Augenscheinlich ist es im sächsischen Umweltministerium genauso wie in allen anderen Ministerien Sachsens: Über Jahre wurde das Personal heruntergespart, auf „Effizienz“ verschlankt, wie das so schön im neoliberalen Sprech heißt. Und dann stellt sich bei hartnäckigem Nachfragen heraus, dass die Arbeit überhaupt nicht effizienter geworden ist. Sie wird einfach nicht mehr getan. Und der zuständige Minister merkt gar nicht mehr, dass er ein Null-Ministerium leitet.

Oder es interessiert ihn nicht, weil Naturschutz nicht sein Ding ist. Und der umweltpolitische Sprecher der Grünen im Landtag, Wolfram Günther, hat die nächste Ministerantwort auf dem Tisch, die ihn nur noch fragen lässt: Wozu hat Sachsen eigentlich einen Umweltminister?

Oder so: „Erfüllen die zuständigen Umweltbehörden in Sachsen ihre Kernaufgaben?“

Wolfram Günther hat daran jetzt erhebliche Zweifel.

Bei Eingriffen in Natur und Landschaft, bei Ausnahmen von Verboten usw. können die zuständigen Behörden Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen festlegen. Die unteren Naturschutzbehörden werden über solche Entscheidungen informiert. Dadurch sollen sie in der Lage sein, diese Kompensationsmaßnahmen zu kontrollieren.

In Sachsen ist dies leider kaum noch der Fall, kann Günther nun im Ergebnis einer Anfrage feststellen, deren Antworten er seit November auf dem Tisch hat, hin- und hergedreht im Kopf, aber das Ergebnis verbessert sich nicht. So hat die Landesdirektion Sachsen in den Jahren 2008 bis 2017 bei 889 Bescheiden mit festgelegten Ausgleichs- oder Ersatzmaßnahmen nur 35 Kontrollen durchgeführt. Bei diesen wenigen Kontrollen wurde festgestellt, dass gerade einmal in der Hälfte, konkret in 19 Fällen die Maßnahmen vollständig umgesetzt wurden.

„Die Situation ist alarmierend“, kommentiert Wolfram Günther die Minister-Antwort. „Der Minister listet bei den 624 festgesetzten Kompensationsmaßnahmen in Verantwortung der Straßenbauverwaltung des Freistaates im Zeitraum von 2008 bis 2017 keine einzige Kontrolle auf.“

Und auch das war ja mehrfach Thema seiner Anfragen zu Straßenbaumpflanzen an sächsischen Staatsstraßen. Jedes Jahr verschwinden tausende dieser Straßenbäume – aber Ersatzpflanzungen unterbleiben.

„Es klingt wie Hohn, wenn Minister Schmidt in seiner Antwort begründet, warum etwa die Straßenbauverwaltung keine genaueren Zahlenangaben zur Verfügung stellt: da ‚Planungen für Verkehrsvorhaben … in aller Regel von öffentlichen Planungsträgern aufgestellt (werden), die an Recht und Gesetz gebunden sind und von denen man eine Umsetzung des festgestellten Plans (einschließlich der gesamten Kompensationsmaßnahmen) erwarten darf.‘“, zitiert Günther. „Diese Antwort ist für einen Umweltminister ein Armutszeugnis. Gerade Straßenbauvorhaben sind oft mit gravierenden Eingriffen in die Natur verbunden. Hier gilt der bewährte Grundsatz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser!“

Schon die diversen Anfragen zu den Straßenbäumen hatten ja gezeigt, dass gerade diese von Schmidt zitierten „öffentlichen Planungsträger“ den Ersatz für die gefällten Straßenbäume überhaupt nicht zwingend sehen und jede Menge Erklärungen dafür parat haben, warum die verschwundenen Bäume am Straßenrand nicht wieder angepflanzt werden. Was eigentlich zwingend zu einer Ersatzpflanzung wenigstens an anderer Stelle führen müsste – kontrollier- und abrechenbar. Aber das interessiert augenscheinlich niemanden. Und nicht einmal die amtlichen Berichtspflichten werden dazu ausgeführt.

Von einem Minister, der weiß, was in seinem Bereich tatsächlich passiert, zeugt das alles nicht.

„In Sachsen herrscht im Umweltbereich ein erschreckendes Vollzugsdefizit: Offenbar sind die zuständigen Behörden in Sachsen personell und fachlich nicht ausreichend in der Lage, die Erfüllung von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen zu kontrollieren, anzumahnen und erforderlichenfalls durchzusetzen“, geht Günther auf das zugrunde liegende Problem ein. Denn wenn mehrere Sachsenregierungen hintereinander die personelle Ausstattung des Umweltministeriums für unwichtig halten und viele der notwendigen Kontrollämter für „überflüssige Bürokratie“, dann entsteht genau der zahnlose Staat, in dem die simpelsten Umweltgesetze permanent unterlaufen werden.

Auch der Sächsische Rechnungshof hat das in seinem jüngst veröffentlichten Jahresbericht 2017 kritisiert. Demnach ist das sächsische Kompensationsflächenkataster „Koka-Nat“ unvollständig und „unterstützt daher weder Ministerium noch Landesdirektion oder Untere Naturschutzbehörden ausreichend bei ihrer Aufgabenwahrnehmung“, zitiert Günther aus dem Bericht. Vom Rechnungshof benannt werden Versäumnisse der Unteren Naturschutzbehörden der Landkreise und anderer Genehmigungsbehörden. Die Landesdirektion Sachsen habe ihre Fachaufsicht nicht ausgeübt.

Tatsächlich ist die Kritik des Rechnungshofes für die nicht erfolgte Katasteraufsicht regelrecht vernichtend und das Umweltministerium musste zugeben, dass man sich erst jetzt – nach dem Rüffel des Rechnungshofes – ernsthaft um das Thema kümmern wolle.

„Laut der Antwort von Minister Schmidt auf meine Kleine Anfrage wollen sein Ministerium und die Landesdirektion Sachsen zukünftig ‚dafür Sorge tragen, dass die Mängel abgestellt werden‘“, zitiert Günther. Und hofft: „Im Interesse unserer Natur ist zu hoffen, dass dies auch tatsächlich der Fall sein wird. Wir Grünen werden am Thema dranbleiben.“

Bleibt nur noch die Frage: Hat Thomas Schmidt überhaupt noch die Leute, das zu kontrollieren? Oder wollte er nur die lästigen Rechnungshofprüfer beruhigen?

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