Immer wieder brillierte in der letzten Zeit auch Sachsens Innenminister mit Vorschlägen, die Bundeswehr zur Anti-Terrorbekämpfung in Sachsen einsetzen zu wollen. Gemeinsame Übungen von Polizei und Bundeswehr sollten den Auftakt machen. Das klang schon so selbstverständlich, dass sich die Linksfraktion im Landtag gedrängt fühlte, einen Antrag zu stellen, das bitteschön zu unterlassen.
Auf den Antrag hat jetzt Innenminister Markus Ulbig (CDU) reagiert und auch genauer benannt, welches Türchen er eigentlich nutzen will, um die Bundeswehr im Terrorfall zum Einsatz zu bringen. Denn das ist durch das Grundgesetzt ja eigentlich geregelt und mittlerweile auch per Gericht recht deutlich umrissen, auch wenn es im Einzelfall durchaus unterschiedliche Grenzziehungen gibt.
Aber die Voraussetzung für den Einsatz ist nicht der Terrorfall, auch wenn es deutsche Innenminister immer wieder so darstellen. Die Terrorbekämpfung ist und bleibt originäre Aufgabe der Polizei, auch wenn nach dem Fall Al-Bakr mittlerweile alle Welt weiß, dass Sachsens Polizisten da noch ein bisschen üben müssen. Deswegen machen gemeinsame Übungen von Bundeswehr und Polizei erst recht keinen Sinn: Die einen dürfen laut Grundgesetz nicht, die anderen können (noch) nicht.
Geregelt ist aber der einsichtige Fall, wann Bundeswehr immer angefordert werden kann: Das ist der Katastrophenfall. Was auch Markus Ulbig so sieht, auch wenn er diesen wichtigen Verweis gern weglässt, so dass in der Öffentlichkeit immer nur die Anforderung der Bundeswehr zur Terrorismusbekämpfung zur Formel wird.
Tatsächlich ist die Beteiligung der Bundeswehr im Katastrophenfall auch in Sachsen schon mehrfach geübt – so wie bei den großen Flutereignissen von 2002 und 2013. Das ist nicht nur geübt, sondern auch klar geregelt.
Markus Ulbig: „Die subsidiäre Hilfe der Streitkräfte, insbesondere die ‚man power‘, die technischen Fähigkeiten und die große Durchhaltefähigkeit, ist zur Bewältigung von Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen regelmäßig unverzichtbar. Bei der Anforderung der Hilfe ist es unerheblich, ob der besonders schwere Unglücksfall auf technischem Versagen beruht oder von Menschenhand herbeigeführt wurde. So können auch terroristische Anschläge nach Umfang und Intensität zu besonders schweren Unglücksfällen im Sinne des Art. 35 Abs. 2 Satz 2 GG führen. Die Bewältigung dieser Lagen erfordern eine intensive und reibungslose Zusammenarbeit aller mit der Bewältigung der Lage befassten Akteure, u. a. auch mit der Bundeswehr.”
Das ist etwas anderes als das, was Ulbig und seine Innenministerkollegen aus der Union im Januar zum Beispiel in der völlig sinnfreien „Wolmirstedter Erklärung“ formuliert hatten: „Terroristen denken nicht in zivilen Strukturen; ihnen ist jedes Mittel recht, Angst und Schrecken in Mitteleuropa zu verbreiten. Wir treten dafür ein, dass im Fall einer akuten Terrorgefahr alle nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts gegebenen Möglichkeiten einer Amtshilfe der Bundeswehr ausgeschöpft werden und die Zusammenarbeit mit den Polizeien der Länder und des Bundes optimiert wird.“
Was einfach falsch ist. Bei Terrorgefahr kommt keine Bundeswehr zum Einsatz. Und das hat das Bundesverfassungsgericht so auch nie formuliert. Das weiß auch Ulbig, denn er kommentiert den Linken-Antrag genau mit dem Verweis, dass nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts „Kampfeinsätze bzw. die Verwendung spezifisch militärischer Waffen der Streitkräfte auf der Grundlage des Art. 35 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 GG nicht ausgeschlossen sind und als ultima ratio in Betracht kommen. Solche Einsätze sollen zulässig sein, wenn die strikten Begrenzungen für Kampfeinsätze der Streitkräfte bei inneren Auseinandersetzungen nach Art. 87a Abs. 4 GG nicht unterlaufen werden.“
Also „ultima ratio“ heißt: dann, wenn alle anderen Mittel nicht mehr helfen.
Aber Ulbig wäre kein Vertreter der harten Linie, die auch schon vorher mit Bundeswehreinsätzen spielen möchte, wenn er nicht darauf beharrte, dass die Bundeswehr früher kommt. Das erklärt er noch einmal extra: „Neben dem zuvor Gesagten wird aufgrund der zunehmenden Gefahr terroristischer Angriffe unter Beachtung des Programms Innere Sicherheit der Bedarf und der rechtliche Rahmen speziell für eine Hilfeleistung der Streitkräfte bei sog. Terrorlagen auf Landes; und Bundessebene sowie auf der Ebene der Bund-Länder-Gremien ermittelt bzw. überprüft. Die Prüfung ist noch nicht abgeschlossen.“
Besonders Bundesinnenminister Thomas de Maizière und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (beide CDU) stehen hinter dem Projekt, das im Februar zum ersten Mal in eine gemeinsame Übung von Polizei und Bundeswehr münden soll. Aber es ist vor allem ein CDU-Projekt. In der SPD befürchtet man zu Recht eine stetige Ausweitung der Bundeswehrkompetenzen im Inneren. Die Ablehnung dieser Muskelspiele durch SPD-Innenminister war deutlich.
„Mir ist aber wichtig, dass die Übungsszenarien eines berücksichtigen: dass die innere Sicherheit in erster Linie die Aufgabe der Polizei ist“, erklärte zum Beispiel der NRW-Innenminister Ralf Jäger. Und wenn die Bundeswehr gerufen werde, gelte: „Es muss aber klar sein, dass die Bundeswehr dann in Amtshilfe ohne eigene Zuständigkeit handelt.“
Das ist das Problem von Markus Ulbig und seinen CDU-Kollegen – erst schwächen sie die eigenen Polizeikräfte durch rigiden Personalabbau. Und dann suchen sie die Rettung darin, die Bundeswehr zur Terrorbekämpfung rufen zu wollen, obwohl das die originäre Aufgabe ihrer Polizei ist.
Die Antwort der Staatsregierung auf den Antrag der Linksfraktion. Drs. 6695
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