Für einen Finanzminister war es ein echtes Foul, was Georg Unland (CDU) am 25. Oktober zum Gemeindefinanzbericht des Sächsischen Städte- und Gemeindetag (SSG) sagte: „Seriöse Finanzpolitik ermöglicht Handlungsspielräume und sichert die aktive Zukunftsgestaltung in Sachsen. Jedoch wurden im Jahr 2016 von der kommunalen Ebene über 500 Mio. Euro der vom Freistaat Sachsen bereitgestellten Mittel nicht abgerufen. Erst wenn die Mittel abgerufen werden, können auch die Bürgerinnen und Bürger davon profitieren.“
Dass Sachsens Kommunen die bereitgestellten Fördergelder nicht abgerufen haben, hat mehrere Gründe. Einer ist die restriktive Förderpolitik des Landes selbst mit ihrer enormen Bürokratisierung, die Antragsprozesse zu regelrechten Marathons gemacht hat. Der wichtigere Grund aber ist die fehlende Finanzkraft der Gemeinden. Ihnen wurden in den vergangenen Jahren von Bund und Land immer mehr Pflichtaufgaben aufs Auge gedrückt, die den verfügbaren Etat auffressen. Geld, um die nötigen Investitionen in Schulen, Kitas, Straßen usw. gegenzufinanzieren, ist oft einfach nicht mehr da.
Ergebnis: Die Gemeinden können die bereitgestellten Fördergelder nicht mehr abrufen.
Der SSG wurde noch viel konkreter in seiner Kritik am Bürokratiemonster der Staatsregierung: „Erstens sind einige Fördermittelverfahren wahre Bürokratiemonster, vor denen die Kommunen zurückschrecken. Zweitens werden die Mittel teilweise vom Freistaat so spät im Jahresverlauf bewilligt oder freigegeben, dass sie von den Kommunen bis zur Frostperiode im Winter nicht mehr ausgegeben werden können. Hinzu kommt, dass das Finanzministerium sich monatelang mit den Fachressorts über die Übertragbarkeit der Mittel aus Vorjahren ins Folgejahr streitet und so wertvolle Zeit verstreicht. Drittens: Selbst wenn die Zuweisungen rechtzeitig zur Verfügung gestellt werden, kann es Probleme geben. Der Markt für den Bau von Infrastrukturprojekten ist eindeutig überhitzt. Die Kommunen bekommen häufig keine Angebote mehr oder nur noch zu ‚Mondpreisen‘, die sie trotz Fördermitteln nicht bezahlen können. In der Folge werden Ausschreibungen aufgehoben und müssen wiederholt werden.“
Für Stefan Skora, Präsident des Sächsischen Städte- und Gemeindetages (SSG) und Oberbürgermeister der Stadt Hoyerswerda, logische Aussage: „Die Antwort des Finanzministeriums zeigt, dass es die Probleme der Kommunen nicht verstanden hat oder nicht verstehen will.“
Es war nicht der einzige Spruch, mit dem der seit 2008 als Finanzminister agierende Georg Unland sich ins Aus geplaudert hat. Praktisch zu jeder Steuerschätzung wiederholt er seinen sinnfreien Spruch „Jeder Euro kann nur einmal ausgegeben werden“, um eine Finanzpolitik zu begründen, die nicht nur auf Gemeindeebene niemand mehr versteht.
„Das ist für mich lupenreine Austeritätspolitik“, sagt Dirk Panter, finanzpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion.
Damit, dass Georg Unland nach dem 13. Dezember noch Finanzminister ist, rechnet er nicht. Am 12. Dezember will Stanislaw Tillich vom Amt des Ministerpräsidenten zurücktreten. Am 13. will sich Michael Kretschmer zur Wahl stellen. Sollte er gewählt werden, wird er auf jeden Fall einen Teil der von der CDU besetzten Ministerposten neu besetzen und neue Leute berufen. Und Unland ist wohl der erste Kandidat, der seinen Posten räumen muss.
Der Unwillen in Landkreisen und Gemeinden gegen seine rigide Sparpolitik ist längst zu groß. Eigentlich geht es nur um eine bessere Finanzausstattung im niedrigen dreistelligen Millionenbereich, die die Kommunen wieder in die Lage versetzen würde, die bereitgestellten Fördermittel in Anspruch zu nehmen.
„Sachsen hat derzeit kein Einnahmeproblem“, sagt Panter, „sondern ein Ausgabeproblem.“
Jahr für Jahr meldet der Finanzminister Einnahmeüberschüsse von über 500 Millionen Euro. Jahrelang verschwanden die irgendwo in diversen Fonds und Rücklagen oder wurden vom Finanzminister nach Gutdünken ausgegeben. „Das ist seit zwei Jahren ein bisschen anders“, sagt Panter. Denn die SPD als kleiner Koalitionspartner nutzte die Chance, dass der Bund Mittel zur Stärkung der kommunalen Investitionskraft zur Verfügung stellte, diese in ein durch sächsische Gelder aufgestocktes Programm „Brücken in die Zukunft“ einfließen zu lassen.
Das Wichtigste an dem Programm waren eigentlich nicht die bereitgestellten 671 Millionen Euro, sondern zwei scheinbar völlig banale Dinge: 1.) Die Kommunen konnten selbst entscheiden, welche Investitionen sie damit endlich umsetzten. 2.) Die Förderbedingungen waren radikal vereinfacht.
„Genau so muss es sein“, sagt Panter.
Die Kommunen bekommen ein Stück ihrer Entscheidungshoheit zurück und müssen nicht durch bürokratische Dickichte marschieren, ohne zu wissen, ob ihnen die Gelder dann auch gnädig gewährt werden. Und da die Förderkonditionen besser sind, können sie auch Projekte stemmen, die sonst außerhalb ihrer finanziellen Möglichkeiten liegen.
Leipzig nutzte diese einmalige Gelegenheit zum Beispiel, um gleich reihenweise Projekte aus seinem Schulbauprogramm in das Programm „Brücken in die Zukunft“ zu stecken.
„Geben wir es doch zu: Die Schulbauförderung in Sachsen ist eine Katastrophe“, sagte Panter bei einem Pressegespräch am Freitag in Leipzig. „Die Mittel reichen hinten und vorne nicht. Die Herausforderungen in den beiden Großstädten Leipzig und Dresden sind dem Finanzminister herzlich egal.“
Würde Leipzig allein mit den mageren Schulbaufördermitteln arbeiten, es würde nicht ein Zehntel der benötigten Schulneubauten auf die Reihe bekommen.
Also hat Leipzig für „Brücken in die Zukunft“ alles angemeldet, was längst planungsreif war, aber schlicht nicht finanziert. Insgesamt 42 Maßnahmen im Umfang von 139 Millionen Euro. Darunter reihenweise energetische Sanierungen von Schulgebäuden, aber auch große Maßnahmen wie die Revitalisierung der Schule am Opferweg in Wahren (6,6 Millionen Euro), die Sanierung der alten Plattenbauschule in der Bernhard-Göring-Straße oder der ehemaligen Pablo-Neruda-Schule an der Straße des 18. Oktober. Die Sanierung der Hauptfeuerwache passte mit 12 Millionen Euro auch endlich mal, genauso wie die Fassadensanierung des Alten Rathauses.
Gerade im Sommer 2017 reisten Minister und Staatssekretäre emsig durchs Land, um überall die Förderschecks zu überreichen.
„Dieses Programm“, meint Panter, „hat für uns Vorbildcharakter. So muss das eigentlich immer laufen.“
Das Förderdickicht in Sachsen müsse entschlackt und vereinfacht werden. „Und zwar mit möglichst hohen und einheitlichen Förderquoten für die Kommunen“, so Panter. „Und noch viel wichtiger: Wir brauchen endlich langfristig verlässliche Förderprogramme. Die Kommunen brauchen Verlässlichkeit in ihrer Planung.“
Alles mit Georg Unland nicht zu haben, der sein Misstrauen, dass Kommunen mit Geld nicht richtig umgehen können, oft genug öffentlich geäußert hat. Deswegen ist sich Dirk Panter ziemlich sicher, dass der Posten nach Michael Kretschmers Wahl zum Ministerpräsidenten mit einer anderen Person besetzt wird und Finanzpolitik in Sachsen nicht weiter wie ein Hamstern auf Vorrat betrieben wird, bei dem die eingenommenen Überschüsse sinnlos in diversen Fonds landen, über die nur der Finanzminister verfügt.
„Auch das ist bei ‚Brücken in die Zukunft‘ anders“, merkt Panter an. „Das ist zwar auch ein Fonds. Aber wie das Geld ausgegeben wird, darüber entscheidet diesmal nicht der Minister, sondern wir, die Mitglieder im Finanzausschuss des Landtags. So muss das eigentlich sein. Und so stelle ich mir das auch künftig vor.“
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