Erstaunlich las sich am Dienstag, 1. November, auch dieser Satz in der LVZ: „Sachsen hat gefährliche Personallücken in der Justiz“. Eine Feststellung, die ein wenig spät kommt, aber den offensichtlichen Kurswechsel in der Landespolitik recht deutlich macht. Die Warnungen, dass die Personalkürzungen auch Recht und Ordnung im Freistaat gefährden, gibt es seit Jahren. Aber die kamen eben aus der Opposition.

Von Grünen, Linken und – bis 2014 – auch von der SPD, die zwar seit ihrem Wiedereintritt in die Regierung nicht mehr mahnt und warnt. Dafür hat sie tatsächlich die Änderung der Personalpolitik endlich in Gang gebracht. Gegen den Supertanker CDU, der wohl noch eine ganze Legislatur so weitergemacht hätte. Und eigentlich auch mit SPD gern so weitermachen würde. Denn alle Änderungen, die jetzt im Doppelhaushalt 2017/2018 endlich diskutiert werden, sind eher noch Kompromisse, denen man ablesen kann, wie sich der geldgebende Finanzminister gegen höhere Personalzahlen gewehrt hat. Zuletzt regelrecht wie ein Showdown inszeniert, als es um eine deutliche finanzielle Aufstockung für die Lehrerinnen und Lehrer in Sachsen ging.

Denn mit dem ursprünglichen Angebot wäre die Flickschusterei genauso weitergegangen wie seit 2012. Mit einer Kultusministerin, die beklagt hätte, dass sie einfach keine Lehrer bekommt. Und Lehrern, die aus Sachsen fliehen, weil die Angebote mittlerweile deutschlandweit nicht mehr wettbewerbsfähig sind.

Eigentlich hat Innenminister Markus Ulbig dasselbe Problem. Auch er kann nicht mehr damit rechnen, dass er überhaupt noch die nötigen Anwärter bekommt, die er für den Polizeidienst braucht.

Und nun steht auch die Justiz im Fokus der Öffentlichkeit, nachdem der Fall Jaber Al-Bakr durch die Presse ging. Auf einmal interessieren sich auch Medien, denen bislang völlig egal war, was hinter sächsischen Gefängnismauern passiert, für solche langweiligen Dinge wie die Personalausstattung. Und greifen gleich zur Alarmsirene.

Ein bisschen spät, stellt dazu Katja Meier, rechtspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion im Sächsischen Landtag, fest: „Grundsätzlich ist jede Personalstärkung in den Justizvollzugsanstalten zu begrüßen, besteht hier doch aufgrund vergangener Sparmaßnahmen und anstehender Altersabgänge ein besonders hoher Bedarf. Allein in den nächsten 15 Jahren gehen 771 von den insgesamt 1.711 Bediensteten in den Ruhestand. Um die starken Altersabgänge auszugleichen, müssen jährlich 51 Bedienstete zusätzlich in den Justizvollzug eingestellt werden.“

Auch das ist genauso wie in den anderen Ressorts: Jeder einzelne Minister und jede Ministerin wussten um die in den letzten Jahren aufgebaute Überalterung in ihrem Verantwortungsbereich. Jeder vernünftige Minister weiß, dass er – um ein Personalloch zu verhindern – frühzeitig mehr junge Leute ausbilden und einstellen muss. „Über Bedarf“, wie es so schön heißt.

Stattdessen waren sämtliche Personallisten weiter mit „kw“-Vermerken versehen: Keine weitere Verwendung. Kann weg.

Als wenn sich die zu leistende Arbeit dann einfach mit Verschwinden der Stelle in Luft auflösen würde. Oder – um beim Justizvollzugsdienst zu bleiben – einfach immer weniger Gefangene in den Justizvollzugsanstalten einsäßen. Dabei mangelt es nicht nur an einfachen Justizvollzugsbeamten, wie Katja Meier feststellt: „Jedoch sind die von der Staatsregierung avisierten rund 100 Stellen bis 2018 nicht annähernd genug, um neben dem demografischen Ausgleich den Personalschlüssel in den sächsischen Justizvollzugsanstalten zu verbessern und dort zusätzliches Fachpersonal, wie Dolmetscher und Psychologen einzustellen. Hierfür sind weitere 50 Stellen pro Jahr, über die nächsten Jahre verteilt, erforderlich.“

Und nicht nur in den JVAs mangelt es an Personal. Auch in den Gerichten staut sich die Arbeit, häufen sich die Fälle, arbeiten Richter und Staatsanwälte im Akkord – und das tut der Qualität der Fallbearbeitung gar nicht gut. Bei so einem Zustand ist es fast nur noch eine Frage der Zeit, bis die ersten Justizskandale Sachsen erschüttern.

„Die zusätzlichen Stellen im Bereich der JVAs dürfen allerdings nicht dazu führen, dass der übrige Justiz-Bereich, also die Gerichte und Staatsanwaltschaften, außer Acht gelassen werden“, mahnt Meier. „Auch hier besteht ein weitaus höherer Personalbedarf, als ihn der aktuelle Haushaltsentwurf decken kann.“

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