Am Dienstag, 13. Juni, hockten sich die Regierungskabinette von Brandenburg und Sachsen zusammen, um so eine Art Strategiepapier für den anstehenden Strukturwandel in der Lausitz zu verabschieden. Drei Tage später, am Freitag, 16. Juni, setzte auch die SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag das Thema auf die Tagesordnung ihrer Klausurtagung in Bad Muskau. Also gleich mal mittendrin in der Lausitz.
Landschaftlich schön gelegen, den berühmten Landschaftspark von Fürst Pückler vor der Nase, die polnische Grenze nebenan. Entstanden ist dabei ein Positionspapier „Unsere Oberlausitz für Morgen“. Das Papier enthält Vorschläge und Ziele zur Strukturentwicklung, zur Sicherung von Arbeitsplätzen und zur Stärkung des sozialen Zusammenhaltes.
Und dann liest man es und ist erstaunt. Geldbeträge stehen eh nicht drin. Dafür etwas anderes. Denn die Lausitz mit dem in naher Zukunft stehenden Ende des Kohlebergbaus drängt auf etwas, was tatsächlich in allen sächsischen Regionen auf der Tagesordnung steht – aber immer wieder ausgeblendet wird.
„Die Oberlausitz braucht eine Perspektive. Seit 1990 erlebt die Oberlausitz einen stetigen Veränderungsprozess. Ganze Industrien sind verschwunden. Viele Menschen haben die Region verlassen. Wir legen mit unserem Papier, das wir in der Oberlausitz intensiv beraten haben, Ziele für unsere Oberlausitz-Politik vor“, meint Dirk Panter, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Sächsischen Landtag. „Zentral ist für uns, Strukturen und Wertschöpfung in der Oberlausitz zu halten und damit Arbeitsplätze zu sichern und neue zu schaffen. Wir wollen die Ideen, die aus der Region selbst kommen mit allen Kräften unterstützen und Strukturentwicklung in der gesamten Lausitz aktiv begleiten.“
Das Papier ähnelt – keineswegs überraschend – dem Strukturpapier, das die Regierungskabinette von Brandenburg und Sachsen drei Tage zuvor vorgelegt hatten. Es betont die Tatsache, dass man in der Lausitz wichtige Strukturen erhalten muss, manche auch erst schaffen muss. Denn auf einem Gebiet geht es der Lausitz so wie etwa dem Raum Chemnitz: Die überregionalen Anbindungen wurden über 25 Jahre sehr stiefmütterlich behandelt. Statt die Chancen frühzeitig zu nutzen, die Lausitz verkehrstechnisch besser zu verbinden mit Berlin, dem südlichen Sachsen, aber auch Polen, standen gerade die Eisenbahnverbindungen immer wieder infrage.
Aber wer die Funktionsstrukturen einer Region nicht stabilisiert, der überlässt sie Prozessen, die von dort aus kaum mehr zu beeinflussen sind: Abwanderungsprozessen. Denn Menschen bleiben nun einmal nicht da, wo die Strukturen für ein eigenständiges Leben immer mehr ausgedünnt werden.
Im Grunde ist das SPD-Papier eine Skizze für jede Art Stabilisierung von Regionen.
Neben Impulsen zur Ansiedlung von Forschung und Entwicklung, der Unterstützung der sorbischen Bevölkerung und zur Ärzteversorgung, ist für den Oberlausitzer Abgeordneten und struktur- und verkehrspolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Thomas Baum, der besondere Fokus auf Infrastruktur wichtig.
„Ich freue mich sehr, dass die SPD-Fraktion in meiner Heimatstadt Bad Muskau das Positionspapier zur weiteren Entwicklung der Oberlausitz mit konkreten Vorhaben auf den Weg gebracht hat. Besonders wichtig ist die Verbesserung der Infrastruktur, wie der beschleunigte Ausbau der Bahnstrecken Dresden-Görlitz und Cottbus-Görlitz und des schnellen Internets“, sagt er. Wohl wissend, dass das nun wieder am Bundesverkehrsminister liegt, der gerade die für Sachsen wichtigen Regionalstrecken im Bundesverkehrswegeplan auf Eis gelegt hat. Wenn der autoverliebte Minister nicht bald die Kurve bekommt und seine Verkehrspolitik ändert, dann ist der Zug für die Lausitz abgefahren. Dann kommen die möglichen Investitionen erst weit nach 2030. Für den Strukturwandel viel zu spät.
Also setzt Baum auch wieder jede Menge Hoffnung auf die Straßenanbindung: „Auch die mögliche Verlängerung der B178n über die A4 bei Weißenberg an Weißwasser vorbei bis zur A15 bei Cottbus kann ein wesentlicher Beitrag für die positive Entwicklung der Oberlausitz sein. Eine entsprechende Machbarkeitsstudie werden wir unterstützen.“
Womit er das Problem bei dieser Art Verkehrsdenken benennt: Man hat selten wirklich belastbare Machbarkeitsstudien oder Prognosen, auf deren Grundlage man entscheiden kann. Und bislang haben sich die Erweiterungen im Netz der sächsischen Bundesstraßen und Autobahnen für die ländlichen Regionen ganz und gar nicht als Treibstoff „für eine positive Entwicklung“ erwiesen.
Im Gegenteil: Sie befeuern die jetzt schon sichtbaren Konzentrationsprozesse in den Großstädten. Nach dem Positionspapier sollen sie zwar die Verkehrsverflechtungen in die benachbarten polnischen und tschechischen Gebiete verbessern. Aber das macht nur Sinn, wenn die Region auch grenzübergreifend gestaltet wird. Da sollte man sich eigentlich wenigstens mit den polnischen Nachbarn endlich an einen Tisch setzen und eine gemeinsame Regionenentwicklung planen.
Keine Kommentare bisher