Sachsens Innenminister ist zwar ein Mann der großen Worte. Aber seine Ideen, mit denen er die Gewaltproblematik im Freistaat angeht, sind meistens eher bescheidener Art. So wie die jetzt von Innenminister Markus Ulbig (CDU) via „Sächsische Zeitung“ lancierte Idee, in Sachsen Waffenverbotszonen nach Vorbild der Reeperbahn in Hamburg einzuführen.
Was dann im Grunde eine Ausweitung der polizeilichen Kontrollrechte in Bezirken bedeuten würde, in denen schon heute gewisse Sonderzonen existieren. Wortlaut SZ: „Wenn sie in Kraft ist, kann das Ministerium die Zonen erlassen. Im Kern geht es darum, Kriminalitätsschwerpunkte zu entschärfen, unter anderem auch durch gezielte Kontrollen nach Waffen. Denkbar ist, dass das Instrument in Großstädten zum Zuge kommt, womöglich am Wiener Platz in Dresden oder der Eisenbahnstraße in Leipzig. Das Innenministerium wies allerdings darauf hin, dass es noch keine Entscheidung über die Orte gibt, an denen diese Zonen errichtet werden sollen.“
Eine eher abwegige Idee, findet Enrico Stange, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag.
„Sicherlich sind Kriminalitätsschwerpunkte durchaus auch öfter jene Orte, an denen Waffen getragen und zur Begehung von Straftaten genutzt werden. So ist das Führen und der Einsatz von Waffen im Rotlichtmilieu, unter Drogendealern und Schutzgelderpressern üblich, wie auch die Rockerbanden-Konflikte in der Leipziger Eisenbahnstraße zeigen. Dass in diesen Zusammenhängen genau diese Bereiche als Waffenverbotszonen ausgewiesen werden sollen, kann punktuell die Lage etwas entschärfen, bei weitem wohl aber nicht entspannen“, merkt der Linke-Abgeordnete an.
Denn Probleme mit Waffen in den falschen Händen gibt es nicht nur in solchen Problemzonen.
„Denn es sind – so die Auskunft des Sächsischen Innenministers Ulbig auf meine Kleine Anfrage – in Sachsen im vergangenen Jahr 3.694 Straftaten unter Nutzung von Waffen begangen worden. Darunter waren 1.156 Straftaten mit Schusswaffeneinsatz, 546 mal wurden Ketten, Knüppel, Baseballschläger, Schlagringe, Stahlruten als Hiebwaffen verwendet, und 1.832 mal setzten die Täter Stichwaffen ein. Dies liegt seit nun drei Jahren auf annähernd gleich hohem Niveau. Und bei weitem fanden diese Straftaten nicht nur in den beabsichtigten Verbotszonen statt“, stellt Stange fest, der beim Thema Waffenbesitz in Sachsen mittlerweile genauso hellhörig geworden ist wie der innenpolitische Sprecher der Grünen, Valentin Lippmann.
„Dass Waffen auch in Sachsen ein Problem werden können, vor allem, wenn immer mehr Bürgerinnen und Bürger sich bewaffnen wollen, hat der Innenminister viel zu lang ignoriert“, erklärt Lippmann zum neuesten Vorschlag des Innenministers. „Offensichtlich ist er endlich aufgewacht. Die Überlegung zu Waffenverbotszonen geht in die richtige Richtung. Allerdings frage ich mich, wie viele kriminalitätsbelastete Orte in Sachsen existieren, die ein solches Verbot rechtfertigen und welche Maßnahmen die Polizei darüber hinaus trifft, um das Entstehen solcher Brennpunkte zu verhindern. Zudem darf es nicht dazu kommen, dass unter dem Deckmantel einer Waffenverbotszone faktisch umfassende Kontrollbereiche eingerichtet werden, in welchen die Bürgerinnen und Bürger jederzeit kontrolliert werden können.“
Denn der Hintergrund ist auch der massiv propagierte Versuch der rechtsextremen Netzwerke in Sachsen, an Waffen, vor allem Schusswaffen zu kommen.
„Die Sachsen rüsten auf. Die waffenrechtlichen Erlaubnisse sind in einem Jahr von knapp 35.000 auf 42.000 angestiegen, also um 20 %. Reizstoffsprühgeräte, Schreckschusswaffen und Hieb- und Stichwaffen gehen immer häufiger über legale Verkaufstheken. Und die Dunkelziffer dürfte deutlich höher liegen, wie der Fund von gut 3.800 illegal eingeführten Waffen (2.900 Elektroschocker, 600 Schlagstöcke und 300 Schlagringe) vor kurzem in Pirna unter Beweis stellt. Unklar ist auch, wie viele illegale scharfe Schusswaffen sich im Umlauf befinden“, benennt Enrico Stange das Ausmaß dessen, was da längst jenseits möglicher Waffenverbotszonen passiert. „Mit der Einrichtung von Waffenverbotszonen wird im besten Fall verhindert, dass Waffen dort geführt und benutzt werden. Wahrscheinlicher ist, dass gewisse Kriminalitätsphänomene aus diesen Zonen in andere Bereiche verlegt werden oder sich die Tatbegehung verändert. Das Problem an sich wird aber nicht gelöst, und der illegale Waffenhandel wird nicht eingedämmt. Hier muss die Sächsische Staatsregierung endlich durchgreifend tätig werden und dem illegalen Waffenhandel massiv die Stirn bieten.“
Der Vorschlag von Markus Ulbig ist also bestenfalls ein Placebo.
„Ich erwarte von Innenminister Ulbig, dass er das Thema Waffenkontrolle nun endlich konsequent angeht und es nicht bei Alibi-Handlungen bleibt. Dazu ist es notwendig, endlich Maßnahmen zu treffen, die eine effektive Kontrolle von Waffen im Freistaat Sachsen ermöglichen. In vielen Landkreisen existiert diese faktisch nur noch auf dem Papier“, fordert Valentin Lippmann. „Darüber hinaus braucht es eine konsequente Entwaffnung von Neonazis. Diese langjährige Forderung muss nun auch in Sachsen endlich umgesetzt werden. Viel zu lang hat der Innenminister tatenlos zugesehen, dass bekannte Neonazis legal Waffen besitzen. Weisungen an die Waffenbehörden zur Entwaffnung der extremen Rechten hat er bislang abgelehnt.“
Erst nachdem in Bayern ein Polizist von einem sogenannten Reichsbürger erschossen wurde, habe Innenminister Markus Ulbig gehandelt und in einem Erlass gegenüber den Waffenbehörden klargestellt, dass Mitglieder der sogenannten Reichsbürgerbewegung regelmäßig als waffenrechtlich unzuverlässig zu qualifizieren sind. Anträge auf waffenrechtliche Erlaubnisse seien danach abzulehnen und bei bereits erteilten Erlaubnissen sei eine erneute Überprüfung vorzunehmen. Grundsätzlich solle es Reichsbürgern verboten sein, Waffen zu erwerben und zu besitzen.
„Was bei Reichsbürgern geht, geht auch bei Neonazis“, meint Lippmann. „Ich fordere den Innenminister auf, mit einem entsprechenden Erlass gegenüber den Waffenbehörden sicherzustellen, dass Neonazis in Sachsen künftig keine Waffen besitzen dürfen.“
Enrico Stanges (Die Linke) Kleine Anfrage zu Straftaten mit Waffen. Drs. 6/7780
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Süße Vorstellung. Da kommt dann ein Verbrecher mit seiner Waffe in so eine Verbotszone, weil er z.B. nen Kiosk ausrauben will, sieht ein Schild mit der Aufschrift “Waffenverbotszone” und denkt sich: So ein Mist, den darf ich hier ja gar nicht überfallen.^^
Dass so ein Überfall generell verboten ist, hat ja bisher noch nie irgendwen abgeschreckt, aber DAS wird wirken. Ganz bestimmt.^^