die Leistung eines Kohlekraftwerks bestimmt, wie viel Kohle man aus dem nächstgelegenen Tagebau braucht – und ob sich der Tagebau dann noch rentiert. Hinter der Frage nach der Stilllegung einzelner Kraftwerksblöcke oder gar ganzer Kraftwerke schwelt also die Frage, welche Tagebaue als erste ihren Betrieb einstellen (müssen).
„Die Kommission ‚Wachstum, Strukturwandel und Beschäftigung‘ steht unter enormem Erwartungsdruck und soll in kürzester Zeit weitreichende Entscheidungen treffen oder vorbereiten“, kommentiert Dr. Jana Pinka die gar nicht so leichte Aufgabe, die dieser Kommission auf dem Tisch liegt. „Damit die dort getroffenen Entscheidungen langfristig und gesamtgesellschaftlich tragbar sind und nicht von einzelnen heute einflussreichen Lobbygruppen – sei es ‚für‘ oder ‚gegen‘ die Braunkohle – dominiert werden, wäre das Konsensprinzip zu begrüßen.“
Aber ob das mit den Bundesländern geht, die jedes für sich um den kompletten Erhalt ihrer verbliebenen Kohlewirtschaft kämpfen, ist durchaus eine unbeantwortete Frage. Können die Kämpfer für „ihre Braunkohle“ überhaupt Konsens? Oder fliegen die Fetzen schon dann, wenn man überhaupt erst einmal über die abschaltbaren Kapazitäten redet?
„Die Abschaltung von Braunkohle-Überkapazität wäre für die Energieversorgung unproblematisch“, betont Jana Pinka. „In der Anlage zu unserem Antrag können wir zudem vorrechnen, wie ein Ausstieg aussehen könnte und dass Tagebauerweiterungen (Nochten mit Sonderfeld Mühlrose, Vereinigtes Schleenhain mit Pödelwitz und Obertitz) in jedem Fall unnötig sind.“
Aber damit benennt sie auch schon die Realitätsverweigerungen der sächsischen Regierung, die sich bei den Abbaggerungsplänen für weitere sächsische Dörfer immer weggeduckt hat, obwohl sie alle Zahlen zum rückläufigen Kohleabbau auf dem Tisch hat.
„Je später die Energiewende bzw. ein merklicher struktureller Wandel zur Erreichung des völkerrechtlich verbindlichen 1,5-Grad-Ziels erfolgt, desto abrupter und intensiver müsste dieser Wandel erfolgen“, benennt Jana Pinka das, was tatsächlich passiert, wenn jetzt kein gemeinsamer Weg zum Rückbau der Kohlekraftwerkskapazitäten gefunden wird.
„Mit anderen Worten: Rasches Handeln schafft größere Handlungsspielräume in der mittelfristigen Zukunft. Ein ‚kalter Ausstieg‘ durch das Ausscheiden einzelner Wirtschaftsunternehmen – insbesondere bei EPH/ LEAG bzw. MIBRAG – ist kein auszuschließendes Szenario, wenngleich wohl für alle Beteiligten das schlechteste. Deswegen ist für alle Betroffenen die Planbarkeit des Ausstiegs aus der Braunkohle wichtig.“
Jetzt wollen die Braunkohle-Ministerpräsidenten auf einmal in der Kohleausstiegskommission mitreden
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