Ausweichen, rausreden, abwiegeln. Zumindest liest es sich so, wenn das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMF) versucht, den 37 Millionen Euro teuren Beschluss des Bundestages aus dem Herbst 2016 irgendwie zu erklären. Es geht um das „Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt“, das in Sachsen entstehen soll. Und das auf Anregung sächsischer Politiker ins Bundesbudget kam. Ein bekannter Professor taucht dabei auf.

Im November beschloss der Bundestag ein 240-Millionen-Euro-Paket für Bildung und Forschung, in dem steckte das Institut, von dem bis dahin außer den Mitgliedern der Großen Koalition noch niemand gehört hatte.

Im Änderungsantrag von CDU/CSU und SPD heißt es dazu: „Gründung eines ‚Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt‘ an einer sächsischen Universität mit dem Ziel die Einwanderungs- und Integrationspolitik an der Schnittstelle zwischen Wissenschaft, zivilgesellschaftlichem Engagement und politisch-administrativer Praxis mit besonderer Aufmerksamkeit auf die Ankunftsgesellschaft zu erforschen. Der Aufbau wird im Wege der Projektförderung im Jahr 2017 mit 1.000 T€ Euro gefördert. Der Ausbau des Instituts in den Folgejahren wird mit Verpflichtungsermächtigungen in Höhe von 2018: 3 000 T€, 2019: 5.000 T€, 2020: 8 000 T€, 2021 und 2022: je 10 000 veranschlagt.“

Macht summa summarum 37 Millionen Euro.

Dass Sachsen darin auftauchte, hat mit den Initiatoren des Projekts zu tun, vor allem mit dem sächsischen Generalsekretär der CDU, Michael Kretschmer, der hinter dem Vorstoß steckt.

Was für mehrere berichtende Medien zum Stein des Anstoßes wurde, weil fast parallel in Dresden ein „Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration“, ein CDU-naher Think Tank, entstand, dessen Mitgründer niemand anders war als der umtriebige Politologe Werner Patzelt, der gerade wieder als „PEGIDA-Versteher“ in der Diskussion steht, auch sonst für konservative Positionen bekannt ist und ebenfalls CDU-Mitglied. Vorsitzender des Zentrums ist Joachim Klose, Leiter der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung.

Vieles deutet darauf hin, dass die Institutsidee ganz und gar nicht unabhängig gedacht ist und vor allem CDU-Thesen vertreten könnte. Was auch schon im Terminus von der „Ankunftsgesellschaft“ steckt. Es geht also irgendwie nicht um die Bindungskräfte einer demokratischen Gesellschaft, sondern um den Umgang mit Ankommenden – also Migranten. Was dann schon an Kretschmers „Aufruf zu einer Leit- und Rahmenkultur“ erinnert.

Wenn aber der Bundestag schon 37 Millionen Euro für ein solches Institut „an einer sächsischen Universität“ bereitstellt, dann müsste das zuständige Bildungsministerium doch eigentlich wissen, wie es arbeiten soll, welche Leute dort eine Rolle spielen und welche Zielstellung es hat.

Aber das Verblüffende ist: Niemand scheint zu wissen, wofür die 37 Millionen Euro eigentlich ausgegeben werden sollen. Zumindest nicht so richtig.

Auch nach mehrfachen Nachfragen hat die Bundesregierung keine Klarheit über die Gründung eines Forschungsverbundes oder Instituts für gesellschaftlichen Zusammenhalt schaffen können.

Dazu erklären Ekin Deligöz, grüne Berichterstatterin für den Etat des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF), und Kai Gehring, Sprecher für Hochschule, Wissenschaft und Forschung der grünen Bundestagsfraktion, die mehrere ausführliche Anfragen zum Thema im Bundestag gestellt haben: „Außer der Überschrift steht beim ‚Institut für gesellschaftlichen Zusammenhalt‘ nichts. Es ist richtig, interdisziplinär an Fragen zu forschen, was die Gesellschaft zusammenhält. Allerdings lassen die namentliche Nähe zum konservativen ‚Zentrum für gesellschaftlichen Zusammenhalt und Integration‘ in Dresden sowie die Kontakte zwischen CDU-Abgeordneten, dem BMBF und dem Gründer des Zentrums, Prof. Patzelt von der TU Dresden, den Schluss zu, dass Integration und Einwanderung hier einseitig aus einer bestimmten politischen Ecke beleuchtet werden sollen.“

Von der Personalie Patzelt will Thomas Rachel, parlamentarischer Staatssekretär im Bildungsministeriums, in seiner Antwort zwar nichts wissen. Es gebe keine inhaltlichen und personellen Voraussetzungen für die Gründung des Instituts. Irgendwie sei man in Gesprächen mit nationalen und internationalen Fachleuten, um erst mal ein „wissenschaftsbasiertes Konzept für ein solches Institut“ zu entwickeln.

Zumindest war selbst die sächsische Wissenschaftsministerin Eva-Maria Stange (SPD) überrascht, dass überhaupt die Gründung eines solchen Instituts beabsichtigt ist. Und was bedeutet die Aussage des BMBF, dass auch die Standortfrage noch nicht entschieden sei, wenn im Haushaltsbeschluss von einer sächsischen Universität die Rede ist?

So recht sind Ekin Deligöz und Kai Gehring von den ausweichenden Antworten des BMBF nicht beruhigt.

„Wir fordern Ministerin Wanka auf, für ein transparentes, wissenschaftsbasiertes und überparteiliches Verfahren zu sorgen. Es wäre falsch, mit Steuergeldern einen konservativen Think Tank mit Nähe zur CDU oder gar PEGIDA zu gründen. Ein Forschungsverbund oder Institut zu diesem Thema muss einen klar umrissenen Forschungsauftrag erhalten, überparteilich aufgestellt werden, in die Forschungslandschaft eingebettet sein und eine dauerhafte Finanzierungsperspektive haben, die über die Anschubfinanzierung durch Projektmittel des Bundes hinausgeht“, erklären die beiden Bundestagsabgeordneten. „Daher fordern wir das BMBF auf, den Deutschen Bundestag als Geldgeber bereits jetzt systematisch in die konzeptionellen Vorarbeiten einzubeziehen und jeden Anschein der Parteilichkeit zu vermeiden. Das BMBF muss jetzt transparent machen, wie weit die Planungen gediehen sind, wer die beteiligten Akteure sind und auch das sächsische Ministerium für Wissenschaft und Kunst mit einbeziehen.“

Wobei noch nicht einmal geklärt ist, wozu das Institut wirklich gebraucht wird. Normalerweise erwartet man vor Beantragung der Gelder für so ein Institut doch eine wissenschaftlich untermauerte Problembeschreibung. Was genau soll erforscht werden? Welche wissenschaftlichen Ressourcen braucht man? Welche existierenden Hochschulen und Forschungsinstitute sollen mit welcher Zielstellung eingebunden werden?

All das ist sichtlich nicht passiert. Augenscheinlich reicht es in der Regierungskoalition, einfach seine Wünsche für 37 Millionen Euro in einen Antrag zu schreiben, und dann bekommt man das Geld, genehmigt es sich quasi selbst und gibt dann dem CDU-geführten BMBF den Auftrag, den organisatorischen Rahmen dafür zu schaffen. Ohne dass auch nur einer aufsteht und fragt, wozu man so ein Institut eigentlich braucht.

Der Änderungsantrag von CDU/CSU/SPD.

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