Entweder wollte Sachsens Finanzminister alle auf die Palme bringen und die Macht auskosten, die ein Finanzminister in Sachsen hat. Oder er wollte austesten, was man den Sachsen alles zumuten kann, ohne dass sie aufschreien. Und die Sachsen lassen sich ja viel gefallen. Die radikalen Kürzungen bei Polizei, Richtern und Lehrern haben sie hingenommen wie die Schafe. Nicht nur in der SPD ist man entsetzt über die Kahlschlagpläne des Finanzministers.

Am 20. Juni veröffentlichte die „Sächsische Zeitung“ ein Interview mit Finanzminister Georg Unland (CDU), in dem der Geldverwalter einfach mal mitten in der Wahlperiode den so schwer errungenen Kompromiss mit dem Koalitionspartner SPD aufkündigte und ein Ende der mühsam begonnenen Reparaturbemühungen ankündigte. Schon im nächsten Doppelhaushalt 2019/2020 will er wieder den Rotstift ansetzen und darauf hinarbeiten, dass das eh schon auf 85.000 Stellen verknappte Landespersonal auf 70.000 und auch noch darunter eingedampft wird.

Da fasst sich nicht nur die SPD an den Kopf, die gerade mit aller Mühe einen Richtungswechsel hinbekommen hat.

Am meisten verärgert der selbstherrliche Finanzminister damit das Personal, das in den letzten Jahren immer wieder Verzicht leisten musste, damit Unland seine Sparpläne durchdrücken konnte.

Postwendend meldet sich der stellvertretende DGB-Vorsitzende von Sachsen, Markus Schlimbach, zu Wort: „Wenn der Herr der Zahlen in Sachsen sich zur Personalpolitik des Freistaates äußert, geht es regelmäßig schief. Schon die Personalpolitik der Vorgängerregierung, die maßgeblich vom Rotstift des Finanzministers diktiert wurde, ist von Grund auf falsch gewesen. Alle Probleme, die heute mühsam gelöst werden müssen, haben ihre Ursachen in den falschen Weichenstellungen der Vorgängerregierung.“

Von der fachlichen Qualifikation des Ministers in Personaldingen hält er nicht viel: „Das Denken des Finanzministers ist bestimmt davon, als ob Personalpolitik in Blöcken und Schemas stattfindet. Dabei ist es notwendig, in Aufgaben und in menschlichen Dimensionen zu denken. Mit dem Abschlussbericht der Personalkommission liegt für diese Art der Betrachtung eine gute Grundlage vor.“

Am heftigsten hat Unlands Personalpolitik die Nachwuchssituation in Sachsen verschlechtert. Schlimbach: „Wer heute junge Menschen ausbildet, muss auch gute Ausbilder haben. Das gilt sowohl für die Klassenzimmer des Freistaates als auch in den Berufsschulen und in den Betrieben. Wer Sicherheit und Ordnung garantieren will, benötigt ausreichend geeignete und gut ausgebildete Polizisten und wer eine gute Dienstleistung des Staates erwartet, braucht gute Fachleute in der sächsischen Verwaltung. Der Finanzminister sollte sich lieber ums Geld kümmern als Ausflüge in die Personalpolitik zu unternehmen. ‚Schuster bleib bei deinem Leisten‘.“

In Sachsen knirscht es an allen Ecken und Enden

Dass Unland keinen Gedanken daran verschwendet, wie er das Vertrauen der Bürger in staatliches Handeln immer mehr untergräbt, macht Katharina Schenk, Landesvorsitzende der sächsischen Jusos, deutlich: „Man könnte meinen, die CDU lebe in einer Parallelwelt. In Sachsen knirscht es an allen Ecken und Enden und das CDU-Spitzenpersonal sinniert über weiteren Stellenabbau im öffentlichen Dienst. Wer immer noch nicht verstanden hat, dass uns neben Lehrkräften, Polizistinnen und Polizisten auch juristisches Fachpersonal fehlt, dem kann eigentlich nicht geholfen werden. Es sind aber nicht nur die hochqualifizierten Kräfte an denen es mangelt, auch Sachbearbeiterstellen werden zunehmend knapper. Dennoch möchte der CDU-Finanzminister ein Fünftel aller Stellen im öffentlichen Dienst abbauen. Die Einsicht, dass Staatsabbau in diesem Maße auch Demokratieabbau ist, scheint in der CDU nicht weit verbreitet.“

Selbst die überforderte Kultusministerin Brunhild Kurth (CDU) hat sich ja zum Personaldebakel geäußert. Jahrelang hat sie die Einstellung junger Lehrer ausgebremst. Jetzt hat sie ein massives Problem und kann aktuell 550 Lehrerstellen nicht besetzen.

Katharina Schenk: „Als besonders irrwitzig erweist sich die Aussage der CDU-Bildungsministerin, dass geflüchtete Kinder schuld an der Misere seien. Dem halten wir entgegen, dass es spätestens unter der schwarz-gelben Regierung Nachholbedarfe bei den neu einzustellenden Lehrerkräften gegeben hätte. Es kann nicht sein, dass besondere Situationen als Rechtfertigung für jahreslanges Fehlverhalten herhalten müssen. Wir sind überzeugt, dass Sachsen derzeit keine einzige dieser Stellen abbauen darf. Der Bedarf an öffentlichen Einrichtungen mit entsprechendem Personal ist unbestreitbar vorhanden. Wer aber den blau-braunen politischen Kräften noch mehr Trümpfe ohne Not zuspielen will, muss weiter wie die CDU agieren. Wir fordern die SPD als Teil der Regierung auf, ihrem Kurs treu zu bleiben und weiteren Staatsabbau zu verhindern.“

Und deutlich verärgert zeigt sich auch die SPD-Fraktion.

Denn mit seinem Vorstoß zerstört Unland ein mühsam errungenes Vertrauen.

Die Sachsen haben ein Recht auf einen handlungsfähigen Staat

„Die Menschen in unserem Land haben ein Anrecht auf Sicherheit“, meldet sich Albrecht Pallas, der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion, zu Wort: „Das funktioniert nur, wenn wir einen starken Rechtsstaat haben. Für die SPD gilt der Grundsatz, Freiheit und Sicherheit in einer vernünftigen Balance zu halten. Das Wichtigste ist, dass staatliche Organe personell und materiell besser ausgestattet werden. Hier hat die SPD bereits viel erreicht: Der Stellenabbau bei der Polizei wurde gestoppt, in den nächsten Jahren werden 1.000 zusätzliche Polizisten ausgebildet.“

Ein Prozess, den Unland kurzerhand stoppen möchte.

Pallas weist zudem darauf hin, dass noch immer die verfehlte Personal- und Kürzungspolitik der vergangenen Jahre repariert wird: „Das wird uns noch einige Jahre beschäftigen. Die Versäumnisse der Vergangenheit sind u. a. bei fehlenden Lehrern aber eben auch bei der Polizei sichtbar. Das kostet uns heute nicht nur viel Geld, es ist auch viel Vertrauen in die Politik verloren gegangen. Die Sachsen wollen, dass ihr Freistaat funktioniert. Äußerungen zu erneuten Personalkürzungen sind verantwortungslos und sorgen genau für das Gegenteil.“

Und so toll fand er die Konferenz der deutschen Innenminister in der vergangenen Woche in Dresden auch nicht: „Es ist richtig, dass sich die Innenminister intensiv abstimmen. Man muss dabei nicht jeden Beschluss teilen, es muss aber darüber diskutiert werden, wie wir Sachsen für alle Menschen sicherer machen – ohne über das Ziel hinauszuschießen. Die Freiheitsrechte dürfen nicht unter die Räder kommen, weil manche die besonders harten Sheriffs sein wollen.“

Zudem warnt Pallas vor Scheinlösungen: „Forderungen, die hart klingen, aber nichts bringen, sind genauso sinnlos wie ein Herumreden um den heißen Brei. In vielen Sicherheitsfragen haben wir kein Regelungs- sondern ein Vollzugsdefizit. Mit Blick auf neue Phänomene, zu denen auch religiöser Extremismus und internationaler Terrorismus gehören, müssen wir aber natürlich auch unsere gesetzlichen Grundlagen auf Lücken überprüfen. Es ist richtig, zur Verhinderung von Anschlägen sogenannte Gefährder stärker in den Blick zu nehmen, sie zu identifizieren und zu überwachen, aber auch präventiv tätig werden. Außerdem brauchen wir eine bessere Kooperation von Bund und Ländern.“

Wer bei der Sicherheit spart, stärkt Extremisten

Viele Menschen in Sachsen fühlen sich nicht sicher, kommentieren auch die Freien Wähler den Vorstoß. Allein in Leipzig finden mehr als 36 Prozent aller Straftaten in ganz Sachsen statt.

Unsere Polizei ist unterfinanziert und hoffnungslos überfordert“, stellt der stellvertretende Landesvorsitzende der Freien Wähler Sachsen, Jens Spiske, fest. „Polizisten sind auf unseren Straßen nur noch zu sehen, wenn sie im Einsatz sind. Einsatzfreie Präsenz im Sinne von Streifengängen ohne konkreten Auftrag sind eine Ausnahme. Wir fordern deshalb einen raschen Aufwuchs der Polizeikräfte und eine zeitgemäße Ausstattung.“

Statt Polizisten ins Verhältnis zur Einwohnerzahl zu setzen, seien die Einsatzerfordernisse, Präventionsaufgaben, Fortbildung, politische Bildung, Inübunghaltung und die vielfältigen Gefahrenlagen der Maßstab. Streng genommen müsste man in Sachsen zur Ausgangspersonalstärke von 16.000 zurück.

„Wer bei der Polizei spart, ermuntert Kriminelle, Gewalttäter, Extremisten und provoziert selbsternannte Bürgerwehren“, erklärt Spiske, der auch Bürgermeister in Markranstädt und Kreisrat ist.

Innere Sicherheit sei für die Freien Wähler eines der wichtigsten innenpolitischen Themen. Jahrelange Sparpolitik habe eine hochmotivierte und schlagkräftige sächsische Polizei an ihre Grenzen geführt. Die sicherheitspolitische Lage in Sachsen werde durch steigende Kriminalität und steigende Terrorgefahr extremistischer Gruppen immer ernster. Laut Gewerkschaft der Polizei sei Sachsen in Punkto Sicherheit bundesweit von Platz 4 auf Platz 11 gerutscht. Ein direktes Ergebnis rücksichtlosen Sparens beim Personal.

Dagegen setze die sächsische Staatsregierung auf halbherzige Personalprogramme, mehr Überstunden und veraltete Computertechnik, kritisieren die Freien Wähler. Infolgedessen sinken die Schlagkraft und damit auch das Ansehen der sächsischen Polizei. Längst sei der Polizeiberuf nicht mehr so attraktiv wie früher.  Zunehmend werde die Polizei auch verbal und körperlich attackiert.

Schon jetzt hat man ein an den Belastungsgrenzen arbeitendes Personal. Wenn Unlands „Pläne“ Wirklichkeit werden sollten, wird in Sachsen fast nichts mehr funktionieren. Schon gar nicht das Lieblingskind der CDU, die „Sicherheit der Bürger“.

Die neue LZ Ausgabe Juni 2017 ist seit Freitag, 16. Juni 2017, im Handel

Die Leipziger Zeitung Nr. 44: Über die Grenzen hinaus

 

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