In der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag wird es einen Wechsel im Fraktionsvorsitz geben. Zur turnusgemäßen Wahl des Fraktionsvorstandes am Mittwoch, 23. Mai, hat der Landtagsabgeordnete Wolfram Günther, bislang umweltpolitischer Sprecher der Fraktion, seine Kandidatur als Vorsitzender angekündigt. Der bisherige Fraktionsvorsitzende Volkmar Zschocke kandidiert hingegen nicht mehr. Er begrüßt sogar, dass jetzt mehr Umweltkompetenz das Profil der Grünen-Fraktion bestimmen wird.

Denn es geht auch um die Landtagswahl 2019. In den Umfragen schienen die sächsischen Grünen geradezu zu verschwinden, während AfD und FDP mit medialer Urgewalt nach vorne preschten. Was auch damit zu tun hat, dass Umweltthemen in Sachsen medial fast untergehen. Die großen Medien berichten so gut wie nicht darüber. Obwohl das Bundesland einen Berg von Umweltproblemen hat – von den Folgen des Kohlebergbaus über den gravierenden Insektenschwund und die Serien von Müllskandalen bis zur hohen Grundwasserbelastung, den schmutzigen Flüssen bis hin zur immer länger werdenden Liste der bedrohten Arten.

„Wir stehen in diesem Jahr vor wichtigen Weichenstellungen für die Landtagswahl 2019. Diese wird für uns Grüne eine erhebliche Bedeutung haben. Es wird darum gehen, wie stark Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen, aber auch insgesamt in den ostdeutschen Landtagen vertreten sein werden. Und ob es uns gelingt, unsere Vorstellungen von einer modernen, freiheitlichen und ökologischen Gesellschaft breiter als bisher zu verankern“, erklärt Volkmar Zschocke, Vorsitzender der Grünen-Fraktion.

„Am 23. Mai 2018 steht die satzungsgemäße Neuwahl des Vorstandes der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag an. Mein Fraktionskollege Wolfram Günther hat seine Bewerbung als Fraktionsvorsitzender angekündigt. Seine Bewerbung bietet die große Chance, mit einem profilierten Umweltpolitiker die ökologischen Themen noch stärker ins Zentrum der öffentlichen Aufmerksamkeit zu stellen.“

Er unterstütze die Bewerbung von Wolfram Günther und habe die anderen Abgeordneten gebeten, dies auch zu tun, betont er. „Ich habe deshalb entschieden, keine Bewerbung als Fraktionsvorsitzender abzugeben. Ich habe mich in einem längeren Gespräch mit Wolfram Günther vergewissert, dass ich diese Entscheidung verantworten kann. Dies habe ich auch mit den anderen Abgeordneten besprochen. Ich kann Wolfram Günther mit gutem Gewissen den Staffelstab übergeben. Er hat meine volle Unterstützung und ich hoffe, auch die der anderen Abgeordneten.“

Und Wolfram Günther? Die Leipziger kennen ihn als Urgestein im Stadtforum Leipzig, aus Zeiten, als die Bürger noch jedes wertvolle Gebäude in Leipzig streitbar verteidigen mussten, als tatsächlich auch städtische Instanzen eifrig noch Abriss planten. So lang ist das noch nicht her. Man denke nur an den Abriss der Kleinen Funkenburg 2005.

Von Beruf ist er Rechtsanwalt, betreibt seine kleine Rechtsanwaltskanzlei in Leipzig, muss aber auch in seinen Abgeordnetenbüros im Land präsent sein. Das eine unterhält er in Oschatz, das andere in Freiberg, zusätzlich zum Abgeordnetenbüro in Dresden, wo er ja auch präsent sein muss und an Landtags- und Ausschusssitzungen teilnehmen.

„Spätestens seit der Bundestagswahl im vergangenen Jahr ist klar, dass auch in Sachsen die über lange Jahre vermeintlich festgefügten politischen Mehrheitsverhältnisse erheblich in Bewegung gekommen sind. In welche Richtung sich diese Bewegungen entwickeln werden, ist zu erheblichen Teilen offen. Es wird maßgeblich davon abhängen, welche Angebote auch wir Grüne an die Wählerinnen und Wähler machen. Die aktuelle Lage im Freistaat ist für uns eine enorme Herausforderung und große Chance zugleich“, erklärt Wolfram Günther zu seiner Kandidatur.

„Inhaltlich stehen wir Grünen als einzige politische Kraft für die konsequente Durchsetzung der Nachhaltigkeit auf allen Politikfeldern. Ökonomische, soziale und ökologische Belange sind für uns im Hinblick auf schonenden Umgang mit Ressourcen und natürliche Regenerationsfähigkeit gleichrangig zu berücksichtigen.“

Und dann kommt er auf das Themas zu sprechen, das in der sächsischen Politik als riesige Leerstelle erscheint.

„Der Einsatz für eine ökologische Gesellschaft spielt bei allen anderen Parteien weiterhin eine untergeordnete Rolle. Deshalb werden diesbezüglich die größten Erwartungen der Wählerinnen und Wähler an uns Grüne gestellt“, benennt Günther die Wählererwartungen.

„Natur- und Umweltschutz bestimmen mein Leben und ganz besonders mein Berufsleben von Anfang an und in vielfältiger Weise. Seit dem Jahr 2014 vertrete ich diese Themen auch in unserer Fraktion. Als ausgewiesener Umweltpolitiker verspreche ich mir von einer Bewerbung für das Amt des Fraktionsvorsitzenden, dass dadurch unsere breit aufgestellten Grünen-Aktivitäten auf diesem Feld eine noch höhere öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Und dass damit die Arbeit der Landtagsfraktion und von Bündnis 90/Die Grünen in Sachsen insgesamt stärker in den Fokus der Öffentlichkeit rückt.“

Denn eigentlich geht es darum, dass auch Sachsen lernen muss, Zukunft zu denken. Das geht nur mit einer wirklich umweltschonenden und nachhaltigen Politik.

„Wir brauchen in Sachsen einen gesellschaftlichen Wandel, hin zu einer modernen Bürgergesellschaft“, erklärt Günther, was das mit einer modernen und freien Bürgergesellschaft zu tun hat.

„Neben Natur und Umwelt haben mich vor allem die Themen Demokratie und Freiheit, Finanzen, Landwirtschaft, Kultur, Stadtentwicklung, Denkmalschutz sowie Verkehrspolitik bewegt und angetrieben. Wohnen und Miete stellen für mich neben der Verkehrsplanung aktuell das drängendste Problem in den Großstädten dar. Soziale Entmischung und Verdrängung von Haushalten mit niedrigen oder normalen Einkommen sind das Gegenteil nachhaltiger Stadtentwicklung, für die ich mich seit Jahren ganz besonders in Leipzig, aber auch in anderen sächsischen und mitteldeutschen Städten engagiere.“

„Immer war und ist Schwerpunkt meiner Arbeit, Menschen für gemeinsame Ziele zusammenzubringen“, legt er noch nach. „Als in der späten DDR in der evangelischen Kirche und bei den Friedensgebeten und Montagsdemonstrationen in Leipzig politisch sozialisierter Mensch stehe ich wie schon Volkmar Zschocke außer für das ‚Grün‘ auch für das ‚Bündnis 90‘ in unserer Partei.“

Der Vorstand der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen im Sächsischen Landtag besteht gemäß der Fraktionssatzung aus drei Personen; der bzw. dem Vorsitzenden, der bzw. dem stellvertretenden Vorsitzenden und der bzw. dem Parlamentarischen Geschäftsführer/in. Seit der letzten Vorstandswahl Ende November 2016 bekleiden Volkmar Zschocke, Franziska Schubert und Valentin Lippmann diese Ämter. Schubert und Lippmann haben erklärt, wieder für diese Ämter kandidieren zu wollen.

Und Zschocke begrüßt es, dass Günther für den Fraktionsvorsitz kandidieren möchte.

„Wir sind als Fraktion ein Team von thematisch profilierten Politikerinnen und Politikern. Unser Anspruch war von Anfang an, die acht neuen Köpfe der Fraktion greifbar mit ihren Themen zu verbinden. Nun gehen wir gemeinsam den Schritt einer wichtigen Neuaufstellung. Dies ist ein Signal an die Öffentlichkeit, dass wir die den Grünen zugeschriebene Kernkompetenz noch sichtbarer in den Mittelpunkt der Fraktionsarbeit rücken werden“, erklärt Zschocke.

„Vor uns liegen der letzte Abschnitt der Legislatur und vor allem ein herausfordernder Wahlkampf. Es geht 2019 um grundsätzliche Weichenstellungen in unserem Bundesland. Am Abschneiden der Grünen wird sich maßgeblich entscheiden, in welche Richtung Sachsen steuert. Die öffentliche Auseinandersetzung um diese Frage wird Partei und Fraktion auf allen Ebenen viel abverlangen. Jede und Jeder ist dabei gefragt. Wir Abgeordnete sind bereit − mit Expertise, Energie und Empathie − gemeinsam in diese Auseinandersetzung zu gehen.“

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