Das Jahr 2017 hat einiges aufgerührt. Gerade der Einzug der AfD in den Bundestag und ihr hohes Wahlergebnis in Sachsen hat augenscheinlich gerade jüngeren Bewohnern des Freistaats klargemacht, dass Politik auch dann weitergeht, wenn man zu Hause auf der Couch sitzt und über die Erfolge der andern schimpft. Wer für das, was ihm wichtig ist, nicht bereit ist zu kämpfen, der bekommt den populistischen Budenzauber quasi kostenlos und frei Haus. Das haben selbst die Grünen gemerkt.
Denn wo die SPD vom „Martin-Schulz-Effekt“ spricht, gab es eine ähnliche Entwicklung auch beim Landesverband von Bündnis 90/Die Grünen.
Der verzeichnete 2017 in Sachsen einen Mitgliederrekord und startet mit 1.545 Mitgliedern ins Jahr 2018. Das entspricht einem Zuwachs von 111 Mitgliedern in nur einem Jahr, so der Landesvorstand. Alle 13 Kreisverbände verzeichnen dabei einen Zuwachs.
Zu dieser positiven Mitgliederentwicklung erklärt Christin Melcher, Landesvorstandssprecherin der Grünen in Sachsen: „1.545 Mitglieder – wir sind so viele wie nie zuvor. Das stärkt unsere Position und ist ein gutes Rückgrat für die in 2019 anstehende Landtagswahl.“
Aber da war ja kein Martin Schulz. Oder hatten die Grünen einen heimlichen Kanzlerkandidaten?
„Wir sehen vielfältige Gründe für die Neueintritte. Die Menschen in Sachsen wollen mit uns gemeinsam Haltung und Mut beweisen. Eine neue Politik für Sachsen, die unsere Demokratie stärkt und Probleme angeht, gibt es nicht mit der CDU-geführten Staatsregierung. Wir stellen uns den drängenden Fragen und entwickeln Konzepte für die Zukunft“, versucht Christin Melcher eine Erklärung. Die auch zutreffen kann. Denn dass die CDU im September hinter der AfD nur nervöser Zweiter wurde, war ziemlich eindeutig das Ergebnis einer ratlosen Landespolitik. Man hatte zwar emsig versucht, die AfD in ihren populistischen Parolen zu Flüchtlingspolitik und Sicherheit irgendwie zu überbieten, aber der Unmut in den sächsischen Provinzen hat seine eigentlichen Ursachen in einer nicht mehr nachvollziehbaren Sparpolitik. Konzepte für die Zukunft des Freistaats fehlen.
Die Ideen, wie Bildung, Verkehr, Wohnen, Familie besser zu organisieren wären, findet man eher bei den Linken, den Grünen und der SPD.
Und längst hat Sachsen auch ein gewaltiges Umweltschutzproblem.
„Die vielen Neumitglieder wollen die globalen Klimaherausforderungen nicht länger ignorieren. Insektensterben, weder Austritt aus der klimaschädlichen Braunkohle noch Verzicht auf den Einsatz von Glyphosat – das treibt viele Menschen um. Sie wissen, dass wir jetzt handeln müssen, den Umweltschutz konsequent umsetzen und unsere Lebensgrundlagen erhalten müssen“, sagt Christin Melcher.
Es sind also die grünen Kernthemen, die auch in Sachsen wieder wichtiger werden und die auch nicht verschwinden, wenn scheinbar eine geharnischte Sicherheitspolitik alles überdeckt.
Wobei gerade Sachsen auch exemplarisch ist für den riesigen Dissens der Parteien beim Thema Bürgerrechte.
Während CDU und AfD glauben, die Freiheit der Bürger zu sichern, wenn sie immer mehr Rechte einschränken und die Ursache für alle Probleme ausgerechnet bei den Zufluchtsuchenden zu finden glauben, steht für Sachsens Grüne die Bewahrung der Bürgerrechte ganz oben auf der Agenda. Für sie ist es überhaupt keine Option, die 1989 so schwer errungene Freiheit nun einer eingebildeten Sicherheit und Abschottung zu opfern.
„Wir verzeichnen seit Jahren einen kontinuierlichen Mitgliederzuwachs, verstärkt seit der Bundestagswahl im vergangenen Herbst. Die sächsische CDU verkaufte zuletzt ihre christlichen Werte gegen Rechtspopulismus, unsere Demokratie und Bürgerrechte werden mit neuen Überwachungsmaßnahmen ausgehöhlt, unser gesellschaftlicher Zusammenhalt hängt am seidenen Faden“, zahlt Christin Melcher auf, was die CDU auf Bundes- und Landesebene an Einschnitten in die Rechte der Bürger vorantreibt. Das ist, so Melcher, nicht ihre Vision eines demokratischen Landes: „Die Menschen wollen sich jetzt gemeinsam mit uns für ein ökologisches, demokratisches und soziales Sachsen einsetzen – auch außerhalb vom Wahltag.“
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