Jahrelang wurde von titelbehangenen Experten darüber schwadroniert, dass die Bundesrepublik ja nun irgendwie „nach links“ gerückt sei – ein Hauptargument für alle Leute, die Angela Merkel nicht mögen und ihr sozusagen „Verrat“ am konservativen Kern der bürgerlichen Volkspartei unterstellten. Seit aber die AfD mit dicken Wahlerfolgen in die Landtage und den Bundestag eingezogen ist, wird von einem „Rechtsruck“ fabuliert. Dabei geht es die ganze Zeit um eine völlig andere Frage: Wer bekommt eigentlich das Geld?
In jedem guten Krimi stellt sich der Ermittler (oder die Ermittlerin) nicht nur die Frage: Wer war’s? Sondern viel eher noch Fragen wie: Wem nützt die Tat? Wer hat davon einen Gewinn?
Wer profitiert davon, wenn eine ganze Nation sich mit diesem fabulösen Unfug der Neuen Rechten beschäftigt und wie gebannt auf scheinbar hin und her trippelnde Parteien starrt, die augenscheinlich nicht wissen, wo sie hingehören – nach rechts? nach links? – Ein einziges Affentheater.
Während gleichzeitig und meist kaum bemerkt die Millionen und Milliarden umverteilt werden. Auch in Sachsen. Was am Freitag, 11. Mai, dann zwei Meldungen aus den beiden Regierungsfraktionen wieder deutlich machten.
Wir haben ja zwei, auch wenn einige Kommentatoren immer wieder so tun, als müsste die SPD als kleinerer Koalitionspartner nun alles umsetzen, was sie sich wünscht. Man sollte die durchaus oft gegensätzlichen Meldungen aus beiden Fraktionen beachten, wenn man sich in der Klausur doch wieder nicht hat einigen können. Denn die CDU hat sich ja nicht in Luft aufgelöst. Sie kämpft in der Regierung nach wie vor für all ihre Lieblingsprojekte, die sie seit 1990 verfolgt.
Und das wurde auch wieder deutlich, als Finanzminister Dr. Matthias Haß am 11. Mai die für Sachsen zu erwartenden Mehreinnahmen bei den Steuern nach der jüngsten Schätzung des Arbeitskreises Steuerschätzung bekannt gab. 141 Millionen Euro werden es mehr sein gegenüber der Prognose vom November 2017. Nach aktuellem Stand. Das klingt nach viel Geld, ist aber – verglichen mit insgesamt rund 14 Milliarden Euro Steuereinnahmen – eher nur ein „Tropfen auf dem heißen Stein“. Ein lüttes Prozent.
Und trotzdem blinkten sofort lauter Begehrlichkeiten auf. Als würde das kleine Plus auf einmal die Erfüllung aller großen Wünsche ermöglichen.
Wie schief die Denkweise der seit 28 Jahren regierenden CDU ist, machte Jens Michel, der finanzpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, deutlich: „Der Trend zeigt für Sachsen klar nach oben. Das bewahrt uns vor Einschnitten, denn in den letzten Wochen erlebten wir z. B. mit dem Lehrerpaket hohe konsumtive Ausgaben!“
Was schon einmal geschwindelt war, dass sich die Balken bogen: Nach zehn Jahren des wilden Drauflossparens bei den Lehrern hat sich die Koalition endlich durchgerungen, die Personalpolitik im Schulbereich zu korrigieren – da schwadroniert Michel von „hohen konsumtiven Ausgaben“. Die alten (und ziemlich närrischen) Vorstellungen von dem, was Investitionen von Konsumtion unterscheiden, stecken noch immer in den Köpfen der sächsischen CDU-Abgeordneten. Obwohl selbst die Wirtschaftsverbände seit Jahren betonen: Geld für Bildung ist direkte und wirksamste Investition.
Wofür die in ihren alten Vorstellungen gefangenen CDU-Spitzen das Geld am liebsten ausgeben würden, sagte Michel auch: „Die Autobahnen quellen über, die Straßen warten auf den Ausbau, der Breitbandausbau wird Millionen erfordern. Jetzt wird sich zeigen, ob wir den kleinen aber feinen finanziellen Spielraum mit Kleinkram verkleckern oder ob wir die Mehreinnahmen sinnvoll investieren.“
Was beim Koalitionspartner SPD ein gewisses Stirnrunzeln auslöste. Denn jahrzehntelang hat Sachsen die Millionen vor allem in Straßen-Ausbau investiert. Fast jedes Kleckernest hat eine exzellente Straßenanbindung – nur ist der alte Traum, dass damit Wirtschaftsentwicklung auch in die letzte Ecke des Freistaats vordringt, geplatzt. Im Gegenteil: Die Sachsen wandern über diese Schnelltrassen ab. Vorrangig Richtung Großstädte.
Und die Autobahnen?
Für die ist einzig und allein der Bund zuständig. Und keine einzige sächsische Autobahn reicht derzeit an die Belastungsfrequenzen westdeutscher Autobahnen heran, wo derzeit der Löwenanteil der Bundesmittel hinfließt.
Und mit dem Koalitionsvertrag haben diese Ausgabewünsche eh nichts zu tun. Daran erinnert Dirk Panter, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, der mit seiner Pressemeldung auch den so ausgabefreudigen Koalitionspartner daran erinnert, dass Sachsens Probleme völlig andere sind.
„Die Steuermehreinnahmen bieten uns finanzielle Spielräume, die wir nutzen werden, um die Handlungsfähigkeit des Freistaates weiter zu stärken. Wer Steuern zahlt, hat zu Recht den Anspruch, dass der Staat auch für ihn da ist. Das war, auch und gerade wegen der pessimistischen Finanzpolitik der Vergangenheit, oft nicht der Fall. Unser Anspruch ist eine vorausschauende, solide und kluge Finanzpolitik. Denn diese haben die Sächsinnen und Sachsen verdient“, sagte er.
„Die Prioritäten der SPD sind klar: Bildung, Sicherheit, Infrastruktur, Pflege und die Unterstützung unserer Kommunen. Das alles gemeinsam muss funktionieren – kein Bereich darf aufgrund erhöhter Ausgaben in einem anderen Bereich vernachlässigt werden. Das Lehrerpaket darf nicht zu Lasten von Polizei, Breitband oder Pflege umgesetzt werden.“
Nicht überlastete Autobahnen sind das Problem in Sachsen, sondern unterfinanzierte Kommunen, fehlende Lehrer und Polizisten.
Aber dass der Koalitionspartner da irgendwie die Zeitenwende nicht mitbekommen hat, ist Panther durchaus bewusst: „Wir müssen, gemeinsam mit dem Koalitionspartner, in den nächsten Wochen dafür sorgen, dass das Geld vor allem auch dort ankommt, wo es benötigt wird: in den sächsischen Städten, Gemeinden und Landkreisen.“
Auch wenn er Michel nicht nennt – das war dann schon so etwas wie ein deutliches Stoppsignal. Die SPD mit ihrem 12-Prozent-Ergebnis sitzt zwar in der Regierungskoalition am kürzeren Hebel. Aber unermüdlich versucht sie, den alten Beton-Unfug der CDU zu korrigieren. So weit das geht.
Es scheint auch hinter verschlossenen Türen eine zähe Arbeit zu sein.
„Die Maßnahmen gegen den Lehrermangel nützen wenig, wenn vor Ort die Schule nicht saniert, modernisiert oder erweitert werden kann. Hier werden wir für klare, einheitliche und über Jahre verlässliche Finanzzusagen sorgen. Die Zeit der kleinteiligen, komplizierten Förderprogramme, mit denen in der Vergangenheit vom Finanzministerium in die Kommunen hineinregiert wurde, muss endgültig vorbei sein“, sagt Panther und äußert seine Freude, dass wenigstens kein Betonkopf mehr im Finanzministerium regiert.
„Die letzten Monate haben gezeigt, dass wir die Probleme anpacken und lösen. Finanzieller Spielraum ist dafür entscheidend. Es ist gut, dass sich die Herangehensweise seit dem Wechsel an der Spitze des Finanzministeriums geändert hat. Weg vom Verwalten und Kleinrechnen – hin zu realistischen Schätzungen und damit zu mehr Handlungsfähigkeit. Das haben wir seit Jahren gefordert. Und tatsächlich: Geht doch!“
Der schwierigere Part ist jetzt augenscheinlich die CDU-Fraktion selbst, die noch immer glaubt, nur was in Beton und Asphalt gegossen werde, sei Investition. Nicht einmal das Alarmsignal der Bürgermeister aus dem Erzgebirge scheint verstanden worden zu sein, das ja nun deutlich zeigte, dass Sachsen auch so in Schieflage geraten ist, weil die ländlichen Räume schon lange keine finanziellen Spielräume mehr haben.
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